Hier wird nur demonstriert, wie Höhenretter im Ernstfall arbeiten. Foto: dpa

Höhenretter kommen dann zum Einsatz, wenn es brenzlig ist: Die Kletterprofis helfen Menschen, die in schwindelerregenden Höhen oder in der Tiefe in Not geraten sind.

Ulm - Der Mann im knallroten Anzug beugt sich über mich. „Wir tun jetzt so, als hättest du dir das Bein gebrochen“, sagt er. Dann schnallt er mich in der orangefarbenen Trage fest und deckt mich zu, so als wäre ich verletzt. Ich bin eigentlich kerngesund - mir ist nur etwas mulmig.

Hier findet eine besondere Übung statt: Der Mann über mir hängt nun seine Seile ein. Klick. Klick. Und noch eins. Klick. Alles wird doppelt abgesichert. Denn gleich werde ich in der Luft baumeln und dann in einer Kirche abgeseilt werden. 72 Meter in die Tiefe. Klick. Ich hoffe, der weiß, was er tut.

Der Mann heißt Alexander Raschke und ist Höhenretter. Das sind Klettermeister und Abseilprofis, die in Not geratene Menschen aus Schächten befreien oder von Dächern herunterholen.

Trainiert wird auch am Ulmer Münster

Damit im Ernstfall alles klappt, üben die Höhenretter fleißig. In der Stadt Ulm in Süddeutschland seilen sie sich einmal im Jahr in einer riesigen Kirche ab, dem Ulmer Münster. Nicht von außen an der Kirchenwand, sondern innen, mitten durch den Kirchturm. Da kann man sich gut abseilen, das Münster hat schließlich den höchsten Kirchturm der Welt.

Die Höhenretter tun dafür so, als hätte sich ein Besucher in dem hohen Turm das Bein gebrochen. Weil er nicht mehr alleine runterlaufen kann, müssen die Höhenretter ihn in der Kirche vom Turm bis zum Boden abseilen. Ich darf dabei den Verletzten spielen.

Die orangefarbene Trage mit mir hängt nun an zwei dünnen Seilen, und Alexander hängt an der Trage. Zusammen baumeln wir über einem dunklen Schacht. Dort wurden früher die großen Kirchenglocken mit Seilen nach oben und unten gezogen. 72 Meter geht es runter in die Dunkelheit. Jeder Griff muss jetzt sitzen, denn Sicherheit geht vor! „Wenn die Trage abreißt, haben wir immer noch ein Seil, das uns hält“, erklärt mir Alexander.

„Besser als herunterlaufen“

Dann geht es abwärts. Die anderen Höhenretter oben lassen uns Meter für Meter in die dunkle Tiefe hinab. Alexander gibt ihnen am Funkgerät Kommandos durch. Seine grelle Stirnlampe leuchtet mir ins Gesicht. Wir wackeln in die Tiefe. Das alte Gemäuer zieht an uns vorbei, es wird immer dunkler und stiller. Gong! Gong! Gong! Die Kirchenglocken scheppern plötzlich so laut, dass mein Herz stehen bleibt. Wir sind mitten im Glockenturm der Kirche.

Andreas wirkt dabei ganz entspannt. Er stößt uns mit den Füßen von der Wand ab, steuert uns durch die dunkle, riesige Kirche. „Sanft ist das nicht, aber besser als herunterlaufen“, sagt er und lächelt.

Nach mehreren Minuten gelangen wir durch ein Loch in der Decke in den letzten Raum, den Eingang der Kirche. „Noch 5 Meter“, ruft Alexander. „Noch 2...1...Patient hat Bodenkontakt!“ Meine Trage berührt den Boden. Puh. Ich atme beruhigt aus. Ich muss nicht ins Krankenhaus, sondern darf nach Hause gehen. War ja alles nur eine Übung! Aber ich weiß, dass Alexander und die anderen Höhenretter für den Ernstfall gerüstet sind.