Putin: Sanktionsdrohung inakzeptabel Foto: dpa

Die Töne werden schärfer, die Sanktionen (noch) nicht. Die EU-Außenminister setzen Kreml-Chef Wladimir Putin unter Druck, auf die Separatisten in der Ostukraine einzuwirken. Deutschland setzt auf härteren Kurs.

Berlin - In der deutschen Industrie wächst die Furcht vor einem Wirtschaftskrieg mit Russland. Die rund 6300 deutschen Unternehmen mit Geschäften in dem riesigen Schwellenland befürchten gravierende Einbußen, falls die EU ihre Strafmaßnahmen gegen Russland verschärft. „Weitere Sanktionen erhöhen den Preis, den alle für diesen Konflikt zu zahlen haben“, warnte der Vorsitzende des Ostausschusses, Eckhard Cordes, am Dienstag. „Wer in Wirtschaftssanktionen einsteigt, muss klar erklären, unter welchen Bedingungen sie wieder aufgehoben werden.“ Sonst drohten eine dauerhafte Verunsicherung von Investoren, eine Abkehr Russlands vom Westen und eine Belastung für die Konjunktur in ganz Europa. Der Ostausschuss vertritt die im Russlandgeschäft tätigen deutschen Unternehmen.

Nach dem mutmaßlichen Abschuss des Passagierflugzeugs mit fast 300 Menschen an Bord über der Ostukraine berieten die EU-Außenminister gestern in Brüssel. Bislang hatte sich die EU vornehmlich auf Einreisebeschränkungen und Kontensperrungen für einzelne Personen konzentriert. Nun könnten auch gezielt bestimmte russische Unternehmen Sanktionen unterliegen. Es wird damit gerechnet, dass die EU-Kommission heute eine Liste mit neuen Namen auf der Sanktionsliste vorlegt.

„Bei einem Wirtschaftskrieg mit Russland gäbe es nur Verlierer“, sagte Mario Ohoven, Präsident des Mittelstandsverbands BVMW. Die Mehrzahl der betroffenen Unternehmen seien Klein- und Mittelbetriebe. Von den schon bestehenden US-Sanktionen sei ein Viertel der im Auslandsgeschäft tätigen deutschen Firmen betroffen, sagte Volker Treier, Außenhandelschef der Deutschen Industrie- und Handelskammer. Tatsächlich leidet die deutsche Wirtschaft bereits unabhängig von möglichen weiteren Sanktionen durch die Krisensituation in Osteuropa. „Unabhängig von Wirtschaftssanktionen dürften die deutschen Exporte nach Russland und der Ukraine in diesem Jahr um über sechs Milliarden Euro sinken“, sagte Cordes. Allein dadurch stünden in Deutschland „mindestens 25 000 Arbeitsplätze auf dem Spiel“.

In der Regierungskoalition stoßen die Bedenken der deutschen Wirtschaft aber nur auf begrenztes Verständnis. „Wir sind uns alle einig, dass eine militärische Antwort auf den Ukraine-Konflikt nicht infrage kommt. Das darf dann aber nicht heißen, tatenlos zuzuschauen“, sagte Andreas Schockenhoff, der für Außenpolitik zuständige Unionsfraktionsvize, unserer Zeitung. Man müsse anders auf Russland einwirken, und das gehe nur mittels Sanktionen. „Das schließt dann auch die Bereitschaft ein, Einbußen bei den eigenen Handelsinteressen hinzunehmen“, so der CDU-Politiker weiter. Wirtschaftssanktionen seien „nur dann glaubwürdig, wenn man bereit ist hinzunehmen, dass eigene Wirtschaftsinteressen beeinträchtigt werden können. Eine Sanktionspolitik nach dem Motto ‚Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass‘ kann niemals funktionieren.“

Schockenhoff hielt den Kritikern entgegen, dass auch der Verzicht auf Sanktionen folgenreich wäre. „Die Folgen einer Politik der Tatenlosigkeit wären auch für die deutschen Unternehmen mit Exportinteressen in Osteuropa gefährlicher als die entstehenden Nachteile“, sagte er. „Mit Forderungen, auf Sanktionen zu verzichten, sägen sich die betroffenen Unternehmen langfristig den Ast ab, auf dem sie sitzen, denn gerade sie brauchen langfristig Investitionssicherheit, Planbarkeit und die Herrschaft des Rechts“, warnte er.

Im Prinzip wird das beim Koalitionspartner SPD nicht anders gesehen. Sanktionen seien ein Mittel aus dem Werkzeugkasten der Diplomatie, sagte Rolf Mützenich, SPD-Fraktionsvize und Außenpolitik-Experte seiner Partei. Man dürfe nicht vergessen, dass schon die ersten, noch zurückhaltenden Sanktionen gegenüber Russland Wirkung zeigten. Der Rubel habe an Kurswert verloren, Kapital sei abgeflossen und die Moskauer Börse in Schwierigkeiten geraten. Wichtig sei, „dass alle Sanktionen rückholbar sein müssen“, sagte Mützenich.

Der russische Präsident Wladimir Putin sicherte zu, bei der Untersuchung des mutmaßlichen Flugzeugabschusses in der Ostukraine seinen Einfluss auf die Separatisten geltend zu machen. Es müssten umfassende Ermittlungen ermöglicht werden, sagte er am Dienstag. Zugleich verbat er sich nachdrücklich eine Einmischung des Westens in innerrussische Angelegenheiten. Die Sanktionsdrohungen bezeichnete er als inakzeptabel. Russland werde fast ein Ultimatum gestellt. Für einen Verzicht auf Sanktionen solle die Russland nahestehende Bevölkerung in der Ukraine vernichtet werden.