Zu viele Einsätze bei Demos verhindern, dass sich die Polizei auch um andere Angelegenheiten intensiver kümmern kann Foto: Leif Piechowski

Mit strengeren Auflagen will die Stadt Stuttgart gegen aggressiv auftretende Bettler vorgehen. Doch passiert ist bisher nichts. Die Polizei kann nicht kontrollieren, weil sie durch eine Vielzahl von Demonstrationen personell am Anschlag ist.

Stuttgart - Wer durch die Königstraße geht, merkt, dass sich hinsichtlich der Bettler wenig verändert hat. 15 Südosteuropäer, die dem organisierten Betteln zuzurechnen sind, halten die Regel, nicht aggressiv oder mit der Zurschaustellung von amputierten Gliedmaßen zu betteln, teilweise nicht ein, zeigt eine Stichprobe. Dabei hat die Stadt Ende September angekündigt, härter gegen die Bettler-Banden in der Innenstadt vorzugehen und auch die rechtliche Handhabe von Polizei und Vollzugsbeamten mittels einer sogenannten Allgemeinverfügung verbessert. Befugnisse, die nichts nützen, wenn die Beamten nicht im Einsatz sind.

Denn zumindest die Polizei macht keine Kontrollen mehr, ob die Bettler in der Königstraße die Regeln auch einhalten. Grund ist die große Dichte der Demonstrationen. Erst vergangenes Wochenende waren fünf Hundertschaften bei der Demonstration der Bildungsplangegner im Einsatz, um diese vor aggressiven Gegendemonstranten aus dem linken Spektrum zu schützen. Hinzu kommen die Demos der Kurden gegen den sogenannten Islamischen Staat (IS), Demos gegen das Freihandelsabkommen und auch die Montagsdemo gegen das Bahnprojekt Stuttgart 21 findet beharrlich Zulauf.

„Da ist aktuell kein Personal für Sondereinsätze, die sich mit aggressivem Betteln beschäftigen“, räumt Thomas Geiger von der Pressestelle des Polizeipräsidiums Stuttgart ein. Zwar leide das Tagesgeschäft der Polizei nicht unter der Belastung, die Demonstrationen verursachen. Aber die Kräfte des Polizeipräsidiums Einsatz, früher Bereitschaftspolizei genannt, die für solche Sonderaufgaben gebraucht werden, müssten Prioritäten setzen.

„Manches bleibt dadurch auf der Strecke“, bestätigt Roland Fleischer, Pressesprecher des Polizeipräsidiums Einsatz. „Wenn bei irgendeiner Kleinveranstaltung angefragt wird, ob wir den Verkehr regeln können, und parallel ein problematisches Fußballspiel stattfindet, kann es bei der derzeitigen Belastung sein, dass wir der Anfrage nicht nachkommen können“, so Fleischer weiter. Das gilt auch für die Sondereinsätze, die das aggressive Betteln auf der Königstraße unterbinden sollten. Präventionsmaßnahmen wie Veranstaltungen, die über Einbruchsicherheit aufklären, leiden ebenfalls unter der Demonstrationsdichte.

Das Ordnungsamt hat die Kontrollen zwar verschärft und schickt zwei Streifen täglich durch die Königstraße. „Bis jetzt haben wir zehn schriftliche Platzverweise erteilt“, sagt Hans-Jörg Longin, Leiter des städtischen Vollzugsdiensts. Aber durch die Uniformierung der Beamten seien die Bettler früh gewarnt.

Vor etwa zehn Jahren hielten die ersten organisierten Bettler aus Osteuropa in Stuttgart Einzug. Sie kamen aus der Slowakei, vor allem aus Rimavská Sobota, einer Region, in der die Lebensverhältnisse schwierig sind. Es folgten Bettler aus Ungarn. Jetzt sind hier auch welche aus Bulgarien und Rumänien angekommen, die noch drastischer zu Werke gehen und vor allem arm- oder beinamputierte Menschen auf die Straße schicken. Dass Stuttgart der Lage mit den aktuellen Maßnahmen wohl kaum Herr werden wird, muss auch Longin eingestehen: „Ohne die Unterstützung der Polizeiaktionen sind wir deutlich weniger effektiv.“