Die CDU-Spitze fordert nach den Übergriffen auf Frauen in Köln deutliche Gesetzesverschärfungen. Foto: dpa

Die Kölner Polizei tut sich schwer damit, die Täter aus der Silvesternacht zu finden. Es war dunkel, es gab ein Getümmel, und auch der Polizeieinsatz wirft Fragen auf. Selbst wenn es nun erste Tatverdächtige gibt: Bis zur „harten Antwort des Rechtsstaats“, die allenthalben gefordert wird, ist es noch ein langer Weg.

Köln/Stuttgart - Eine Woche nach den Kölner Übergriffen ist noch unklar, was genau in der Silvesternacht geschah. Welche Straftaten kommen überhaupt in Betracht?

Die Polizei hat mittlerweile mehr als 120 Anzeigen vorliegen. Frauen sollen umzingelt, begrapscht und bestohlen worden sein. Auch Vergewaltigungen wurden angezeigt. Experten nennen eine ganze Fülle denkbarer Vorwürfe: Diebstahl, Nötigung, Raubdelikte, unterlassene Hilfeleistung, Bandenkriminalität oder Freiheitsberaubung. Sexuelle Nötigung, die vielen nach den Berichten als Tatbestand in den Sinn kommt, sei allerdings an bestimmte Umstände geknüpft, sagt die Frankfurter Rechtsanwältin Wiebke Otto-Hanschmann. „Eine sexuelle Nötigung setzt einen Widerstand voraus. Wenn ein Mann eine Frau an der Brust anfasst und ablenkt, damit ein anderer das Handy klauen kann, ist das zunächst keine sexuelle Nötigung, sondern Diebstahl.“
Welche Strafen gibt es dafür?
Der Strafrahmen für sexuelle Übergriffe, sogenannte Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung wie sexuelle Nötigung oder Vergewaltigung, reicht von Geldstrafe bis zu fünf Jahren Gefängnis. Betatschen und unsittliches Berühren ordnet das Strafgesetzbuch als Beleidigung ein. Eine sexuelle Beleidigung im engeren Sinne gibt es im deutschen Strafrecht nicht. Beleidigungen, auch auf sexueller Basis, können mit Geldstrafe oder mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr belegt werden.
Warum ist es so schwierig, Täter zu überführen?
Weil die Justiz jedem Einzelnen etwas Konkretes nachweisen muss. Es braucht Zeugen, Beweisvideos oder gefundenes Diebesgut. „Generell ist es so: Wenn eine Straftat aus einer Gruppe heraus begangen wird, muss man für jeden, den man belangen will, einen Tatbeitrag haben“, sagt Stefan Caspari, Richter am Landgericht Dessau-Roßlau und Strafrechtsexperte des Deutschen Richterbundes. Das heißt: Der Verdächtige beging selbst eine Tat oder leistete Beihilfe – etwa indem er in einem Kreis stand, der einen Übergriff abschirmte.
Wie läuft die Fahndung?
Die meisten bisher ausfindig gemachten Verdächtigen seien noch nicht namentlich bekannt, aber auf Bild- oder Videoaufnahmen klar erkennbar, so ein Kölner Polizeisprecher. Einige Verdächtige – alle nordafrikanischer Herkunft – seien vorübergehend festgenommen worden, jedoch vor allem wegen Diebstählen, teils außerhalb von Köln.
Was sagt die Polizei?
Bundesinnenminister Thomas de Maizière hatte den Kölner Polizeieinsatz bereits nach den ersten Schreckensmeldungen massiv kritisiert. Dabei waren in der Kölner Silvesternacht allem Anschein nach vor allem die Bundespolizisten überfordert, für die de Maizière die politische Verantwortung trägt. Laut dem internen Einsatzbericht ist ihnen die Lage im Bahnhofsgebäude zeitweise völlig entglitten. Die eingesetzten Polizisten seien „ziemlich schnell an die Grenze ihrer Leistungsfähigkeit gekommen“, heißt es in dem Vermerk. Dem Einschreiten der Polizei sei „mit einer Respektlosigkeit begegnet worden, wie ich sie in 29 Dienstjahren noch nicht erlebt habe“, schreibt der Leiter einer Einsatzhundertschaft in dem an die Medien lancierten internen Bericht der Bundespolizei. Die Situation sei derart außer Kontrolle geraten, dass in einer polizeilichen Lagebesprechung sogar Schwerverletzte oder Tote befürchtet worden seien. Auffällig, heißt es in dem Einsatzerfahrungsbericht, sei die „sehr hohe Anzahl an Migranten“ unter den Tätern gewesen. Die ganze Situation sei „chaotisch und beschämend“ gewesen. Während die Kölner Polizei beteuert hatte, erst nach Mitternacht von den sexuellen Übergriffen auf Frauen erfahren zu haben, heißt es in dem Bericht: Die Bundespolizisten seien bereits am Silvesterabend vor 22.45 Uhr von „vielen aufgewühlten Passanten“ über „Schlägereien, Diebstähle, sexuelle Übergriffe“ informiert worden. Nach den Kölner Vorfällen sieht die CDU-Landtagsopposition die öffentliche Sicherheit in Nordrhein-Westfalen gefährdet. Bundesinnenminister Thomas de Maizière sieht wachsende Aggressionen in der Gesellschaft mit großer Sorge. „Die Respektlosigkeit gegenüber Polizisten ist ein relativ neues Phänomen. Aber das gibt es nicht erst seit den Ereignissen von Köln“, sagte der CDU-Politiker in Potsdam.
Kann der Staat kriminelle Ausländer aus Deutschland ausweisen?
Ja. Dabei unterscheidet der Gesetzgeber nicht zwischen Asylbewerbern, länger hier lebenden Migranten und anderen Ausländern. Bis zur Reform des Aufenthaltsgesetzes im vergangenen Jahr waren Straftäter mit fremdem Pass „zwingend“ auszuweisen, wenn sie zu mindestens drei Jahren Haft verurteilt worden waren. Nun sollen zuständige Stellen abwägen zwischen dem „Ausweisungsinteresse“ des Staates (etwa bei kriminellem Verhalten eines Ausländers) und dem „Bleibeinteresse“ des Betroffenen (wie der Berücksichtigung von Familienverhältnissen oder persönlichen Bindungen in Deutschland).
Wann kommt es zu einer Abschiebung?
Wer eine „Ausweisungsverfügung“ erhält und nicht freiwillig ausreist, wird abgeschoben. Übereinstimmend mit der Genfer Flüchtlingskonvention kennt das deutsche Recht ein Verbot der Abschiebung. Gemäß Paragraf 60, Absatz 1, des Aufenthaltsgesetzes „darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität (. . .) oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist.“ Darauf kann sich ein Ausländer aber nicht berufen, wenn er eine Gefährdung für die Sicherheit darstellt oder zu mindestens drei Jahren Haft verurteilt worden ist. Bei einer konkreten, individuellen Gefahr etwa von Folter oder Todesstrafe gilt das Abschiebeverbot aber auch für diese ausländischen Täter.