Kinder, die sich bewegen wie hier bei der Mini-Weltmeisterschaft der Kitas, sind gut gewappnet gegen Übergewicht Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Bei Einschulungsuntersuchungen kommt Übergewicht an den Tag. Der Stuttgarter Gemeinderat will deshalb schon viel früher vorsorglich gegen überflüssige Pfunde bei Kindern einschreiten. In Kitas soll die Prävention greifen – auch bei Eltern.

Stuttgart - Seit 2011 schauen die Ärzte vom Gesundheitsamt besonders genau hin, wenn Kindern bei der Einschulungsuntersuchung die Hose spannt. Seither wurden rund 20 000 Kinder vermessen und gewogen – und in 10,2 Prozent aller Fälle als übergewichtig, in 3,9 als adipös und 1, 2 Prozent sogar als extrem adipös befunden.

Daraus sog Dr. Stefan Ehehalt eine positive Nachricht für den Sozialausschuss, der am Montag getagt hat: „Stuttgart liegt un-term Bundesschnitt von 15 Prozent übergewichtiger und 6 Prozent adipöser Kinder.“

Die Gesundheitsbeauftragten haben die Entwicklung auch im zeitlichen Verlauf beobachtet und kommen zu einem weiteren positiven Befund: Die Zahlen übergewichtiger Kinder fallen, seit 2012 von 10,9 auf 9,3 Prozent, die Zahl der Adipösen sinkt seit 2011 auf nunmehr 3,4 Prozent und die der extrem Adipösen von 1,5 auf ein Prozent. Dies wird überwiegend auf Präventionsmaßnahmen zurückgeführt. Der Leiter des Gesundheitsamts, Dr. Hans-Otto Tropp, stellte fest: „Wir können viel mehr tun.“

Eine nähere Analyse der Ergebnisse hat ergeben, dass bei den übergewichtigen Kindern häufiger die Vorsorgeuntersuchungen bei Kinderärzten nicht wahrgenommen worden sind und sie häufiger aus Familien mit nicht-deutscher Familiensprache kamen. Zu 80 Prozent setzt sich das Übergewicht im Erwachsenenalter fort und erhöht das Risiko, an Diabetes, Fettleber oder psychosozialen Entwicklungsstörungen zu erkranken. Daher hält es das Gesundheitsamt für angemessen, möglichst früh präventive Maßnahmen zu ergreifen, also vor allem die Eltern rechtzeitig aufzuklären, was bei den Stadträten Zustimmung fand. Von einer für Oktober anberaumten Gesundheitskonferenz „erhoffen wir uns Antworten, wie das in den Griff zu bekommen ist“, sagte CDU-Stadträtin Beate Bulle-Schmid. Insbesondere in den Kindertagesstätten sei Prävention wichtig.

„Andere Länder bezahlen eine Prämie, wenn die Eltern alle Vorsorgeuntersuchungen machen ließen“, erläuterte Gabriele Nuber-Schöllhammer (Grüne). Sie verwies zudem auf bereits bestehende Hilfssysteme wie die Frühen Hilfen und die Familienzentren, die „ein wichtiger Baustein sind, um die Frauen so früh wie möglich zu erreichen und ihnen zu erklären, worauf es ankommt. „Die Verzahnung muss halt stimmen.“

„Dass wir bei Ernährung und Bewegung ansetzen müssen, wissen wir“, sagte Marita Gröger (SPD), auch dass die Kinder so früh wie möglich in die Pampers-Liga kommen. Nur müssen wir jetzt zum Handeln kommen. Ich erwarte, dass die Verwaltung Vorschläge für die Praxis macht.“ Hannes Rockenbauch von der Fraktion SÖS-Linke-plus pflichtete Gröger bei und forderte „mehr Ideen und Ansatzpunkte“.

Sozialbürgermeisterin Isabel Fezer konstatierte, dass die Kindergesundheit „ein Dauerthema“ der Stadt sei und einzelne Elemente bei allen Aktionen zum Tragen kämen. „Wir sehen jetzt, dass es sich lohnt, mehr zu tun und werden dies, gern auch im Jugendhilfeausschuss, spezifizieren.“

Stadtrat Heinrich Fichtner (AfD) blieb skeptisch: „Verhaltensänderungen sind sehr mühsam zu erreichen und wenn, dann nur auf individueller Ebene. Ich bezweifel, dass Ihre Gesundheitstrupps (gemeint waren die Mitarbeiter des Gesundheitsamts; Anm. d. Redaktion) in Kitas und Schulen irgend eine Veränderung im Bewusstsein der Eltern erreichen“, sagte er zu Isabel Fezer.