Die Sicherheitslage in den Stuttgarter S-Bahnhöfen und im öffentlichen Raum allgemein löst Diskussionen aus Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

In Baden-Württemberg ist die Zahl der Gewalttaten im öffentlichen Raum zuletzt deutlich angestiegen. Jetzt löst ein Fall aus Stuttgart Diskussionen über Sicherheit und Zivilcourage aus.

Stuttgart/Berlin - Die Polizei in Baden-Württemberg hat im vergangenen Jahr 25 338 sogenannte Aggressionsdelikte im öffentlichen Raum verzeichnet. „Das bedeutet einen Anstieg um 3,8 Prozent im Vergleich zu 2014“, sagte ein Sprecher des Innenministeriums unserer Zeitung. Bereits im Jahr zuvor sei die Zahl solcher Straftaten um 0,2 Prozent gewachsen. Dazu gehören Raub, schwere oder gefährliche Körperverletzung oder vorsätzliche leichte Körperverletzung in der Öffentlichkeit.

In Stuttgart hat ein besonders aufsehenerregender Fall vom Wochenende Diskussionen über öffentliche Sicherheit und Zivilcourage ausgelöst. Ein 27 Jahre alter Mann war am Samstagmittag in einer S-Bahn-Haltestelle ohne ersichtlichen Grund von einem einzelnen Täter zu Boden geschlagen und ins Gesicht getreten worden. Zahlreiche Fahrgäste am Bahnsteig hatten das Geschehen verfolgt ohne einzugreifen oder die Polizei zu rufen.

Kritik an Aufforderung zur Zivilcourage

Der Historiker Michael Wolffsohn sieht die daraufhin erfolgten Aufrufe zur Zivilcourage kritisch. Sie kämen einer Aufforderung gleich, Leib und Leben zu riskieren. Es sei aber die zentrale Aufgabe eines zivilisierten Staates, seine Bürger zu schützen – und nicht sie anzuhalten, sich selbst um ihre Sicherheit zu kümmern. „Die Aufforderung des Staates zur Zivilcourage bedeutet letztlich die Abschaffung des Staates“, sagte Wolffsohn unserer Zeitung.

Bundesweit machen den Ermittlern weitere Trends Sorgen. Am Montag hat Innenminister Thomas de Maizière (CDU) in Berlin die polizeiliche Kriminalstatistik für das vergangene Jahr vorgestellt. Starke Zuwächse gibt es bei Einbrüchen sowie bei politisch motivierten Straftaten. De Maizière sprach von einer „bedrohlichen gesellschaftlichen Entwicklung“.