Udo Jürgens Foto: ZDF

In zwei Wochen, am 30 September, wird Udo Jürgens unfassbare 80 Jahre alt. Vor zwei Wochen wurde seine Geburtstagsshow „Mitten im Leben“ in Freiburg aufgezeichnet. Noch mal zwei Wochen später, am 18. Oktober, wird sie ausgestrahlt. Beobachtungen am Rande.

Finale mit Blumen

Ganz am Schluss, als alle sich feiern und immer wieder Udo Jürgens applaudieren. Als Helene Fischer einen riesigen Strauß Blumen vor dem schmalen Körper hält, sich Yvonne Catterfeld ein bisschen abseits stellt und ebenfalls einen sehr großen Strauß in ihren Händen hält, wird es etwas absurd. Einige Zuschauer in der Rothaus-Arena stimmen „Happy Birthday“ an. Udo Jürgens aber ist zu beschäftigt mit den Blitzlichtern, dem Hände schütteln und sich auf die schmalen Schultern klopfen lassen. Und ja: Geburtstag hat er ja erst Ende des Monats.

Wenn Sie aber die Show im Zweiten Deutschen Fernsehen zu sehen bekommen, ist Udo Jürgens schon gute zwei Wochen 80 Jahre alt. Es wird die CD mit allen neuen Interpretationen im Handel geben. Und Österreich hat gar eine Jubiläums-Briefmarke auf den Markt gebracht. Und ein Dokumentarfilm lief dann ebenfalls noch im Fernsehen. Und es gibt eben die TV-Show zum Geburtstag, bei der die Gäste sehr prominent und sehr unterschiedlich sind.

Liedzeilen für Generationen

Das ist viel Tohuwabohu für einen 80-Jährigen. Doch wenn es einer verdient hat, dann wohl uns‘ Udo, dessen Zeilen schon längst ins kollektive Gedächtnis eingegangen sind. Johannes B. Kerner, der durch den Abend führt und nicht oft eine Anmoderation wiederholen muss, weiß das. Er übt mit dem Publikum, was er eigentlich gar nicht muss. Seine These, dass drei, nein, zwei Wörter, nein, ein Wort genügt, das er anstimmt und die Menschen das Lied weitersingen können, klappt schon bei den Proben: „Mit 66 Jahren“, „Ich war…“ oder „Griechischer…“ - der Trick funktioniert bestens und das Publikum vollendet die angesungenen Zeilen. Und Johannes B. Kerner – die nette Geheimwaffe des ZDFs – warnt die Menschen in der Halle: „Er hatte schon Geburtstag. Nur dass sie Bescheid wissen.“ Zurück in die Zukunft.

Von Jamie Cullum bis Otto

Udo Jürgens TV-Show heißt „Mitten im Leben“, so wie sein aktuelles Album, wie seine aktuelle Tour, die den alten Mann noch mal viele, viele Abende beschäftigen wird. Es ist ein schöner Geburtstag in der Freiburger Rothaus-Arena, der eigentlich noch keiner ist. Einer, zu dem so viele unterschiedliche Gäste eingeladen wurden, die man nie und nimmer an einen Tisch setzen würde. Helene Fischer und Jamie Cullum, Chris de Burgh und Annett Louisan, Tim Bendzko und Santiano, La Brass Banda und José Carreras, Christina Stürmer und Schiller, Otto Walkes und David Garrett. Da ist Klassik und Pop, Comedy und Schlager, Jazz und Blasmusik, Elektrobeats und Geigenklänge. Aber genau das ist es, es zeigt die Vielseitigkeit von Udo Jürgens, es zeigt, dass Udo Jürgens heute nicht mehr der „Schlagerfuzzi“ ist, sondern mehr Chansonnier.

Der Mann für das Volk

Im Foyer stehen die Gäste mit Pils und Prosecco oder mit Orangenlimonade. Da ist Alt und Jung. In Pumps und mit Rollstuhl. Es gibt Brezeln und Bier. Schweres Parfüm und schwere Perlenketten. Die Damen tragen fuchsiafarbene Blazer, die Männer hellblaue Oberhemden. Udo, das ist der Mann fürs Volk. Ein charmanter Grandseigneur, den die Frauen anhimmeln. Ein lässiger Entertainer, den auch die Männer bewundern. Was wurde ihm schon alles verziehen? Ach Udo. Seine Lieder sind der Soundtrack für Everybody‘s Leben. „Griechischer Wein“ läuft im Partykeller und im Festzelt, seine Lieder schafften es zum Grand Prix, aus vielen seinen Kompositionen wurde ein ganzes Musical gestrickt, seine Familiengeschichte taugte zum Buch „Der Mann mit dem Fagott“ und zur Verfilmung.

Und was seine Kompositionen alles können, wird an diesem Abend gleich zu Beginn deutlich. Yvonne Catterfeld, die vielleicht mehr mit Jürgens gemein hat, als man meinen könnte, nämlich als Soap- und Pop-Sternchen verkannt, steht sie da in einem dunkelroten Kleid. Ganz steif, keine großen Gesten, sie legt alle Emotionen in die Stimme. Unglaublich toll, wie sie „Immer wieder geht die Sonne auf“ darbietet. Hier wird klar. Das ist kein Schlager, das ist ein Chanson, wie sich ihn Udo Jürgens bei den Franzosen Charles Aznavour und Gilbert Bécaud, seinen Wegbegleitern und Freunden, abgeguckt hat. Und Catterfeld singt mit rauchiger Stimme: „Denn Dunkelheit für immer gibt es nicht“. Heute Abend ist bei aller guter Laune, bei der „Party“, die Johannes B. Kerner immer wieder heraufbeschwört, auch Platz für die leisen Zwischentöne. Wie eben auch in den Liedern von Jürgens.

Mit rotem Einstecktuch

Der Bühnenaufbau ist der einer anständigen Samstag-Abend-Show: Lichter, Leinwand, beleuchtete Showtreppe. Das Orchester Pepe Lienhard, das Udo Jürgens schon seit so vielen Jahren begleitet, hat seinen Platz auf einer Empore. In der Mitte der Arena dürfen die VIPs – die „very important people“, die wichtigen Menschen – auf Loungesesseln Platz nehmen. Die allerwichtigsten Menschen sitzen auf roten Sesseln: Das ist immer Udo, oft Helene Fischer. Dann sind da noch die Hälfte von Jürgens Kindern, sein Bruder Manfred, sein Manager Freddy Burger. Alle haben sich chic gemacht. Jürgens selbst trägt wie immer Jackett. Mit rotem Einstecktuch. Sein Haar ist voll, die Figur rank und schlank. Selbst Jungbarde Bendzko trägt Anzug. Nur Otto nicht. Und Helene Fischer einen knallroten Rock in aparter Wickeltechnik.

Udo Jürgens singt live

Es gibt natürlich auch viele Momente an diesem Abend, bei denen man beide Augen zudrücken muss. Wenn etwa ganz schlecht zum Vollplayback der Mund bewegt wird. Geschenkt! Wenn die Udo-Jürgens-Klassiker im Weichspülgang interpretiert werden. Es ist ja nur einmal der 80. Geburtstag. Das macht heute alles nichts. Aber Udo, der singt live. Grundsympathisch und hochprofessionell ist das. Auch wenn er mal ein Zeilchen vergisst.

Und ach ja, es gibt so viele tolle Tränenmomente. Natürlich trägt Helene Fischer viel zu dick auf, als sie „Merci Cherie“ darbietet, streckt Faust in die Höhe, wenn sie die Worte „schau nach vorn“ singt. Und Udo? Er ist sehr gerührt und sagt: „Ich weiß, dass es ein sauschweres Lied ist.“ Und weiter: „Ein Lied ist ein Lied. Doch die Interpretation ist das Entscheidende“.

Auch Parodie ist Verehrung

Wenn Bilder von Jürgens als kleiner Junge eingeblendet werden, wenn Ausschnitte von lustigen Filmproduktionen gezeigt werden, wenn im Einspieler erklärt wird, dass Jürgens immer schon etwas sagen wollte mit seinen Liedern, dann wird im Studio geschwind die glänzenden Stirn von Tim Bendzko mattiert, der schwarze Flügel poliert. Wir sind ja im Fernsehen.

Dann ist da noch der kleine, große Jamie Cullum, Am Flügel spielt er „If I Never Sing Another Song“, komponiert von Udo Jürgens, geschickt hatte Jürgens das Lied an Frank Sinatra. Der gab‘s an Sammy Davis Jr. weiter, der damit jedes seiner Konzerte beendete. Die Version von Cullum kann mithalten. Locker. Jürgens ist einmal mehr zu Tränen gerührt. Chris de Burgh nennt Jürgens „the master“ – den Meister, Tim Bendzko wird von Lang Lang zu „Vielen Dank für die Blumen“ am Klavier begleitet, Grönemeyer und Jürgens‘ Tochter Jenny gratulieren von der Leinwand, Annett Louisan singt zuckersüß „Wer hat meine Zeit gefunden“ und Otto macht sich lustig. Denn: „Parodien sind die aufrichtigste Form der Verehrung.“