Tanja Gönner muss akzeptieren, dass das Land ihre E-Mails an den Untersuchungsausschuss zum "Schwarzen Donnerstag" weitergibt. Foto: dpa

Das Land Baden-Württemberg darf die E-Mails von Tanja Gönner an den Untersuchungsausschuss zum eskalierten Polizeieinsatz bei Protesten gegen das Bahnprojekt Stuttgart 21 weitergeben. Das hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg entschieden.

Stuttgart/Mannheim - Im Streit um ihre E-Mails rund um den eskalierten Polizeieinsatz bei Protesten gegen das Bahnprojekt Stuttgart 21 hat Baden-Württembergs Ex-Verkehrsministerin Tanja Gönner (CDU) eine juristische Niederlage erlitten. Der Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg entschied in einem am Montag bekanntgegebenen Beschluss (Az.: 1 S 1239/15), dass ihre elektronische Post an den Untersuchungsausschuss weitergegeben werden darf, der sich mit den Vorfällen vor fast fünf Jahren im Stuttgarter Schlossgarten beschäftigt. Allerdings muss vorher ein Richter alle privaten E-Mails aussortieren. Ausschusschef Jürgen Filius will den nötigen Beschluss noch in der Sommerpause auf den Weg bringen.

Das Landtagsgremium soll herausfinden, ob es politische Einflussnahme auf den harten Polizeieinsatz am sogenannten Schwarzen Donnerstag Ende September 2010 gab. Nach Angaben des Innenministeriums wurden mehr als 160 Menschen verletzt. Gönner ist eine enge Vertraute des damaligen Ministerpräsidenten Stefan Mappus (CDU). Die Mitglieder des Ausschusses wollen durch Gönners dienstliche Mails, die mit dem Polizeieinsatz zu tun haben, mehr über die damaligen Vorgänge erfahren. Er sei „dankbar“ über die Entscheidung der Mannheimer Richter, sagte Filius. „So kann Klarheit geschaffen werden.“ Unklar sei noch, ob die Abgeordneten über die Gönner-Mails auch Einblick in Mappus’ Äußerungen bekommen. Dessen Mails durfte der Ausschuss nach Gerichtsentscheiden nicht bekommen, sie landeten im Landesarchiv.

Die Daten von Gönner befinden sich auf drei Magnetbändern, auf denen der gesamte Serverbestand des ehemaligen Verkehrsministeriums gespeichert ist. Gönner hatte versucht, die Daten löschen zu lassen. Dies hatte das Verwaltungsgericht Sigmaringen im Mai jedoch abgelehnt. Gegen das Urteil legte die Politikerin Berufung ein (Az.: 1 S 1172/15), über die jedoch noch nicht entschieden ist.

Die Grünen im Landtag begrüßten den Beschluss des VGH

Im Juni hatte Gönner beim VGH einen Eilantrag gestellt, um zu verhindern, dass das Land ihre E-Mails an den Ausschuss weitergibt. Die Mannheimer Richter bemängelten das vom Untersuchungsausschuss gewählte Verfahren zur Weitergabe der Mails, das lediglich als Möglichkeit vorsieht, einen Amtsrichter einzuschalten. Vielmehr müsse die Beweiserhebung auf jedem Fall einem Richter übertragen werden, der die E-Mails zunächst sichte und dessen Entscheidung angefochten werden könne, forderte der VGH. Nur so sei gewährleistet, dass rein persönliche Mails gar nicht erst dem Ausschuss vorgelegt würden. Dann jedoch stünde einer Herausgabe der E-Mails nichts mehr entgegen.

„Der Verwaltungsgerichtshof bestätigt mit seiner Entscheidung unsere Kritik am Vorgehen von Grün-Rot“, sagte der FDP-Obmann im Ausschuss, Timm Kern. Weder die Landesregierung noch die Fraktionen von Grün und Rot hätten sich bemüßigt gefühlt, mit Blick auf die privaten Inhalte der E-Mail-Daten Gönners Recht auf informationelle Selbstbestimmung zu respektieren.

Die Grünen im Landtag begrüßten den Beschluss des VGH. Das sei „ein guter Tag für den Parlamentarismus“, sagte ihr Obmann Uli Sckerl. Das höchste Verwaltungsgericht des Landes würdige die Rechte des Parlaments auf Aufklärung aller Vorgänge rund um den Polizeieinsatz. Dem Untersuchungsausschuss sei es immer nur um die dienstlichen Mails von Gönner gegangen. Er müsse nun nicht mehr auf eine wichtige Informationsquelle verzichten und könne seine Untersuchungen im Herbst fortsetzen.

Damit der Ausschuss seine Arbeit bis zum Ende der Legislaturperiode im Frühjahr beenden kann, will der Vorsitzende Filius in den nächsten Tagen mit den Obleuten der Fraktionen das Vorgehen klären. Das Gremium solle noch in den Ferien beschließen, dass ein Amtsrichter die Mails vorsortiert. Ob es dafür eine Sondersitzung gibt oder der Beschluss im Umlaufverfahren herbeigeführt wird, sei noch offen.