Die Aufklärung des EnBW-Deals tritt auf der Stelle. Foto: dapd

Der Untersuchungsausschuss zum Geheimdeal tritt auf der Stelle – Alles sieht nach einem Scherbenhaufen aus.

Stuttgart - Heinz Seiffert ist ein alter Hase im politischen Geschäft. Einst war er Bundestagsabgeordneter, nun ist er Landrat im Alb-Donau-Kreis und zugleich Vorsitzender der Oberschwäbischen Elektrizitätswerke (OEW). Jenem Verband also, der Hauptanteilseigner der EnBW ist und mit Energie in den vergangenen Jahren gutes Geld verdient hat. Wer Seiffert etwas vormachen will, muss früh aufstehen. Und doch erleben auch zwei einflussreiche Kreisfürsten aus Oberschwaben ab und zu noch Überraschungen. So wie an jenem Abend des 1. Dezember 2010. Da wurden Seiffert und sein Vorgänger Karl Widmaier (Ravensburg) vom damaligen Ministerpräsidenten Stefan Mappus (CDU) nach Stuttgart in die Regierungszentrale gerufen. Als sich die Türen geschlossen hatten, offerierte Mappus den Herren, dass das Land demnächst dem anderen Hauptanteilseigner der EnBW, nämlich dem französischen Staatskonzern EdF, das Aktienpaket abkaufen werde. „Der Ministerpräsident kam gleich zur Sache“, sagt Seiffert, als er am Freitag im Zeugenstand des EnBW-Untersuchungsausschusses im Landtag die damaligen Vorgänge schildert.

„Wir haben das damals als große Chance gesehen“, sagt Seiffert. Denn die EdF habe „seit 2009“ darauf gedrängt, bei der EnBW die Mehrheit zu bekommen. „Aber wir haben ihnen stets klar gemacht, dass die EnBW ein baden-württembergisches Unternehmen bleiben muss.“ Angesichts des Drohszenarios aus Paris ließ die OEW damals wiederholt mit Hilfe der LBBW sogar den Wert der EnBW-Anteile ermitteln, um möglicherweise selbst weitere Anteile hinzuzukaufen, falls die EdF ihre Anteile an einen anderen ausländischen Investor wie Gazprom verkaufe. Ergebnis: Der Preis lag zwischen 38 und 42 Euro pro Aktie. „Das hielten wir für realistisch.“

Mappus bis zum Vertragsabschluss am 6. Dezember 2010 zum Schweigen vergattert

Dass das Land nun plötzlich an die Stelle der ungeliebten EdF treten würde, muss den OEW-Chefs deshalb wie ein Sechser im Lotto vorgekommen sein. Doch die Oberschwaben durften sich noch nicht freuen. Denn Mappus vergatterte sie bis zum Vertragsabschluss am 6. Dezember 2010 zum Schweigen. Und als der Alt-Parlamentarier Seiffert den Regierungschef an jenem Abend des 1. Dezember fragte, wie er den Deal eigentlich stemmen wolle, habe Mappus ihm klar gemacht, dass das Geschäft sozusagen ausverhandelt ist, „substanzielle Veränderungen“ seien „nicht mehr möglich“. Der Kaufpreis werde bei 41,50 Euro pro Aktie liegen. „Wir hielten den Preis für angemessen.“ Aber hatte Mappus im Zeugenstand nicht behauptet, der Preis sei erst kurz vor der Vertragsunterschrift am 6. Dezember fixiert worden? Es ist eine der vielen ungeklärten Fragen in diesem Untersuchungsausschuss.

Seiffert mag das nicht bewerten. Er erinnert sich am Freitag jedenfalls daran, wie er Mappus damals gefragt habe, ob der Landtag vor dem Fünf-Milliarden-Deal nicht eingeschaltet werden müsse. Mappus habe ihm geantwortet, die Franzosen würden einen solchen Parlamentsvorbehalt strikt ablehnen. „Aber wir haben einen Weg gefunden“, habe Mappus geantwortet. Inzwischen ist bekannt, dass dieser Weg, auf Anraten der Anwälte von Gleiss Lutz den Landtag zu umgehen, im Desaster endete. Monate später verurteilte der Staatsgerichtshof den geheim-Deal als verfassungswidrig.

Aber der Ministerpräsident vergatterte in jenen Tagen nicht nur die OEW-Chefs zum Schweigen, er weihte bekanntlich auch sonst kaum Vertraute ein. Einer der vielen Belege: Sven Hinterseh, damals Grundsatzabteilungsleiter im Staatsministerium und somit die Schaltstelle für alle strategischen Fragen der Regierung, wurde erst am Morgen des 6. Dezember „wenige Minuten vor der Sondersitzung“ des CDU-FDP-Kabinetts eingeweiht, wie er als Zeuge aussagt.

Und doch will niemand Schuld sein an all dem, was danach passierte

Dirk Metz, damals Kommunikationsberater des Ministerpräsidenten, hatte von dem spektakulären Deal hingegen „etwa acht Tage“ vorher erfahren. Es sei seine Aufgabe gewesen, die Vorbereitungen zu treffen, um den Wiedereinstieg des Landes bei der EnBW am 6. Dezember entsprechend zu vermarkten. Hilfestellung sollte eine eigens eingeschaltete Kommunikationsagentur aus Frankfurt liefern. Sie bereitete die Stellungnahme vor, die Mappus am 6. Dezember vor der Presse halten könnte oder würde. Dabei wurde sogar ein Katalog von Fragen und Antworten entworfen, die Journalisten möglicherweise stellen könnten – so genante „urgly questions“, schmutzige Fragen also, die Mappus womöglich in Bredouille bringen könnten. „Wir haben ein Set von Botschaften vorbereitet“, sagt Agenturprofi Folker Dries. Dass die Agentur auch eine Stellungnahme für den damligen Finanzminister Willi Stächele (CDU) vorbereitete, obwohl der noch nicht mal etwas von dem Deal wusste, ihn aber genehmigen musste, macht die ganze Dimension des Deals deutlich.

Und doch will niemand Schuld sein an all dem, was danach passierte. Als Zeuge Metz am Freitag befragt wird, welche Erinnerung er an Martin Schockenhoff habe, jenen Anwalt von Gleiss Lutz also, die den Weg ohne Landtagsbeteiligung ausgetüftelt hatten, sagt Metz. „Wenn Herr Schockenhoff Bedenken gegen den Weg geäußert hätte, wäre es mir in Erinnerung geblieben. Aber ich kann mich nicht erinnern“, sagt Metz und gibt damit – wie viele Zeugen zuvor – den Schwarzen Peter an die Anwälte.