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Ex-Innenminister Beckstein soll Inserat zur Anwerbung von verdeckten Mitarbeitern erklären.

Berlin - In Akten des bayrischen Staatsministeriums zur Mordserie des Neonazi-Trios Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt, Beate Zschäpe ist ein Zeitungsinserat aus dem Januar 2006 aufgetaucht. Darin geht es um die Anwerbung „freiberuflicher Mitarbeiter ohne spezielle Vorkenntnisse“. Die Bewerber sollen in Milieu-Recherche nach Hinweisen auf die Mörder von vier türkischen und einem griechischen Mitbürgern forschen. Offen bleibt, ob sie im Migranten-Milieu oder im rechtsextremistischen Milieu suchen sollten. Das ergaben Recherchen dieser Zeitung.

Bayerns damaliger Innenminister, der CSU-Politiker Günther Beckstein, wird dazu an diesem Donnerstag im Bundestags-Untersuchungsausschuss befragt. Unter anderem wird von Beckstein eine Antwort auf die Frage erwartet, ob ihm als bayrischer Innenminister bekannt war, dass überhaupt per Inserat gefahndet wurde. Der Ausschuss untersucht mögliches Behördenversagen, nachdem die Mordserie an Ausländern viel zu spät dem Nationalsozialistischen Untergrund NSU zugeordnet wurde.

Abgeheftet ist die Annonce heute in den Akten des bayrischen Staatsministeriums zu den Anschlägen, zu denen sich Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe in einem späteren, in einem Video bekannt. Die Akten zu allen „verdeckten Ermittlungen“ der Soko Bosporus liegt in Nürnberg unter Verschluss.

In dem Zeitraum September 2000 bis Januar 2006 waren fünf Ausländer allein in Bayern den Mordanschlägen zum Opfer gefallen. Die Ermittler suchten mit aller Akribie nach einem Tatmotiv im kriminellen Ausländermilieu, gingen aber nicht jenen Hinweisen nach, die auf fremdenfeindliche Motive von rechtsextremistischen Tätern oder gar dem „Nationalsozialistischen Untergrund“ NSU deuteten.

In dem Inserat, welches zeitnah nach seiner Ablage in den Akten im Januar 2006 möglicherweise veröffentlicht worden ist, werden „freiberufliche Mitarbeiter ohne spezielle Vorkenntnisse für Hintergrund-Milieu-Recherche zu der bislang einzigartigen Mordserie an türkischen und griechischen Mitbürgern in München, Nürnberg, Hamburg und Rostock gesucht. Gute Bezahlung“ wird garantiert. Zudem werden „nährere Informationen“ unter einer Internetadresse und Telefonnummer versprochen, die heute nicht mehr gültig sind.

Unter der Telefon-Einwahl ist seit September 2011 die Zentrale einer Vermietungsgesellschaft für Büroräume in der Münchner Maximilianstraße zu erreichen. Wer 2006 unter der Durchwahl der im Inserat angegebenen Nummer erreichbar war, ist aus Datenschutzgründen nicht mehr zu ermitteln. Auch der im US-Bundesstaat Virginia beheimatete Webseiten-Suchdienst für .com-Adressen kann nicht mehr angeben, auf wen die Internetadresse zugelassen war. Heute ist sie nicht vergeben. Anhand Nummer und www.-Adresse ließe sich ergründen, wer das Inserat seinerzeit in Auftrag gab.

Weder das bayrische Landesamt für Verfassungsschutz noch das Landeskriminalamt, noch Mitarbeiter der damaligen Soko Bosporus, die in der Mordserie recherchierten, äußern sich heute in der Sache. Sie begründen das mit „laufenden Ermittlungen“. Ein Sprecher des Bundesamts für Verfassungsschutz zeigt sich überrascht: „Das Inserat ist uns gänzlich unbekannt und sagt uns nichts.“ Polizei und Verfassungsschutz an den Tatorten Hamburg und Rostock kommentieren die Sache ebenfalls nicht.