Die Studenten an der Hochschule der Medien freuten sich nach der Aktion über 422 Neuregistrierungen. Foto: Julia Schuster

Blutkrebs hat viele Gesichter. An der Hochschule der Medien war es das von Clark Kent alias Superman. Unter dem Motto „Willst du mein Superheld sein?“ warben Studenten dafür, sich als Stammzellspender registrieren zu lassen.

Vaihingen - Kleine weiße Wattestäbchen. Zu Dutzenden liegen sie steril verpackt auf den Tischen – zwischen Sanduhr, Registrierungsformular und Aufklärungsplakat. Es scheint unvorstellbar, aber jedes dieser Stäbchen könnte einmal ein Leben retten. Denn noch immer findet jeder fünfte Blutkrebspatient keinen passenden Stammzellspender. Mit den Wattestäbchen kann von potenziellen Spendern eine Speichelprobe genommen werden, die anschließend in der Deutschen Knochenmarkspenderdatei (DKMS) registriert wird. Die Stammzellspende ist für viele Leukämiepatienten die einzige Überlebenschance.

Alisa Augustin reißt die Verpackung eines Wattestäbchens auf. Die 23-Jährige studiert an der Hochschule der Medien Crossmedia-Redaktion. Eigentlich schreibt sie gerade an ihrer Bachelorarbeit. „Neben der Thesis wollte ich etwas Gutes tun“, sagt sie. Seit drei Monaten hilft sie bei der Organisation der Typisierungsaktion, die die Studenten gemeinsam mit der DKMS ausrichten. Die DKMS ist die größte Stammzellenspenderdatei in Deutschland; mittlerweile sind mehr als vier Millionen Menschen registriert.

Wangenabstrich für den guten Zweck

Augustin ist seit drei Jahren registriert. „Ich finde es schade, dass ich bis jetzt nicht den Richtigen gefunden habe“, sagt sie. Denn jeder Spender hat anhand von zehn Gewebemerkmalen einen genetischen Zwilling. Nur diesem Patient können die eigenen Stammzellen tatsächlich helfen. Der Andrang ist groß, vor den Typisierungsräumen bilden sich Schlangen. Augustin füllt mit den potenziellen Spendern die Registrierung aus. Typisieren lassen können sich alle gesunden Menschen zwischen 17 und 55 Jahren. Auch ihr WG-Mitbewohner Yannik Wohnsdorf ist an die Hochschule gekommen. „Umso mehr Spender in der Datenbank sind, umso höher ist die Chance für einen Krebskranken, eine Übereinstimmung zu finden. Wenn in meiner Familie jemand erkranken sollte, würde ich mir auch so eine Übereinstimmung wünschen“, sagt er.

Für Wohnsdorf heißt es jetzt: Wangenabstrich. Dazu muss er ein steriles Wattestäbchen eine Minute lang an der Wangeninnenseite reiben. Später wird dann seine DNA untersucht werden. Augustin misst mit der Sanduhr nach. „Viel zu viele Menschen denken gar nicht daran, sich typisieren zu lassen. Die Aktion soll auf das Thema aufmerksam machen“, sagt sie.

„Wenn du ein Leben retten willst, ist der Aufwand überschaubar.“

Wohnsdorfs Wattestäbchen wandert mit den anderen Proben an den Kontrolltisch. Dort sitzt der Helfer Daniel Riethmüller. Er überprüft die Formulare. Und er beantwortet Fragen zur Stammzellspende, denn Riethmüller hat bereits selbst gespendet. 2005 hatte er sich in die Stammzellspenderdatei aufnehmen lassen. Ende 2008 kam der Anruf. Die DKMS bat um eine Stammzellspende. Riethmüller zögerte keine Sekunde. Er kann sich noch gut an den Tag der Stammzellenspende erinnern. Mit zwei weiteren Spendern saß er in einer Dresdner Klinik in einem Raum: Im Fernsehen lief Indiana Jones – Riethmüllers Blut durch eine Art Dialysegerät, das die Stammzellen aussonderte. Zwei Stunden dauerte die Behandlung. „Wenn du ein Leben retten willst, dann ist der Aufwand dafür recht überschaubar“, sagt Riethmüller.

Wer seine Stammzellen erhält, wusste er zu dem Zeitpunkt noch nicht, denn Spenden sind innerhalb der ersten zwei Jahre anonym. Erst dann dürfen Patient und Spender Kontakt miteinander aufnehmen. Zwei Jahre später kam es schließlich zum Treffen. Riethmüller hadert kurz, dann sagt er über die Begegnung: „Wenn sich Dankbarkeit in einem Blick ausdrücken lässt – es wäre dieser gewesen.“ Heute ist der ehemalige Patient sein Freund geworden; gemeinsam setzen sie sich für Typisierungen ein. „Ohne meine Spende hätte er nicht überlebt“, sagt Riethmüller, während er die Wattestäbchen in braune Umschläge verpackt.

Ein Leben lang in der Kartei

422 Wattestäbchenproben werden es am Ende des Tages sein, die Veranstalter hatten nur mit der Hälfte gerechnet. „Jeder Einzelne zählt“, sagt Aktionsleiter Martin Kott von der DKMS. Hinzu kommt, dass sich an der Hochschule vor allem junge Menschen registrieren lassen. „Sie könnten ihr Leben lang in der Kartei bleiben“, sagt Kott.

Kott lädt die Wattestäbchen in sein Auto ein. Die Proben wird er im Labor abgeben. Dort wird die DNA auf die genetischen Merkmale untersucht, die bei einer Stammzellenspende entscheidend sind. In drei Monaten werden die neu registrierten Spender Post von der DKMS erhalten. In dem Umschlag wird sich ein Spenderausweis befinden. Damit sind sie offiziell in die Kartei aufgenommen. Dann könnte jederzeit der Anruf kommen: die Bitte, mit eigenen Stammzellen das Leben eines anderen zu retten.