Plant den nächsten Höhenflug: Kim Bui Foto: Getty Images Europe

Der Spagat ist für Kim Bui nichts Ungewöhnliches. Turnen und Studium bringt sie unter einen Hut – jetzt wartet eine neue Herausforderung: Die Athletin muss künftig auf ihre Trainerin des Vertrauens verzichten.

Stuttgart - Im Ballettsaal des Stuttgarter Kunstturnforums nimmt Kim Bui (25) einen Biss von ihrer Butterbrezel. Da steht eine junge Frau, die mit sich im Reinen ist. Sie wirkt konzentriert und fokussiert, vier Tage vor ihrem Auftritt im Mehrkampf beim DTB-Pokal. Es wird ein besonderer Wettkampf für sie in der Porsche-Arena werden – denn es ist der letzte, bei dem sie von ihrer langjährigen Trainerin Tamara Khokhlowa betreut wird. Die Russin aus Murmansk wird Ende des Jahres in den Ruhestand gehen – damit geht eine Ära zu Ende.

Seit April 2001 stand Khokhlowa im Stuttgarter Kunstturnforum an den Geräten, brachte Kim Bui und anderen Turnerinnen neue Elemente bei, feilte an jenen, die sie bereits beherrschten. Davor arbeitete sie fast 40 Jahre lang in Russland. Ihr Ausscheiden ist eine Zäsur für den Stützpunkt, aber auch für Kim Bui. „Ich werde das noch einmal genießen und gönne ihr dann ihre freie Zeit“, sagt Kim Bui. Die Trainerin konnte in ihr lesen – fast wie in einem Buch. „Sie wusste wie ich ticke, und sie weiß, was ich beim Wettkampf brauche“, erzählt Kim Bui.

Andererseits ist die 25-Jährige längst kein Küken mehr, das man an die Hand nehmen muss. Und doch wird ihr die vertraute Übungsleiterin fehlen. Mit ihr hat Kim Bui bemerkenswerte Erfolge gefeiert. 2009 jubelte sie beim DTB-Pokal in Stuttgart am Barren über ihren ersten Weltcupsieg, wurde obendrein deutsche Meisterin im Mehrkampf, am Boden und beim Sprung.

Bei der EM 2011 in Berlin stand sie dann auf dem Treppchen, holte Bronze am Barren. Und auch das aktuelle Jahr zählt zu ihren konstantesten. Bei den deutschen Meisterschaften in Stuttgart gewann sie den Mehrkampf und setzte beim Heimspiel mit Silber am Boden und am Stufenbarren und Bronze im Sprung noch weitere Ausrufezeichen. Das Jahr wäre noch perfekter verlaufen, wäre ihr bei der WM in Nanning bei der Bodenübung nicht ein Fehler passiert, den sie sich „bis heute nicht richtig erklären kann.“

Aber sie hat diese Phase mit Tamara Khokhlowa ebenso gemeistert wie im Jahr 2010, als sie sich das Kreuzband gerissen hatte. An die quälenden Wochen der Reha und die Monate des einsamen Trainings denkt sie aber schon lange nicht mehr.

Nun kommt also der DTB-Pokal, bei dem sie mit einer Wildcard starten darf und den nächsten Höhenflug plant. „Ich freue mich, dass ich in diesem Hammerfeld antreten darf, die Turnparty in Stuttgart geht weiter“, sagt die Turnerin, die den Schwung vom vergangenen Wochenende mitnehmen will, als sie mit dem MTV Stuttgart den Mannschaftstitel in der Bundesliga gewonnen hat: „Bei uns stimmt einfach das Teamgefüge, und hier wurde über Jahre etwas aufgebaut, das Konzept trägt Früchte.“

Etwas aufbauen will die gebürtige Tübingerin auch in der Zeit nach ihrer Karriere. Ihre Bachelor-Arbeit, die sich mit Hefezellen und Stoffwechselvorgängen beschäftigt, hat sie abgeschlossen, den Spagat zwischen Leistungssport und Studium hat sie geschafft. „Dazu brauchte es viel Disziplin“, sagt Kim Bui.

Am liebsten würde sie noch den Master draufsetzen – sie weiß nur noch nicht in welche Richtung sie sich in ihrem Fach technische Biologie entscheiden soll. Und was ist mit dem Turnen? „Das läuft“, sagt Kim Bui. Konkreter will sie im Moment nicht werden. Sie ist 25 Jahre alt. „Da zählt man schon zur älteren Garde, aber ich profitiere natürlich von meiner Erfahrung“, sagt sie.

Dem Sport will sie auch nach der Karriere verbunden bleiben. Als Kampfrichterin oder als Trainerin. Dann verrät die zurückhaltende Sportlerin noch ihren großen Traum: „Am liebsten würde ich wie Maria Höfl-Riesch oder Kati Wilhelm als TV-Expertin arbeiten.“ Nun wartet aber erst einmal der DTB-Pokal. Und auch da will Kim Bui wieder auf sich aufmerksam machen.