Nicht nur von der Besucherplattform aus gibt die Baustelle für die Schnellbahntrasse von Stuttgart nach Ulm ein imposantes Bild ab Foto: Andreas Pflüger

Rund 50 Männer und Frauen haben auf Einladung des CDU-Kreisverbands Göppingen am Samstag die grellen Warnwesten übergestreift und Helme aufgesetzt, um sich mit eigenen Augen vom Baufortschritt des Jahrhundertprojekts der Bahn zu überzeugen: dem Tunnel Albaufstieg.

Göppingen - Drei Tage Stillstand können Alfred Schano nicht aus der Ruhe bringen. Der stellvertretende Bauleiter für die Arbeitsgemeinschaft Tunnel Albaufstieg erklärt vor dem Baubüro am Boßlertunnel, dass sich nach der geplanten Reparatur am Wochenende die Käthchen genannte Vortriebsmaschine am Montag wieder mit ihrem rotierenden Schneidrad in den Aichelberg fressen wird. Das geschieht an der Stelle, wo auf der S 21-Neubaustrecke der Bahn zwischen Wendlingen und Ulm die mit 8806 Metern zu den längsten Bahntunneln Deutschlands zählende Röhre aufgefahren wird, wie die Grabungsarbeiten im Fachjargon der Mineure bezeichnet werden.

Die alpenländische Gelassenheit, mit der der Österreicher der Besuchergruppe Rede und Antwort steht, kommt bei den Gästen gut an. „So gechillt möchte ich auch mal sein“, quittiert ein Teilnehmer die Stellungnahme des Bauleiters. Rund 50 Männer und Frauen haben auf Einladung des CDU-Kreisverbands Göppingen am Samstag die grellen Warnwesten übergestreift und Helme aufgesetzt, um sich mit eigenen Augen vom Baufortschritt des Jahrhundertprojekts der Bahn zu überzeugen.

Keine kritischen Fragen aus den CDU-Reihen

Ohne auch nur ein einziges Wort über die Vorgeschichte des im Vorfeld äußerst umstrittenen Bauprojekts zu verlieren, weiht eine Führerin des Veranstalters Turmforum Stuttgart die Besucher in die technischen und infrastrukturellen Herausforderungen des 60 Kilometer langen Albaufstiegs ein. Mit kritischen Fragen muss sie sich dabei nicht auseinandersetzen, denn die Mitglieder der CDU aus dem Kreis Göppingen geben ein Beispiel dafür ab, dass ihre Partei in allen Gliederungen diesem Bauprojekt der Bahn von Beginn an äußerst positiv gegenübersteht.

So sieht es auch ein Gast, der bekennt, er habe sich erst im Lauf der Jahre vom S 21-Kritiker zum Befürworter gewandelt. Seine Zweifel als Finanzfachmann an der Machbarkeit der Finanzierung des milliardenschweren Projekts seien inzwischen zerstreut worden. Dazu habe auch der Umgang der Europäischen Union mit der griechischen Finanzkrise beigetragen, die ihm gezeigt habe, das Geld sei am Albaufstieg mindestens genauso gut angelegt wie bei den südeuropäischen Nachbarn.

Der Fleiß und Arbeitseinsatz der hiesigen Akteure, zu denen neben den Mineuren aus Österreich auch zahlreiche Arbeiter aus Ungarn und Polen gehören, wie es die Kennzeichen der Personenwagen auf der Baustelle nahe legen, zeigt sich schon bei der ersten Station der Rundfahrt mit dem Baustellenbus. An sieben Tagen in der Woche fertigen jeweils 100 Arbeiter in zwei Schichten in einem eigens dafür eingerichteten Betonwerk die Tübbings genannten Fertigteile, mit denen im Boßlertunnel die Tunnelröhre ausgekleidet wird. Aus Sicherheitsgründen ist es den Besuchern verwehrt, dieses Bauverfahren, bei dem der Tunnel sozusagen Ring für Ring wächst, an Ort und Stelle zu beobachten.

Unten klafft dunkel der Tunnelmund

Auch der Blick auf das Käthchen selbst ist nicht möglich, da sich die Tunnelvortriebsmaschine bereits viele Hundert Meter tief in den Jura des Boßlers gefräst hat. Von der Besucherplattform über dem Tunnelportal aus können die Gäste immerhin den dunkel klaffenden Tunnelmund unter ihnen erkennen.

Mit Genugtuung nimmt die Gruppe die Botschaft auf, das Käthchen komme bei seinem bergmännischen Angriff deutlich flotter voran als gedacht. Nun könnten die Mineure ohne Unterbrechung durch einen so genannten Zwischenangriff im Umpfental die Röhre knapp bis vor den Beginn der 485 Meter langen Filstalbrücke zwischen Mühlhausen und Wiesensteig vorantreiben. Die vorbereitenden Arbeiten dafür sieht die Gruppe vom Bus aus am Albaufstieg entlang der A 8, bevor die Tour auf der zweiten Bahnbaustelle im Kreis am Steinbühltunnel landet.

Beim Anblick der dort gelagerten gigantischen Abraumhalden auf den Hohenstädter Pfaffenäckern, vermisst der Ebersbacher Gemeinderat Paul Rösch eigentlich nur noch die Gemsen, wie er augenzwinkernd anmerkt. Ihren letzten Höhepunkt erreicht die Infotour schließlich in der am höchsten gelegenen Kommune im Regierungsbezirk. Hier kredenzt die von den Mineuren eigenmächtig eingesetzte Hohenstädter Tunnelpatin Silke den durstigen Kehlen ein frisches Bier und macht ihrem Ruf als engagierte Wirtin alle Ehre.