Truppenbesuch verboten: Die Türkei will nicht, dass der Staatssekretär die deutschen Soldaten in Incirlik besucht. Foto: POOL AFP

Die Wut der türkischen Regierung auf Deutschland geht zu weit, kommentiert Chefredakteur Christoph Reisinger.

Stuttgart - So geht es nicht. Zwar ist die Resolution des Bundestags zum Völkermord an Armeniern und anderen Minderheiten im späten Osmanischen Reich überflüssig und angreifbar. Aber die Reaktionen der türkischen Führung schießen so weit über das Ziel hinaus, dass dem deutsch-türkischen Bündnis schwerer Schaden droht.

Der vorläufige Gipfel: Abgeordneten, Regierungsvertretern und Journalisten aus Deutschland verwehrt die Türkei den Zugang zu deutschen Soldaten, die vom türkischen Incirlik aus den Kampf gegen die Terroristenformation Islamischer Staat (IS) unterstützen. Das wirft zwei Fragen auf: Hat sich die Türkei vom Prinzip ziviler Kontrolle des Militärs verabschiedet? Das war doch aus gutem Grund mal eines der Topthemen der Regierungspartei AKP. Und pfeift die Regierung Erdogan jetzt auf das kleine Einmaleins der Partnerschaft in der Nato?

Das kennt man hierzulande überall, wo wie in der Region Stuttgart Truppen verbündeter Staaten stationiert sind. Da gehen Politiker und Journalisten aus den Herkunftsländern ein und aus. In einem Bündnis demokratischer Staaten ist das so selbstverständlich wie notwendig.

Die harmlose Lesart der türkischen Entgleisung ist die – und sie ist bedenklich genug: Nationalistische Aufwallung macht blind für den Wert enger Freunde, über die man sich eben auch mal ärgert. Die Einreise-Verweigerung lässt sich aber auch so deuten: Die türkische Regierung, seit jeher eine Stütze des IS, sieht die Chance, unter einem absurden Vorwand die Deutschen zu vergraulen und so die Anti-IS-Koalition zu schwächen. Bundestag und Regierung machen alles richtig, wenn sie genau hinsehen, aus welchem Motiv sich der Affront speist – und ihre Reaktion allein daran ausrichten.