Bislang dürfen Autofahrer auf der Tübinger Straße aus Richtung Marienplatz hier noch rechts in die Feinstraße abbiegen. Doch bald wird die Durchfahrt gesperrt. Dann ist es nur noch Radlern gestattet, weiterzufahren. Foto: Nina Ayerle

Die Tübinger Straße wird auf Höhe der Feinstraße unterbrochen – zunächst mit einer provisorischen Lösung. Stadteinwärts endet die Straße für Autofahrer dann am Caleido. Die Hauptradroute soll damit sicherer werden.

S-Süd - Manche Ideen müssen erst zaghaft reifen, sagt man. So scheint es auch mit der Fahrradstraße zwischen dem Marienplatz und der Paulinenbrücke zu sein. Bereits im vergangenen Frühjahr beschlossen der Bezirksbeirat Süd und der Gemeinderat ein Verkehrskonzept Tübinger Straße, welches auch die Umwandlung selbiger zur Fahrradstraße beinhaltete. Zeitgleich mit der Eröffnung des Wohn- und Einkaufszentrums Gerber sollte das Konzept umgesetzt werden. Lange ist jedoch nichts passiert. Das Gerber hat längst seine Pforten geöffnet – doch die Fahrradstraße fehlt immer noch.

Die Durchfahrt an der Feinstraße wird gesperrt

Ein kleiner Trost ist da, dass die Stadtverwaltung nun doch beginnt, erste Schritte des Verkehrskonzepts umzusetzen. Von Ende Mai an plant die Straßenverkehrsbehörde, die Durchfahrt für den Autoverkehr stadteinwärts ab Höhe Feinstraße komplett zu unterbrechen. Diese Regelung gilt eigentlich in eine Richtung jetzt schon. Zahlreiche Autofahrer, so zeigte sich bei einer Ortsbegehung, ignorieren jedoch nach wie vor das Verbot.

Ein Wendehammer soll künftig Ordnung schaffen. „Dann können wirklich nur noch Radfahrer durch“, sagt der Bezirksvorsteher Raiko Grieb. Für den Anfang gibt es nur eine provisorische Lösung. Vermutlich im Oktober beginnt die Stadt bei der Marienkirche mit Bauarbeiten. Der Rupert-Mayer-Platz wird dort verschönert. Erst im Anschluss daran kann die endgültige Lösung in Angriff genommen werden. Auf Höhe des Karls-Gymnasiums und der Marienkirche wird es dann auch eine Wendemöglichkeit für Autofahrer geben.

Über die komplette Sperrung der Feinstraße in Richtung Marienplatz ist Grieb glücklich: „Man kommt dann definitiv von dort aus nicht mehr in die Tübinger Straße in Richtung Marienplatz“, betont er. Für Radfahrer bringe dies zusätzlich Sicherheit. Ein Manko hat die Lösung aber für die Zweiradfahrer, die zügig unterwegs sind: Auf Höhe der Feinstraße gibt es für die Radler ein Stoppschild. Das bedeutet: Sie müssen bremsen und anhalten.

Das Verkehrskonzept Tübinger Straße ist einst umfangreicher geplant und verabschiedet geworden. Über verschiedene Einbahnregelungen hätte die Straße entlastet werden sollen. Der Vorschlag des Stadtplanungsamtes war eine Einbahnstraße stadteinwärts zwischen Römer- und Feinstraße. Die liegt nun ebenso wie die Fahrradstraße weiterhin auf Eis. Das hat mehrere Ursachen. Baumaßnahmen am Rupert-Mayer-Platz von Oktober 2015 an sowie die Großbaustelle der Immobilienfirma Strenger Bauen und Wohnen an der Ecke Fangelsbacher-/Tübinger Straße sind die Gründe, welche derzeit gegen eine weitere Baustelle sprechen. Zum Zeitpunkt der Verabschiedung des Verkehrskonzepts im Bezirksbeirat und im Gemeinderat sei das Ausmaß der Baustelle noch nicht absehbar gewesen, sagt Gisa Gaietto, die bei der Straßenverkehrsbehörde in der Abteilung Verkehrsregelung und -management zuständig ist für das Projektmanagement der integrierten Verkehrsleitzentrale.

Aufgrund der Baustelle verzögert sich die Fahrradstraße

Auch die Verzögerung der Fahrradstraße führt sie größtenteils auf die Bauarbeiten zurück. Ein zweiter Punkt ist aber auch, dass bisher noch zu viele Autofahrer auf der Tübinger Straße unterwegs sind. „Für die Auszeichnung als Fahrradstraße brauchen wir als überwiegende Verkehrsart Radfahrer. Das haben wir dort bisher nicht“, sagt Gaietto und fügt hinzu: „Aber wir sind nah dran.“ Die Fahrradstraße sei deshalb nur auf Eis gelegt, betont die Projektmanagerin. Auch hofft sie, dass durch die Unterbrechung der Tübinger Straße auf Höhe der Feinstraße mehr Autos aus der Straße herausgehalten werden können. So richtig überzeugt von dem Konzept klingt sie aber dennoch nicht. Die bisher einzige Fahrradstraße in Stuttgart ist in der Eberhard-, Markt- und Münzstraße in der Innenstadt. Das Ideal einer Fahrradstraße – nämlich dass dort nahezu keine Autos mehr unterwegs sind – sei dort noch nicht erreicht. „Das müssen wir weiterhin beobachten“, sagt Gaietto.

Die Bezirksbeirätin Christine Lehmann, die auch das Blog „Radfahren in Stuttgart“ betreibt, ist zwar etwas beunruhigt, dass es weiterhin keinen konkreten Termin für die Fahrradstraße gibt. Auch wenn es aus ihrer Sicht nachvollziehbar ist, dass die Planungen Zeit brauchen, ist sie ein wenig verärgert. „Seit Jahren arbeiten wir daran. Die Beschlüsse sind da, die Gelder auch.“ Zunächst ist sie aber mit der Lösung an der Feinstraße zufrieden. Und sie sei weiterhin voller Vertrauen, dass die Fahrradstraße kommt. „Ich rechne Ende des Jahres damit“, sagt die Grünen-Politikerin.

Zudem nehme der Fahrradverkehr exponentiell zu. Vor allem in den Sommermonaten rechnet Christine Lehmann mit einem weiteren Anstieg. „Wir haben jetzt schon einen Boom“, sagt sie. Aus ihrer Sicht kann die Stadt gar nicht anders, als darauf zu reagieren.

Radverkehr in der Landeshauptstadt

Untersuchung
Laut einer Studie des Umweltbundesamtes von 2014 wünschen sich 82 Prozent der Deutschen weniger Autoverkehr in den Städten und eine bessere Infrastruktur für Radfahrer. In einer Studie des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs (ADFC) zur Fahrradqualität in deutschen Städten landet Stuttgart 2014 auf Rang 28 (von 39) bei den Städten mit mehr als 200 000 Einwohnern.

Probleme
Die Studie zeigt auch deutlich die Schwächen Stuttgarts auf. So ist die Akzeptanz der Radfahrer weiterhin gering. Auch zügiges Radfahren ist in der Stadt kaum möglich. In der Gesamtwertung nach Schulnotensystem erreicht die Stadt eine 4.

Rechtslage
Auf Fahrradstraßen sind Radler bevorrechtigt, der Kfz-Verkehr muss sich unterordnen. Autos dürfen dort gar nicht oder nur langsam fahren. Als Höchstgeschwindigkeit gilt Tempo 30. Fahrradstraßen kommen dann in Betracht, wenn der Radverkehr bereits die vorherrschende Verkehrsart ist oder dies bald zu erwarten ist.

Kommentar: Ärgerlich

Radeln liegt im Trend. Umso mehr muss sich die Stadt für ideale Bedingungen einsetzen. -

Dank Mercedes und Porsche gilt Stuttgart gemeinhin als Autostadt. Radfahrer haben es nicht nur topografisch manchmal schwer in der Landeshauptstadt. Beim Fahrradklimatest in deutschen Städten 2014 des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs (ADFC) landete Stuttgart in der Bewertung unter den Städten mit mehr als 200 000 Einwohnern auf Rang 28 und damit im letzten Drittel. Als Verkehrsteilnehmer sind Radler in Stuttgart nach wie vor wenig akzeptiert.

Vor einem knappen Jahr beschlossen Bezirksbeirat und Gemeinderat, die Tübinger Straße als Fahrradstraße auszuweisen. Bis heute ist allerdings nichts passiert. Immer wieder verschiebt die Stadtverwaltung die Maßnahme. Besonders ärgerlich ist dies für Radfahrer auch, weil entlang der Tübinger Straße die Hauptradroute eins in Richtung Innenstadt verläuft. Eine Begründung der Stadt, dass eine Straße nur dann als Fahrradstraße ausgewiesen werden kann, wenn ohnehin schon mehr Radler als Autofahrer dort unterwegs sind, ist dabei auch etwas fragwürdig.

Rund 140 Fahrradstraßen gibt es in Deutschland, vor allem München, Kiel, Hannover und Berlin sind Vorreiter. In ganz Stuttgart existiert nur eine einzige. Gerade deshalb könnte sich die Stadtverwaltung an eben jenen als geeignet geprüften Straßen um eine zügige Umsetzung bemühen. Fahrradstraßen machen das Radfahren in Innenstädten attraktiver und rücken Radler als Verkehrsteilnehmer mehr in das Bewusstsein der Öffentlichkeit.