Das tschechische Isergebirge ist ein Dorado für Skilangläufer. Auf 800 bis 1100 Meter Höhe führen 180 Kilometer Loipen bis nach Polen hinein. Foto: Hippe

Im Winter ähnelt das tschechische Isergebirge einem Schwarz-Weiß-Gemälde. Als Langläufer fühlt man sich zurückversetzt in die fünfziger Jahre.

Bedrichov - Sssch, sssch, ssch . . . Gleichmäßig surren die Skier in der Loipe. Es ist das einzige Geräusch im Wald. Alles andere schluckt der Schnee. Er türmt sich auf den Bäumen, dass die Äste sich biegen. Selbst der Wind ist wie ein sanftes Kätzchen, das nur mal kurz auf einer Lichtung vorbeischnurrt. Der Himmel gähnt farblos über den Bäumen. Es gibt nichts, woran sich das Auge festhalten muss. Alles ist grau oder weiß - so als wäre über Nacht die Farbe aus der Landschaft gelaufen. Sssch, sssch, sssch . . . Zeit, die Gedanken zu sortieren und dabei den Alltagsballast an die nächste Fichte zu hängen.

Einige Tagträume später quillt Nebel aus den umliegenden Mooren hoch - und beflügelt die Fantasie: Wird an der nächsten Kurve womöglich Dr. Kittel mit wehendem Mantel aus dem Wald herausgeritten kommen? Der Bergdoktor behandelte im 18. Jahrhundert die Kranken mit Heilkräutern und zog dabei seine Rezepte aus Hexen- und Zauberbüchern, was ihm die Spitznamen „Zauberer von Schumburg“ und „Faust des Isergebirges“ einbrachte. Während das Riesengebirge in Tschechien mit Rübezahl und Skiabfahren lockt, steht das westlich benachbarte Isergebirge für Dr. Kittel und Skilanglauf. Auf 800 bis 1100 Meter Höhe führen 180 Kilometer Loipen hügelauf und -ab bis nach Polen hinein. Mal geht es in engen Spuren durch den Wald, dann wieder auf breiten Schneisen mit einem Mittelstreifen für Skatingfans.

Der 50-Kilometer-Skimarathon wurde 1968 begründet

Guter Ausgangspunkt für Skitouren ist das beschauliche Dorf Bedrichov (Friedrichswald). Dort gibt es einen Skilift und einen Krämerladen. Familienpensionen bieten einfache Unterkünfte an. Im Ort leuchten Fassaden in Knallgelb und Babyrosa, als wollten die Einwohner mit dem Anstrich ihrer Häuser dem Wintergrau trotzen. Doch mehr als die Häuser geben Menschen wie Jirí Groh dem Landstrich Farbe. Der gemütliche Typ mit Bürstenschnauzer und Handwerkerhänden ist Loipenmacher. Meist rattert er frühmorgens durch den Tiefschnee, damit er die Skiläufer nicht behindert.

„Toll ist es, wenn bei Neuschnee die Sonne über dem Kamm aufgeht. Das ist dann die Belohnung für andere Nächte voller Nebel“, sagt Jirí. Manchmal findet er leere Energie-Gel-Fläschchen in der Loipe, die vom letzten Isergebirgslauf stammen und von freiwilligen Helfern eingesammelt werden. Der 50-Kilometer-Skimarathon wurde 1968 von einer Gruppe einheimischer Bergsteiger begründet, die zum Skilaufen auf die Kämme des Isergebirges ausrückte. Als sie zwei Jahre später auf einer Expedition in Peru bei einem Erdbeben ums Leben kamen, veranstalteten Freunde den Skilauf als Gedenkmarathon. Im Laufe der Jahre ist er zu einer Sportveranstaltung für jedermann mit über 4000 Teilnehmern gewachsen. An diesem Tag flitzen nur ein paar Skater und ein Langläufer mit seinem Terrier auf der Überholspur vorbei.

Inzwischen schneit es, als wolle Petrus noch die letzten Flecken in der Landschaft weißeln. An einer Loipenkreuzung haben sich eine Handvoll Skiläufer vor einer Baude gesammelt. Solch ehemalige Schützhütten für Schafhirten werden heute als Kiosk oder Restaurant betrieben. Vor der Schieferdachhütte löffeln die Gäste dampfende Krautsuppe. Loipenmacher Jirí kommt oft in der Pause vorbei und trinkt einen Tee mit Zitrone, aufgebrüht mit Gewürzen nach dem Geheimrezept des Wirts Zdenek Müller. Drinnen zeigt Müller auf ein paar Holzskier aus dem vorigen Jahrhundert, die an den Deckenbalken hängen: „Die habe ich mal ausprobiert - gar nicht einfach. Damals musste man schon ein echter Könner sein.“

Einst konnte man von oben bis auf die Gipfel der Nachbarhügel schauen

Schon dreimal hat er am Isergebirgslauf teilgenommen. Oft schnappt er sich am Abend noch Skier und Stirnlampe und läuft nach der Arbeit eine Runde im Dunkeln. Ebenso wie die Bauden sind die vielen Aussichtstürme Markenzeichen der Region. Einst konnte man von oben bis auf die Gipfel der Nachbarhügel schauen. Eifrige Turmbesteiger verewigten die Anzahl ihrer Besuche in „Gipfelbüchern“, die in den Gaststätten auslagen. Der höchste Turm und das Wahrzeichen der Region ist der auf einem 1012 Meter hohen Berg stehende Jeschken. Bei den Einwohnern des Städtchens Liberec (Reichenberg) ist er so beliebt, dass Wohnungen umso teurer sind, je besser man den Jeschken vom Fenster aus sehen kann. Nach einer ausgedehnten Skitour in frischer Luft ist der Kopf wieder frei.

Ein Saunabad am Abend entspannt die müden Muskeln. Danach besänftigen Knödel und Schweinebraten den Magen, und mit Dr. Kittels Schlaftrunk geht es schnell ins Reich der Träume. Am nächsten Tag schneit es erneut. Eine trockene Alternative ist der Besuch der Spielzeugfabrik in Albrechtsdorf. Dort gibt Doris Šramlová dem Wald seine Farbe zurück. Die freundliche Tschechin bemalt Holzfiguren in der Werkstatt mit dem Türschild „Maulwurfgeburtsklinik“. Vor ihr auf dem Tisch steht Krtek, der berühmteste aller Maulwürfe, bekannt als Pauli aus der „Sendung mit der Maus“. „Man muss eine ruhige Hand haben“, sagt sie und tupft ihm einen roten Klecks auf die Nase.

Das traditionsreiche Unternehmen fertigt seit 1920 Holzspielzeug und erledigt dabei alle Arbeitsgänge von der Bearbeitung des Rundholzes bis zum Vertrieb selbst. Erst seit kurzem kann man die Produktion besichtigen. Hier leuchtet alles herrlich bunt. So bunt, dass man sich bald wieder nach draußen sehnt - in die erholsame schwarz-weiße Winterlandschaft.

Infos zu Tschechien

Anreise
Mit Germanwings ( www.germanwings.com ) ab Stuttgart nach Dresden. Ab München und Frankfurt z. B. mit Lufthansa ( www.lufthansa.com ). Ab Dresden geht es mit Zug oder Bus weiter nach Liberec. Fahrpläne (auch auf Deutsch) unter www.idos.cz . Mit dem Auto aus Süddeutschland über die A 6 und die D 5 über Pilsen und Prag nach Liberec.

Unterkunft
Günstige und sehr saubere Zimmer gibt es in der Pension Uko in Bedrichov. Obendrein verfügt das Haus über eine Bowlingbahn und eine Sauna. Doppelzimmer ab 15 Euro pro Person, www.restaurace-uko.cz .

Luxuriöser wohnt man im Vier-Sterne-Hotel Goldener Löwe (Grandhotel Zlatý Lev) in Liberec. Kaiser Franz Joseph I. von Österreich hat das Hotel 1906 eingeweiht und auch darin gewohnt, www.clariongrandhotelzlatylev.com .

Essen und Trinken
Im ehemaligen Jagdschloss Nová Louka - direkt an der Loipe gelegen - gibt es tschechische Spezialitäten wie Rauchfleisch mit Kartoffelknödeln und Kraut (Essen wie bei der Großmutter) für 3,20 Euro, www.samalova-chata.cz/de/ .

Das etwas teurere Restaurant Dodlana in Bedrichov hat eine hervorragende Küche. Sehr lecker ist der Alttschechische Rostbraten mit warmem Gemüse, www.usmutnych.cz.

Sehenswürdigkeiten und Ausflüge
In der Spielzeugfabrik Detoa erfährt man alles über die historische Herstellung von Holzspielzeug. Zu der Firma gehört ein angegliedertes kleines Museum, www.detoa.cz.

Allgemeine Informationen
Tschechische Zentrale für Tourismus (CzechTourism), Große Friedberger Straße 6, 60313 Frankfurt am Main, Tel. 069 / 21 99 85 87, www.czechtourism.com. Der Isergebirgslauf findet vom 10. bis 12. Januar 2014 statt. Anmeldungen im Internet unter: www.jiz50.cz/de.

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