Israels Premier Benjamin Netanjahu, hier beim Besuch im Weißen Haus im Februar, wird US-Präsident Trump sicher auf dessen Weitergabe von Geheimmaterial an die Russen ansprechen. Foto: AP

Die Weitergabe von Geheimdienstinformationen aus Israel an die Russen, gilt unter Experten als schwerer Fehler. Trump hilft so bei der Enttarnung sensibler Quellen. Und erschüttert das Vertrauen eines befreundeten Dienstes.

Stuttgart/Washington - Die Polizisten in ihrem schusssicheren Häuschen senkten und hoben die acht Stahlpoller im Halbstundentakt, die in zwei Reihen die Zufahrt zur H-Straße Nordwest in Washington blockieren: Senatoren und Kongressabgeordnete hasteten wie an kaum einem anderen Tag seit Jahresbeginn ins Weiße Haus. Zu groß war der Wunsch, Einzelheiten über die jüngste Verfehlung zu erfahren, die sich der wichtigste Bewohner des Anwesens hat zu Schulden kommen lassen.

Donald Trump, seit dem 20. Januar Staatsoberhaupt der Vereinigten Staaten, soll – so berichten es „Washington Post“ und „New York Times“ – bei einem Treffen mit dem russischen Außenminister Sergej Lawrow und dessen Botschafter in den USA, Sergej Kisljak, in der vergangene Woche Geheimnisse ausgeplaudert haben. Ein enger Berater Trumps schüttelt den Kopf: „Der Präsident hat einen kapitalen Fehler gemacht.“

Nicht einmal Informationen, die seine eignen Nachrichtendienste sammelten: Israels Geheime haben den „Islamischen Staat“ infiltriert und zu Tage gefördert, dass die Terroristen damit experimentieren, Laptops oder Tablets in Flugzeugen als Waffe einzusetzen. Das Trump’sche Geschwätz sei so mit Details gespickt gewesen, dass daraus auch Rückschlüsse auf Agenten, Quellen vor allem aber Methoden gezogen werden können.

Hochgeheime „Einheit 8200“

Zur Armee Israels zählt die hochgeheim operierende „Einheit 8200“, die als die beste Computerhackertruppe der Welt gilt. Diesen Nerds in Uniform ist es offenbar gelungen, sich in digitale Netzwerke des IS einzuloggen und die sensiblen Informationen zu stehlen. Das Diebesgut teilten die Israelis mit ihren US-Kollegen unter der Bedingung, diese mögen die Erkenntnisse für sich behalten. Eine Bitte unter Geheimdienstlern, die einem ehernen Gesetz gleichkommt.

Ein hochrangiger US-Regierungsbeamter reagiert schockiert, dass ausgerechnet sein Präsident höchstpersönlich die streng geheimen Informationen eines Partnerdienstes ausgeplaudert haben soll. Das könne potenziell Leben der Informanten, zumindest aber die Geheimdienstquellen gefährden, mindestens aber den Ruf der USA als verlässlicher Geheimdienstpartner untergraben, zeigt der US-Offizielle die Folgen auf. Ihn treibt vor allem eine Sorge um: „Die Russen können jetzt die Punkte, die wir ihnen geliefert haben, miteinander verbinden und die Quellen aufspüren“, sagte der frühere US-Geheimdienstmitarbeiter unserer Zeitung. Trumps Sicherheitsberater H.R. McMaster spielte die Qualität der vom Präsidenten an die Russen weitergegeben Informationen herunter. Russlands Präsident Wladimir Putin bietet süffisant an, dem US-Kongress und Senat eine Mitschrift des Gesprächs zwischen Trump und Lawrow zukommen zu lassen. Trump echauffiert sich über den Kurznachrichtendienst Twitter. Er habe als Präsident das „absolute Recht“, Informationen mit Russland zu teilen.

Formal ist das richtig. Die laxe Plauderei mit seinen russischen Freunden belastet jedoch zusätzlich das ohnehin gespannte Verhältnis Trumps zu seinen Nachrichtendiensten. Der hohe US-Beamte stöhnt: „All das schadet der Moral der Geheimdienstleute.“

„Geschwätziges Kind im Weißen Haus“

Der US-Finanzinvestor und stramme republikanische Trump-Unterstützer Guy Wyser-Pratte winkt hingegen ab: Das Ganze sei ein „Sturm im Wasserglas“, inszeniert von der Opposition: „Beamte aus der Zeit der Obama-Regierung machen Überstunden, um den Präsidenten zu untergraben“, meint Wyser-Pratte.

Doch mit dieser Einschätzung findet er im Herkunftsland der IS-Informationen, Israel, keine Verbündeten. Niemand bestätigt dort offiziell irgendetwas. Weder, dass die brisante Information überhaupt aus Jerusalem kommt noch, dass es der „Einheit 8200“ gelungen ist, den IS digital zu unterwandern. Hinter vorgehaltener Hand jedoch schwillt die Brust israelischer Sicherheitsexperten an: „Denen haben wir es gezeigt!“ Natürlich werde sein Land auch künftig mit den USA eine enge Beziehung in der Terrorabwehr verbinden, sagt Israels Botschafter in Washington, Ron Dermer.

Was das allerdings genau heißt, ist fraglich. „Geschwätziges Kind allein im Weißen Haus“ ist eine der diplomatischen Umschreibungen für Trumps gravierenden Fauxpas. Shabtai Shavit, früherer Chef des Mossad, Israels Geheimdienst, betont, Russlands Rolle in den vergangenen Jahren sei nur am Rande mit den israelischen Sicherheitsinteressen vereinbar gewesen. „Insofern ist – rein hypothetisch – jede nicht autorisierte Weitergabe von Information unserer Dienste an Dritte – und besonders an Russland – eine uns schädigende Plauderei“.

Die wird Trump rechtfertigen müssen, wenn er am kommenden Montag zum Staatsbesuch in Israel eintrifft.