Symbolbild: Ein Mann schiebt seinen Einkaufswagen durch einen Supermarkt in Moskau. Foto: dpa

Der ehemalige IT-Fachmann Oleg Sirota will den besten Käse Russlands herstellen - trotz der Sanktionen. Doch das Image des russischen Käses ist so schlecht, dass auch kaufkräftige Kunden einen großen Bogen um die Produkte einheimischer Käsereien machen.

Moskau - Oleg Sirota zieht genüsslich den würzigen Duft tief durch die Nase. Für ihn ist ein Traum wahr geworden - und doch ist er etwas enttäuscht. Er hätte seinen Käse gerne direkt am Manegenplatz, in Sichtweite zum Kreml verkauft. Dort aber haben die Fleisch- und Wurstproduzenten die Stände der Moskauer Herbstmesse belegt.

Nun stehen seine Stände etwas abseits, doch auch hier flanieren Passanten zwischen den Käselaiben. „Aus dem ganzen Land sind Bauern gekommen, um ihre Produkte zu verkaufen“, sagt Sirota und lacht ein sehr breites Lachen. Die vergangenen Wochen hat er alle Hebel in Bewegung gesetzt, um seine Kollegen zum Kommen zu motivieren. Stunden hing er am Telefon und hat auf seiner Facebookseite immer wieder wortreiche Aufrufe gepostet. Für Oleg Sirota war das eine patriotische Aufgabe.

Einfuhr von EU-Lebensmitteln verboten

Seit knapp zwei Jahren hat der runde Mann mit dem Vollbart sein Leben dem Kampf für den russischen Käse verschrieben. Davor leitete er ein mittelständisches IT-Unternehmen, doch dann kam die Krim-Krise und für Sirota die Chance, ein neues Leben zu beginnen. Vor zwei Jahren hat der russische Präsident Wladimir Putin die Einfuhr von EU-Lebensmitteln verboten und erst jüngst den Importstopp noch einmal bis Ende 2017 verlängert. „Eine gute Entscheidung“, wie Sirota unterstreicht. Dieses Einfuhrverbot ist die Antwort des Kremls auf die Sanktionen, die der Westen gegen Russland wegen der Ukraine-Krise und der Annexion der Krim verhängt hat.

Das war ein Schock für das ganze Land. Zwar konnte die fehlenden Äpfel aus Polen und das Fleisch aus Deutschland größtenteils mit Lieferungen unter anderem aus Weißrussland ausgeglichen werden, doch nicht alle Waren sind so einfach zu ersetzen. Vor allem für den begehrten Käse aus Italien, Holland oder Frankreich gibt es bisher kaum Ersatz. 2013 importierte Russland noch 440.000 Tonnen Käse, im vergangenen Jahre waren es nur noch knapp 200.000 Tonnen. Käse wurde innerhalb weniger Monate zur teuren Mangelware.

Versuche, Parmesan, Camembert, Gorgonzola und auch Mozzarella auf die Schnelle zu kopieren, schlugen jämmerlich fehl. Es fehlte an allem: dem Knowhow, den Maschinen und vor allem auch an qualitativ hochwertiger Milch. Die Milch russischer Kühe habe oft zu wenig Eiweiß oder schmecke komisch, weil die Tiere im Stall nur Silofutter bekämen, sagt Oleg Sirota. Oft geht es den Hersteller auch nur um den Gewinn und sie strecken den Käse mithilfe pflanzlicher Öle. Deshalb ist in den Supermarktregalen zwar ein vielfältiges Angebot von Käsesorten zu finden. Doch in den Verpackungen stecken oft gelbe Quader, die nach Plastik aussehen und auch so schmecken. In diesem Sommer machten sogar Horrornachrichten von mit Kalk und Sägespänen versetztem Käse die Runde.

Russischer Käse hat ein sehr schlechtes Image

Das Image des russischen Käses ist inzwischen so schlecht, dass auch kaufkräftige Kunden einen großen Bogen um die Produkte einheimischer Käsereien machen. Diesen Trend will Oleg Sirota mit dem Käsemarkt auf dem Manegeplatz in Moskau umkehren. Er will zeigen, dass auch russische Bauern guten Käse herstellen können. Dafür hat er eine eigene Facebook-Seite eingerichtet und machte wochenland Werbung für sein Projekt – bei den Käsereien und bei den Kunden. „Rund 30.000 Käse werden auf dem Markt ausgestellt und sicher auch verkauft werden“, sagt Sirota. Die Bauern sollen zeigen, dass sie in der Lage sind, Lebensmittel von hoher Qualität herzustellen, die sich nicht hinter der ausländischen Konkurrenz verstecken müssen.

Sirota selbst hat in diesem Sommer eine Käserei rund 60 Kilometer vor den Toren Moskaus aufgebaut. Weil er den Parmesan für die Krönung der Käsekunst hält, hat er seine kleine Molkerei „Russkij Parmesan“ genannt. Inzwischen habe sich die Schmackhaftigkeit seines Gorgonzola und der Mozzarella herumgesprochen und die Leute würden ihm die Tür einrennen und er komme mit der Produktion kaum noch hinterher.

Aber auch der umtriebige Sirota hat das Problem, gute Rohstoffe für seinen Käse zu bekommen. Aus diesem Grund hat er sich entschlossen, seine eigene Milch zu produzieren. Aus zehn Litern Milch könne man ein Kilo Käse machen, rechnet er vor. 100 Kühe will er sich anschaffen, Melkmaschinen und Traktoren. Dafür hat der Neu-Bauer extra einen sehr hohen Kredit aufgenommen. An ein Scheitern denkt Sirota gar nicht. Die Sanktionen Russlands gegen den Westen würden noch lange aufrecht erhalten, das spreche für den Erfolg des Projektes.