Mit einer Plakatkampagne wehren sich Bürger im US-Örtchen Cascade Locks in Oregon gegen die Privatisierung ihrer Trinkwasserquellen. Foto: AP

In den USA wächst der Widerstand von Bürgern, die kommunale Trinkwasserquellen nicht großen Konzernen überlassen wollen. Unternehmen wie Nestlé versuchen an vielen Orten Zugriff auf Grund- und Quellwasser zu bekommen.

Waitsburg - Die Emotionen kochten hoch, als das Thema bei einer Bürgerversammlung debattiert wurde. „Aus Waitsburg darf nicht Nestléburg werden“, schimpfte eine Frau. „Wir sind dabei, unseren Familienschmuck zu verkaufen“, empörte sich ein Mann. Andere Bürger unterstützten dagegen die Pläne des Lebensmittelgiganten Nestlé, in dem kleinen Städtchen im US-Bundesstaat Washington ein Abfüllwerk für Trinkwasser in Flaschen zu bauen und das Wasser dafür aus kommunalen Quellen zu schöpfen. Das werde 50 Arbeitsplätze schaffen, sagten sie – ein wichtiger Faktor, um mit mehr Steuereinnahmen wieder etwas mehr Leben in den verarmten Ort zu bringen. Doch am Ende schloss sich jetzt der Stadtrat von Waitsburg den Kritikern an und erteilte Nestlé eine Absage.

So wie in Waitsburg erging es dem Unternehmen mit Hauptsitz in der Schweiz einige Monate zuvor auch im Bundesstaat Oregon. Dort entschieden die Einwohner von Cascade Locks in einer Art Volksabstimmung, ihr Trinkwasser nicht einem multinationalen Großkonzern zu übergeben. In den USA wächst der zivile Widerstand gegen Unternehmen wie Nestlé, Coca-Cola und Pepsi, die sich ein Milliardengeschäft aus der kommerziellen Nutzung von wertvollen Wasservorkommen erhoffen.

Weltmarktführer Nestlé greift nach den Wasserressourcen in den USA

Statistiker haben errechnet, dass schon bald die Erlöse aus dem Verkauf von Flaschenwasser höher sein werden als der Umsatz, den diese Konzerne mit zuckerhaltigen Brausen machen. Das sorgt für Hektik und für viel Aufregung. Nestlé etwa, Weltmarktführer bei Flaschenwasser, versucht an vielen Orten in den USA, Genehmigungen für den Zugriff auf Grund- und Quellwasser zu bekommen. Ob die Regionen wasserreich oder wasserarm sind, scheint dabei keine Rolle zu spielen. Sogar in einem der trockensten Gebiete Nordamerikas, in Phoenix/Arizona, will der Konzern eine Abfüllanlage bauen. Das sei nachgerade ironisch, sagt Sandy Bahr, Direktorin der Umweltschutzgruppe Sierra Club in Arizona. Warum sollte ein Gut, dass die Verbraucher relativ günstig aus dem Wasserhahn erhielten, plötzlich für den Profit von Unternehmen herhalten.

Ähnlich sehen es viele Menschen in Kalifornien. Der Bundesstaat leidet seit fünf Jahren unter einer der schlimmsten Dürreperioden seit Jahrhunderten, es gibt staatliche Vorschriften, den Wasserverbrauch einzuschränken. Und dennoch zapfen Unternehmen weiterhin Trinkwasser aus Quellen ab, um es abzufüllen und zu verkaufen. So ist es auch in Michigan, wo in der Stadt Flint das Leitungswasser mit Blei vergiftet ist. Auch dort, so sagen Kritiker, sei es nicht nachvollziehbar, dass Nestlé in dem US-Bundesstaat weiterhin nicht belastetes Wasser absaugen und verkaufen dürfe.

Streit mit den Konzernen sorgt auch in der Innenpolitik für Irritationen

Zehntausende von Menschen in Flint sind seit Monaten auf Trinkwasser aus Flaschen angewiesen, das oft auch noch von den Flaschenwasser-Konzernen gespendet wird. Die harsche Kritik an ihrem Vorgehen kontern die Unternehmen mit dem Verweis, dass sie vergleichsweise wenig Wasser abzapften und das Wasser auch nicht verschwendeten. In Kalifornien, dem bevölkerungsreichsten Bundesstaat der USA, würden pro Jahr etwa 50 Milliarden Kubikmeter Wasser verbraucht. Nestlés Anteil daran liege bei gerade einmal 0,008 Prozent. An der schlimmen Dürre würde sich selbst dann nichts ändern, wenn Nestlé alle seine kalifornischen Abfüllanlagen schließen würde, so der Konzern. Allerdings wären in diesem Fall mehr als 7000 Arbeitsplätze in Gefahr.

In den USA tobt ein Kampf um das öffentliche Wasser, der Kommunen spaltet und auch in der Innenpolitik für Streit sorgt. Im kleinen Städtchen Waitsburg im Staat Washington musste der Bürgermeister zurücktreten, weil ihm vorgeworfen wurde, Geheimverhandlungen mit Nestlé geführt zu haben.

Und Michigans republikanischer Gouverneur Rick Snyder wurde zur Zielscheibe der Nestlé-Kritiker, als ein enger Mitarbeiter von ihm vorschlug, mit öffentlichen Geldern Wasser aus Nestlé-Abfüllung für die Menschen in Flint zu kaufen. Das Problem dabei: Die Ehefrau des Mitarbeiters war bei Nestlé beschäftigt.