Leitet das Museum für Moderne Kunst in Frankfurt und die nächste Triennale der Kleinplastik: Susanne Gaensheimer Foto: Renato Ribeiro Alves

Susanne Gaensheimer ist seit 2009 Direktorin des Museums für Moderne Kunst in Frankfurt, sie hat 2011 und 2013 den Deutschen Pavillon der Biennale Venedig kuratiert. An diesem Mittwoch stellt sie in Fellbach ihr Konzept für die 13. Internationale Triennale Kleinplastik 2016 vor – und sich und ihre Arbeit im Interview mit unserer Zeitung.

Fellbach -

Frau Gaensheimer, verglichen mit der Biennale Venedig ist die Triennale Fellbach ein eher kleines Projekt. Was hat Sie daran gereizt?
Ein Projekt ist ja nicht unbedingt deshalb interessant, weil es besonders groß ist – was ist überhaupt die Größe eines Projekts? Der Deutsche Pavillon in Venedig ist ja nicht groß, da ist Fellbach größer. Was mich an Fellbach gereizt hat, ist gerade die Konzentration auf ein bestimmtes Format und auch die räumliche Konzentration. Eine große Biennale zu machen – das ist eine ganz andere Art von Arbeit und ein ganz anderer Arbeitsumfang. Und eine ganz andere Herangehensweise. Jedes Format hat seine bestimmten Reize. Und im Moment, in der Situation, in der ich mich gerade befinde, bei den Themen, mit denen ich mich gerade befasse – da hat die Triennale Fellbach einfach gut gepasst.
Sie haben sich in Ihrer Arbeit bislang sehr stark mit der Kunst der Gegenwart beschäftigt. Welche Rolle spielt die Kleinplastik heute für Sie in der Kunst?
Das Besondere an der Gegenwartskunst ist heute eigentlich die mediale Entgrenzung. In den letzten Jahrzehnten ging es vor allem um die Frage nach den Übergängen zwischen der bildenden Kunst und anderen Medien – dem Film, der Performance, Grafikdesign, Architektur, Choreografie und so weiter. Diese Art zu arbeiten, bei der alles offen, alles möglich ist, habe ich in den letzten Jahren sehr stark ausgereizt. Aber in Zeiten wie den unsrigen finde ich auch in einer Konzentration auf das Konkrete, auf den kleinen Raum, den kleinen Anschauungsraum, wenn Sie so wollen, eine ganz besondere Qualität. Es hat mich gereizt, darüber nachzudenken und das auch zu zeigen. Grenzen möchte ich dabei keine ziehen, sondern den Ball aufnehmen und innerhalb dieses Formats arbeiten.
Die Triennale Fellbach wird sich einem Thema widmen, das Sie erst an diesem Mittwoch bekanntgeben. Inwiefern knüpfen Sie damit an Ihre bisherige Arbeit an?
Der Grund, weshalb ich mich für Fellbach entschied, war, dass mir ein bestimmtes Thema vor Augen schwebte. Ich hatte mich schon eine Weile mit einer bestimmten Idee beschäftigt und fand, dass das dort sehr gut passen würde, auch im Rahmen der formalen Definition. Zu diesem Thema habe ich noch nicht gearbeitet, überhaupt nicht, und es gibt auch keine Bezüge. Aber was es sehr wohl gibt, sind natürlich Beziehungen. Beziehungen zu bestimmten Künstlern und Künstlerinnen. Einige Künstler und Künstlerinnen werden bei der Triennale dabei sein, mit denen ich in der Vergangenheit schon gearbeitet habe – sei es hier im MMK, sei es im Rahmen anderer Projekte, über Texte, was auch immer.
Werden Sie als Kuratorin der Triennale Fellbach auf die Sammlung des MMK Frankfurt zurückgreifen?
Es gibt ein Werk aus unserer Sammlung, an das ich gedacht habe. Und es könnte durchaus sein, dass wir die eine oder andere Leihgabe aus unserer Sammlung dort mit präsentieren, mit aufnehmen werden, aber ganz punktuell. Zusammen mit dem inhaltlichen Konzept möchten wir im Sommer dann auch eine Künstlerliste veröffentlichen.
Wie sehen Sie, als Direktorin des Museums für Moderne Kunst in Frankfurt, die aktuelle Entwicklung des Kunstmarkts?
Die Dynamik des Kunstmarkts, die in den letzten zehn, zwanzig Jahren ja völlig übersteigerte Dimensionen angenommen hat, tangiert uns als öffentliches Museum nicht sehr, weil wir eigentlich gar nicht über den Markt erwerben. Wir erwerben gemeinsam mit den Künstlern und Galerien. Entscheidungen für Erwerbungen entstehen immer im Rahmen von Kooperationen, zum Beispiel Ausstellungen. Wenn ich auf dem normalen Markt einkaufen würde, dann könnte ich für mein Museum im Jahr vielleicht eine Arbeit erstehen.
Die Situation des Markts wirkt sich dabei aber doch auf die Arbeit der öffentlichen Museen aus . . .
Als öffentliche Häuser sind wir in einer sehr speziellen Situation: Die Mittel, die wir aus der öffentlichen Hand bekommen, werden immer geringer, gehen teilweise gegen null. In Frankfurt ist es zum Beispiel so, dass zwar das Haus und das Personal finanziert sind, aber wir haben keinen Ankaufsetat und einen geringen Programmetat. Bei der Dependance unseres Museums, die wir letzten Oktober eröffnet haben, handelt es sich zwar um eine Public-private-Partnership, die wir mit großer Unterstützung der Stadt Frankfurt hergestellt haben, aber finanziert wird das Ganze privatwirtschaftlich. Diese Situation hat sich in den letzten fünf bis zehn Jahren extrem zugespitzt, und unser Verhältnis zum Bereich des Sponsoring und der privaten Förderung verändert.
Welche Konsequenzen ziehen Sie daraus? Welche Möglichkeiten sehen Sie?
Wir müssen diese Situation jetzt genau analysieren und uns fragen, wie wir damit umgehen wollen. Hals über Kopf Urteile zu fällen, halte ich für falsch. Zu sagen, dass die stärkere Zusammenarbeit mit Sponsoren die Museen unfrei macht, ist insofern naiv, als dass man dabei gar nicht mitbedenkt, dass auch die Abhängigkeit von Städten oder von staatlichen Trägern unfrei macht. Wir sind ja ohnehin nicht komplett unabhängig. Wir müssen also mit privaten Fördermitteln arbeiten, weil wir sonst gar nichts mehr machen könnten. Es ist eine Situation, die man präzise analysieren sollte, bei der man sich auch einmal überlegen muss: Wie geht es eigentlich weiter, was sind die Perspektiven.
Als im Kunstmuseum Stuttgart im vergangenen Jahr in der Reihe „Private View“ über das Verhältnis zwischen Museen, Sammlern und dem Kunstmarkt diskutiert wurde, wurde die Rolle, die Museen heute bei der Bewertung von Kunst spielen, immer wieder infrage gestellt. Wird der Wert eines Kunstwerks heute von seinem Preis bestimmt?
Dem würde ich ganz und gar nicht zustimmen. Die Entstehung eines Werts – eines Marktwerts, aber auch eines ideellen Werts, einer Bedeutung, eines Bedeutungswerts – ist komplexer, da müssen viele Dinge zusammenkommen, und da reicht weder das eine noch das andere. Viele Bereiche müssen sich dabei verzahnen, eine Dynamik muss entstehen. Und letztendlich hängt es natürlich immer an der Kunst selbst. Ein solcher Sachverhalt würde ja auch implizieren, dass man Bedeutungen zuschreiben kann, unabhängig von der Qualität eines Werks. Und daran glaube ich überhaupt nicht. Man kann allerdings innerhalb des reinen Kunstmarkts durch eine bestimmte Dynamik schon Namen pushen – aber das sind dann meistens Luftblasen. Das hält sich dann auch nicht auf Dauer.
Worin sehen Sie die Rolle der Kunst in der Gegenwart?
In den Zusammenhängen, in denen ich in den letzten Jahrzehnten gearbeitet habe, hatte die Kunst immer einen sehr starken gesellschaftlichen Bezug. In meinen Augen – so betreiben wir das im MMK und so wird es auch in Fellbach sein – ist die Kunst ein Gegenüber, das die Themen unserer Zeit, die Konflikte, die Ambivalenzen, die Brüche, Fragestellungen einer Zeit aufgreift, und uns die Möglichkeit gibt, uns mit ihnen zu beschäftigen, zu reflektieren, nachzudenken, auf Ideen zu kommen, uns bewusst zu werden. Ich würde sagen, die Kunst hat eine elementare Aufgabe. Ich glaube, das Wichtigste, was dabei passieren kann, ist eine Art von Bewusstwerdung, Bewusstseinsschärfung.
Ein großes Thema dieser Zeit ist aber doch die mediale Entgrenzung, auch durch das Internet. Ihr möchten Sie nun, in Fellbach, den Rücken zukehren. Kann das Museum für Sie auch eine Oase sein, in der ein anderer Blick auf die Welt möglich wird?
Ich glaube nicht, dass man die ganze Welt, jedes Thema, alles, was uns betrifft, ausschließlich über das Medium des Internets diskutieren kann. Das spielt natürlich mit hinein, verändert die Kommunikationsformen, Vertriebsformen – aber alles erschöpft sich nicht darin. Wir hier im Museum können zum Beispiel feststellen, dass wir gerade – und obwohl wir eine enorme Zunahme an Publikum haben, das uns rein digital aufsucht – auch eine sehr starke Zunahme an Besuchern haben, die wirklich in die Ausstellungen gehen, weil sie sich das Kunstwerk im Original anschauen wollen, weil sie Führungen machen wollen, Gespräche mit Menschen führen wollen. Das Museum kann also tatsächlich ein Ort sein, an dem andere Formen der Kommunikation in Fortführung des Internets einen realen Raum bekommen.