Zentraler Freiluftspielort des Stuttgarter Trickfilmfestivals: der Schlossplatz. Auch 2014 strömten die Menschen zum Trickfilm-Festival dorthin - wir haben für Sie Eindrücke der diesjährigen Veranstaltung in unserer Bildergalerie gesammelt. Foto: itfs

Das Trickfilm-Festival Stuttgart verbindet seit Jahren die Präsentation wichtiger Animationsfilme mit neuen Aspekten der Medienkunst und zentralen Positionen tricktechnischer Innovationen. 2014 setzte das Festival Bestmarken in allen Bereichen – ein Versprechen für 2015.

Das Trickfilm-Festival Stuttgart verbindet seit Jahren die Präsentation wichtiger Animationsfilme mit neuen Aspekten der Medienkunst und zentralen Positionen tricktechnischer Innovationen. 2014 setzte das Festival Bestmarken in allen Bereichen – ein Versprechen für 2015.

Stuttgart - Nach Monaten und Tagen der Ungewissheit der Festival-Macher kam 2012 in der ersten Januar-Woche der erlösende Anruf. Wie unsere Zeitung exklusiv berichtete, gab Baden-Württembergs Finanzminister Nils Schmid (SPD), dessen Haus die Liegenschaften des Landes verantwortet, grünes Licht für den Schlossplatz als zentralen Freiluftspielort des 19. Internationalen Trickfilm-Festivals Stuttgart 2012. Zuvor musste man heftig zittern, ob das Festival, bis dahin eher Zaungast am Schlossplatz, die ganz große Bühne würde bespielen können.

Die Zahlen des vergangenen Sonntag zu Ende gegangenen 21. Internationalen Trickfilm-Festivals geben den Machern recht.

Der Schlossplatz war jeden Abend voll, geschätzt 8000 Besucher – „und trotzdem hatten wir in den Kinos nicht weniger als im Rekordjahr 2013“, sagt Dittmar Lumpp, kaufmännischer Geschäftsführer des Trickfilm-Festivals. Rund 85 000 Besucher sind gekommen, 5000 mehr als im Vorjahr. „Wir wollen die Wertigkeit des Festivals aber nicht über Zahlen definieren“, so Lumpp weiter, „sondern darüber, was es dem Publikum gibt.“

In den vergangenen Festival-Wochen war dies besonders spürbar. Auf dem Schlossplatz, dort, wo oft genug „öffentliche“ Veranstaltungen hinter Wällen von Dixie-Häuschen und Genusszelten verschwinden, präsentierte sich das Trickfilm-Festival in wohltuender Offenheit. Und mit viel Mut. Wer würde schon zur besten Zeit am Samstagabend den israelischen Antikriegsfilm „Waltz With Bashir“ auf der Großleinwand erwarten? Die Festival-Macher um den Programmverantwortlichen Ulrich Wegenast und Dittmar Lumpp haben es gewagt – und gewonnen.

Animationsfilm? Spielfilm? Die Grenzen sind fließend geworden. Und das Trickfilmfest Stuttgart 2014 hat in dieser Debatte weitere dicke Ausrufezeichen gesetzt – im Programm ebenso wie vor allem auch mit den Arbeitsrunden der zum internationalen Branchentreff avancierten Fachmesse FMX.

Mit alldem hat das Trickfilmfest 2014 eine Haltung geprägt, die auch weiter ausgreifende kulturpolitische Bedeutung hat. Mehr Kultur im öffentlichen Raum hatten Finanzminister Schmid und Kunststaatssekretär Jürgen Walter (Grüne) 2011 angekündigt. Damit könnte aus einer „verpassten Chance“, als die Stuttgarts vormalige Kunstmuseumsdirektorin Marion Ackermann einmal den Umgang von Stadt und Land mit der Initiative Kulturquartier unserer Zeitung skizzierte, doch noch ein Zukunftsmodell werden.

Um was ging und geht es dabei? Ein Kunstmuseum hat die Stadt Stuttgart 2005 eröffnet, kaum 500 Meter Luftlinie von der Staatsgalerie Stuttgart entfernt. Das Landesmuseum Württemberg im Alten Schloss, das Institut für Auslandsbeziehungen, die Bolzstraße als Stuttgarts wichtigste Kinostraße (mit den Mertz-Kinos als Stütze nicht nur des Trickfilm-Festes), das Kunstgebäude mit dem Württembergischen Kunstverein Stuttgart – alles nur wenige Gehminuten entfernt.

Umgekehrt wird gar ein Geviert daraus, mit dem Kunstgebäude am Schlossplatz als geografischer Mitte – mit den Staatstheaterspielstätten und dem weithin einmaligen Stirling/Wilford-Ensemble (Staatsgalerie, Musikhochschule, Kammertheater, Haus der Geschichte) sowie Landesbibliothek und Stadtbibliothek als bescheiden auftretende Kraftprotze im unmittelbaren wie im weiteren Gegenüber.

„Durch die Realität der Nachkriegsordnung“, sagte OB Schuster im Herbst 2007 unserer Zeitung, „haben wir ganz vergessen, wie organisch sich bis 1945 die Umgebung in die Innenstadt hinein entwickelt hat.“ Die Konsequenz: „Es reicht nicht, in Baumreihen zu denken.“ Denn: „Wir haben es hier mit einem Quartier zu tun, das von der Staatsgalerie bis zum Institut für Auslandsbeziehungen, vom Alten Schloss bis zum Kunstmuseum und dem Kunstgebäude mit hochrangigen Kultureinrichtungen dicht besetzt ist und sich entsprechend als Kulturquartier fassen lässt.“

„Ich bin eine Verfechterin des Begriffs Kulturquartier, und dieses Thema sollte wirklich grundlegend angegangen werden“, sagte Marion Ackermann, heute in Düsseldorf Direktorin der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, 2008. Darin kann man ihr auch heute nur zustimmen. Mutlos bleiben Stuttgarts Rollenspiele nur zu oft – von der anhaltend verschütteten „Stadt am Fluss“ bis eben hin zum Thema Kulturquartier.

Mag man aber der Kunst wirkliche Stadtentwicklungskraft zumessen? Mindestens zwei Beispiele machen Hoffnung: So verwandelte Otto Herbert Hajek 1979 anlässlich des IX. Internationalen Künstlerkongresses den Stuttgarter Schlossplatz in eine begehbare Skulptur. Noch weiter ging das 1992 von Rudi Fuchs und Veit Görner für die Kulturregion realisierte Skulpturenprojekt „Platzverführung“. Künstlerische Eingriffe, die gerade im Verzicht statt in der Hinzufügung lagen, führten zu einer Neubestimmung von bis dahin kaum als solchen erkennbaren Plätzen in Stuttgart selbst wie auch in Städten und Gemeinden der Region.

Das Trickfilmfest 2014 hat in seiner Haltung und seiner Offenheit deutlich gemacht, was möglich ist, wie Stadt gelebt werden kann. Dies weckt schon jetzt die Vorfreude auf das Festival 2015 – mit einem Spielortband durch die Innenstadt und der Bühne Schlossplatz als Sinnbild eines neuen Stuttgart.