Fantastische Welt mit Aufbauhilfe aus Deutschland: „Zoomania“. Foto: Disney

1992 begann er als Hintergrund-Designer für „Der kleene Punker“, mittlerweile ist Matthias Lechner im Animations-Olymp angekommen: Als künstlerischer Leiter hat er vier Jahre lang die Spielorte für „Zoomania“ entworfen, das neue Trickabenteuer aus den kalifornischen Disney-Studios.

Stuttgart - Klug thematisiert „Zoomania“ die Mechanismen sozialer Vorurteile, verlagert in eine Zivilisation hoch entwickelter Säugetiere, in der die Polizistin Judy Hopps, eine Häsin, und der schlitzohrige Fuchs Nick ein Verbrechen aufzuklären versuchen.

Doch nicht nur die Handlung des jüngsten Films aus dem Hause Disney ist bemerkenswert, er setzt auch Maßstäbe in Sachen Animation: Die titelgebende Hauptstadt des Tierreichs ist eine vor Detailreichtum überbordende Welt, ein urbanes Potpourri aus New York, Madrid und anderen Großstädten. Sie ist aufgeteilt in drei Klimazonen, um allen Tieren eine artgerechte Umgebung zu bieten, von gemäßigt über die polare „Tundratown“ bis hin zum tropischen Dschungel-Distrikt.

Er habe absichtlich so viele Details eingebaut, sagt Matthias Lechner, wegen seiner zehnjährigen Tochter, „die liebt Wimmelbücher. Und für einen Designer war es natürlich fantastisch, dass in dem Film so viel Abwechslung ist.“ Lechner hat als künstlerischer Leiter für Disney diese Welt kreiert, vier Jahre dauerte die Arbeit an dem Film. „Zuerst habe ich das von Vancouver aus gemacht, als es dann aber vor eineinhalb Jahren in die heiße Phase ging, bin ich mit meiner Familie nach Los Angeles hergezogen.“ Einen „Animationsnomaden“ nennt sich Lechner selbst; geboren wurde er 1970 in Mannheim, aufgewachsen ist er in Schwäbisch Hall.

Aus dem Hohenlohischen zu Disney

Wie kommt man aus dem Hohenlohischen zu Disney? „Ich war als Kind schon Disney-Fan, als ich ‚Das Dschungelbuch‘ gesehen hatte“, sagt Lechner, und er habe auch schon früh Animation machen wollen, aber nie zu träumen gewagt, einmal bei Disney zu landen. Nach dem Zivildienst ging er 1990 zunächst nach Hamburg und wurde Praktikant bei der Zeichentrickproduktionsfirma TFC Trickompany, die gerade die Comicverfilmung „Werner – Beinhart!“ fürs Kino gemacht hatte – „das war damals das einzige Projekt dieser Art in Deutschland, von dem ich wusste“.

Über Kanada zu Disney

Lechner blieb lange bei TFC und arbeitete sich hoch, vom Hintergrund-Designer bei „Der kleene Punker“ (1992) bis zum Art Director bei „Werner – Gekotzt wird später“ (2003). Zwischendurch studierte er in Dublin Klassische Animation und pendelte zwischen Hamburg, Seoul, Kopenhagen und den kanadischen Städten Toronto, Montreal und Vancouver. „Meine Frau ist Kanadierin“, sagt er, „wir haben in Hamburg geheiratet und sind dann vor zwölf Jahren nach Kanada gezogen.“

Bei der Arbeit an kanadischen Produktionen lernte er einen ehemaligen Disney-Hintergrundmaler kennen, der ihn mit einem Produktionsdesigner der Disney-Studios in Los Angeles in Kontakt brachte. Die Planungen für „Zoomania“ hatten gerade begonnen, und „mein Portfolio hat ihm gefallen“, sagt Lechner. Nach anfangs immer wieder verlängerten Verträgen als freier Mitarbeiter wurde ihm schließlich die Stelle als „Art Director Environment“ angeboten.

Storys wachsen organisch

Wie entsteht eine so komplexen Animationswelt? „In der ersten Phase haben Regisseur und Drehbuchautor alle zwei Wochen angerufen und eine neue Idee geliefert, worauf ich zwei Wochen gezeichnet und meine Ideen zurückgeschickt habe. Einige meiner Einfälle sind ins Buch eingegangen“, erzählt Lechner. Vieles, etwa die verschiedenen Klimazonen, sei erst im Arbeitsprozess entstanden: „Disney arbeitet sehr organisch, was die Story angeht. Es ist nicht so, dass es ein Drehbuch gibt, und dann wird der Film gemacht – das Drehbuch stand nicht, bis der Film fast fertig war“, sagt Lechner.

Jede Klimazone habe ihre eigenen Herausforderungen gehabt, aber das Hauptproblem sei die schiere Masse an unterschiedlichen Landschaften, Pflanzen und Gebäuden gewesen, die es zu entwerfen galt: „Für mich als Designer waren es quasi vier bis fünf Filme in einem.“ Insgesamt sorgten bei „Zoomania“ rund 300 Menschen für die Animation.

Lechner war nur für die Umgebung verantwortlich, die Tierfiguren wurden erst später eingefügt. Es sei daher immer „das Schönste“ gewesen, wenn neue fertige Szenen aus der Animation gekommen seien, „weil die Tiere allein schon durch die Art, wie sie laufen, unglaublich lustig sind“. Fantastisch sei für ihn auch gewesen, den Film zum ersten Mal in stereoskopischem 3-D zu sehen: „Ich habe die Dinge ja nur flach gezeichnet und gebaut“, sagt er.

Kämpfen um die Seele

Was in einer extrem digitalisierten Branche erstaunt: Lechner zeichnet Entwürfe immer zuerst von Hand auf Papier – „dieser Prozess ist für mich Teil der Arbeit, in dem ich einem tranceartigen Zustand am Nächsten komme, in den auch improvisierende Musiker gelangen können. Ich habe Glück gehabt, dass ich in der kleinen Nische gelandet bin, wo man das noch darf.“ Er sei mit 2-D-Folienanimation groß geworden, sagt Lechner. Der Schritt zur 3-D-Animation aus dem Computer sei ihm anfangs schwergefallen, zumal man da immer darum kämpfen müsse, „dass es der Computer nicht seelenlos macht“.

Bei „Zoomania“ ist das definitiv nicht der Fall. Lechner glaubt gar, der Film erreiche ein neues Niveau an Zeitlosigkeit: „Wenn ich mir heute alte Filme aus dem Hause Pixar anschaue, so gut sie auch sind – technisch sind sie ein bisschen gealtert.“

Nun ist in der Phase der Filmpromotion der aktuelle Film natürlich immer der beste. Doch welche Filme, an denen er mitwirkte, waren für Lechner sonst noch besonders wichtig? „Kleiner Dodo“ von 2008, eine Adaption von Hans de Beers Kinderbüchern, habe ihm sehr gefallen, „auch, weil ich Geige spiele und da ein bisschen die Musik machen konnte“. Etwas Besonderes sei natürlich auch „Der kleene Punker“, „weil das mein erster Film war“. Doch „Zoomania“ werde wohl der Lieblingsfilm seiner Karriere bleiben, sagt Lechner: „Selbst wenn ich noch andere Disney-Filme mache, das war der erste.“ Lachend fügt er an: „Von nun an geht’s bergab.“