Fast 3000 Menschen gefällt die Facebookseite Spotted: Uni Stuttgart – Datenschützer sind weniger begeistert. Foto: Screenshot

Früher hängte man einen Zettel ans schwarze Brett, heute sucht man den Angebeteten im Internet: Spotted-Seiten boomen. Datenschützer fürchten allerdings, dass die Grenzen zwischen Privatem und Öffentlichem aufgeweicht werden könnten.

Stuttgart - Bereits Johann Wolfgang von Goethe wusste es: „Das eigentliche Studium der Menschheit ist der Mensch.“ Insofern war es wohl schon immer so, dass die spannendsten Studienobjekte, welche die Universität zu bieten hat, die Mitstudenten des anderen Geschlechts sind.

Neu ist aber, dass man dies brühwarm im Internet nachlesen kann: „Gesichtet: junge lockige Studentin mit Baskenmützen und High-Heels vor dem K1. Sie scheint wohl direkt aus Paris zu kommen – was gäbe ich darum, ihre wohlgeformten Lippen mal genau unter die Lupe nehmen zu können!“

Mit etwas Glück wird der junge Student seine Forschungen tatsächlich betreiben können – denn sein Textlein hat er auf der Internetseite Spotted: Uni Stuttgart bei Facebook eingestellt. Und zwar in der Absicht, die Person, die er im wirklichen Leben entdeckt (Englisch: spotted ) hatte, aber sich nicht anzusprechen traute, mit Hilfe des Internets wiederzufinden.

Seine Chancen stehen nicht schlecht: Fast 3000 Fans hat die Seite Spotted: Uni Stuttgart mittlerweile, obwohl sie erst am 9. Januar an den Start ging. Und sie hat gleich auch noch kleine Schwestern bekommen: Spotted: Uni Hohenheim, Spotted: Stuttgart Nightlife, Spotted: VVS, Spotted: Max Kade Wohnheim Stuttgart, Spotted: Landesbibliothek Stuttgart, Spotted: Stuttgart „nullsiebenelf“ und Spotted: 7 Grad Stuttgart sind im Januar nacheinander aus dem virtuellen Boden geschossen. Dieser neue Trend ist aus England zu uns herübergeschwappt, in allen anderen großen deutschen Städten gibt es inzwischen Spotted-Seiten.

Jeder ist erkennbar

In Stuttgart sind die Uni-Seiten die am häufigsten besuchten. Und da probieren bekanntermaßen über studieren geht, versuchen jede Menge Studenten ihr Glück – und folgen dem Rat der Spotted-Macher, fünf Studienkollegen der Uni Heidelberg: „Wenn es jemanden in der Bibliothek, der Mensa, im Seminar oder im Vorlesungssaal gibt, von dem du einfach nicht deine Augen lassen kannst, schreibe uns eine Nachricht, und wir posten deinen Kommentar ganz anonym.“

Ganz anonym, das klingt gut. Allerdings gilt dies nur für den Suchenden. Jeder, der sich angesprochen fühlt oder sich auf die Suchanfrage meldet, ist erkennbar – und zwar nicht nur für Facebook-Mitglieder. Gut, es ist freilich die Entscheidung jedes Einzelnen, ob er öffentlich offenbart oder nicht. Allerdings gibt es teilweise auch – gut gemeinte oder gehässige – Outings durch Dritte: „Den kenn ich, das ist der . . .“, ist dann etwa in einem Kommentar zu lesen – und schwupps ist man der Internet-Gemeinschaft und dem Suchenden ausgeliefert.

„Genau das ist ein Fall, bei dem die Grenzen zwischen Privatem und Öffentlichem zerfließen: Wenn jemand unwissentlich ans Licht der Öffentlichkeit gezehrt werden kann“, sagt der Landesbeauftragte für den Datenschutz Baden-Württemberg Jörg Klingbeil. Solange die Betreiber private Personen und keine Unternehmen oder eine Behörde sind, könne der Datenschutz aber nicht eingreifen. „Das ist aber auch alles so neu, dass das geltende Datenschutzgesetz zu antiquiert ist, um Antworten geben zu können“, sagt Klingbeil. Dennoch: „Ich sehe die ‚Spotted’-Seiten zwar als vergleichsweise harmlos an, aber nicht als unbedenklich.“ Sie lösten ein Unwohlsein bei ihm aus, auch wenn er den Studenten den Spaß durchaus gönnt. Denn schließlich: „Früher hat man einen Zettel ans schwarze Brett geheftet.“

„Wir möchten alle gemeinsam die größte Flirt-Plattform für Studenten aufbauen“

Den Betreibern ist das Problem, das mit ihren Internetseiten einhergeht, bekannt. Sie haben bereits reagiert und die Internetplattform bibflirt.de gegründet. Auf dieser Internetseite wollen sie die größten „Spotted“-Seiten vereinigen. „Wir möchten alle gemeinsam die größte Flirt-Plattform für Studenten aufbauen“, sagt einer der fünf Betreiber, der Student Nik Myftari. Der Vorteil: Die gesuchte Person kann auf den Button „Volltreffer, das bin ich“ klicken – und bleibt, wie der Suchende – anonym. Auf „Spotted-Seiten“ haben Menschen, die sich in einem Eintrag als die gesuchte Person wiedererkennen, das Recht, diesen von den Betreibern löschen zu lassen.

Doch manch ein Student mag sich auch freuen, wenn er sich wiedererkennt – falls er weiß oder wenigstens vermutet, wer ihn sucht. Andernfalls dürfte der folgende Eintrag wenig erfolgsversprechend sein: „Er: Die eine in der Caféte unter der Mensa mit dem roten Mantel: Man sieht sich jeden Tag – wäre schön, wenn du mal winken würdest, wenn du das hier sehen solltest“. Denn weiß die Angebetete, wem sie winken soll?

Die eigentliche Frage, die sich stellt, ist jedoch die, warum die Studenten den Umweg über das Internet brauchen, um den Kontakt zu suchen. Eine Studentin beschreibt ihr Problem in ihrer Suchanzeige: „Sie: Du hast grüne Augen, einen Dreitagebart und dunkle Haare. Du bist um die 1,70 Meter groß und hast ein wunderschönes Lächeln. Du bist leider nie alleine zu finden. Immer begleitet von deiner Jungengruppe. Deshalb fällt es mir so schwer dich anzusprechen.“ Nik Myftari, der seine Freundin in der Bibliothek kennengelernt hat, führt den Erfolg der Seiten darauf zurück, dass es „alle Studenten lieben, in der Uni zu flirten, nur leider verpasst man oft den richtigen Moment, den Schwarm anzusprechen“. Zudem sei das Reden in der Bibliothek und in Vorlesungen oft nicht möglich – und, wenn es ganz schlimm kommt, könne das Lernen auch stressig werden, sodass das Flirten vergessen würde.

Das finden einige Studenten auch besser so – und die tummeln sich dann auf der Internetseite Verspottet: Uni Stuttgart. „Hier Liebe, da Liebe, was soll der ganze Müll? Hier kannst du dich mal darüber auslassen was dich an der Uni richtig ankotzt und deine lustigsten Erlebnisse teilen“, so die Betreiber. Und worüber geht es da? Etwa über das, was das Herz wirklich bewegt: Essen. „Was fällt einem beim Blick in den Mensaplan für diese Woche auf? Am Mittwoch Kässpätzle für die Premium-Line-Studenten und am Donnerstag auch für die Normalen. Na, Currywurst ist ‚eh viel besser.“ Essen und Liebe gehen eben durch den Magen.

www.facebook.de/spottetunistuttgart