Der Eingangsbereich der VHS im Treffpunkt Rotebuehl: Drogenkonsumenten missbrauchen vor allem im Winter die öffentlichen Toilettenanlagen Foto: Leif Piechowski

Bald steht der Winter vor der Tür, dann rechnet man im Treffpunkt Rotebühlplatz nicht nur mit vielen Bildungshungrigen, sondern auch mit mehr ungebetenen Besuchern – und mit Drogenspritzen auf den Toiletten und Störungen durch Obdachlose. Das Kulturzentrum kämpft jetzt dagegen an.

Bald steht der Winter vor der Tür, dann rechnet man im Treffpunkt Rotebühlplatz nicht nur mit vielen Bildungshungrigen, sondern auch mit mehr ungebetenen Besuchern – und mit Drogenspritzen auf den Toiletten und Störungen durch Obdachlose. Das Kulturzentrum kämpft jetzt dagegen an.

Stuttgart - Der Beirat für den Treffpunkt Rotebühlplatz hat sich nach Informationen unserer Zeitung vor wenigen Tagen vorgenommen, Maßnahmen gegen Drogenkonsum sowie Störungen durch Obdachlose in dem Kulturzentrum zu ergreifen. Besonders die städtische Musikschule befürchtet massive Probleme in der Winterzeit. Aber auch bei der Volkshochschule (VHS) sieht man Handlungsbedarf.

Die letzten Winter waren eine Warnung, sogar der Winter 2013/2014, obwohl die Witterung da ziemlich mild war und die Mitglieder der Drogen- und Obdachlosenszenen von der Kälte nicht so sehr in den Treffpunkt getrieben wurden wie in früheren Jahren. „Laufend fanden wir auf den Toiletten Spritzen, die in der Kloschüssel schwammen“, sagt Gudrun Hähnel, Leiterin der VHS an diesem Standort. Und Friedrich-Koh Dolge, Chef der Musikschule, berichtet von Drogenkonsum in den Toiletten, Blutspritzern auf den Toilettenböden und Spritzenfunden auch im Außenbereich. Sogar von Drogenprostitution ist die Rede und von sexistischer Anmache von Musikschülerin durch Obdachlose. Für die Musikschule sei das schwierig, sagt Dolge, denn schließlich arbeite man viel mit Kindern und Jugendlichen.

Schon in den 1990er Jahren gab es im Treffpunkt gravierende Vorfälle. Die Szene habe sich dank enormer Polizeipräsenz dann verlagert, ließ Dolge sich erzählen. Doch in den letzten Jahren hätten sich die Vorfälle wieder gehäuft. „Wir müssen Gegenmaßnahmen ergreifen“, meint er. Die Sache kommt jetzt auch in Gang.

Man sei mit den Nutzern im Gespräch und werde mögliche Varianten von Maßnahmen auflisten und die Kosten ermitteln, sagt Javier Bellviure, zuständiger Abteilungsleiter im Schulverwaltungsamt, das dieses Gebäude verwaltet, obwohl es für das Amt ein Exot ist und kein typischer Betreuungsfall. In Kürze soll auf den Toiletten bläuliches Kunstlicht installiert werden – und zusammen mit der Verdunkelung der Fenster bewirken, dass Drogenabhängige die bläuliche Vene nicht sehen, in die sie sich die Droge injizieren wollen. Fenster auf Toiletten könne man kippen und so Tageslicht hereinlassen, gibt Bellviure zu bedenken. Doch einen Versuch ist es wert. Eigentlich sollte auf den Toiletten schon längst blaues Licht scheinen. Leider habe sich das verzögert, so Bellviure.

Auch die Neuausschreibung der Sicherheitsdienstleistungen mit erweitertem Umfang sehe man vor. Man überlegt, in den Außenbereich – vor allem zwischen Treffpunkt und ehemaliger Rotebühlkaserne – eine Außenpatrouille zu entsenden und auch innen mehr Personal einzusetzen. Das könnte aber noch etwas länger dauern.

Manches wurde aber schon eingeleitet: Der momentan tätige Wachdienst soll eigene feste Mitarbeiter einsetzen, die nicht mehr zivil auftreten, sondern in Dienstkleidung. Weitere Maßnahmen würden höhere Kosten produzieren, sagt Bellviure. Bereits jetzt liege der Aufwand im sechsstelligen Bereich.

Zu klären ist nach Meinung des Abteilungsleiters auch auf politischer Ebene, wie weit es einen Kurswechsel geben soll. Bisher werde der Treffpunkt bewusst als offenes Haus geführt. Künftig würde der Wachdienst unter Umständen offensiver auf die Besucher zugehen. Wer auf der Toilette länger verweile, müsse aber nicht unbedingt Drogenkonsument sein. Und auch von der Kleidung könne man nicht immer darauf schließen, dass jemand Obdachloser sei. Davon abgesehen müsse eine Großstadt ein Stück weit mit solchen Szenen leben.

Das sieht auch Ulrich Binder von der Drogenhilfe Release so. Die Brennpunkte und die Anzahl der Klienten seien nicht massiver und zahlreicher als in den vergangenen Jahren, meint er. In einem Bereich im Stuttgarter Westen zwischen Paulinenbrücke, S-Bahn-Haltestelle Schwabstraße, Kriegsbergstraße und Rotebühlpassage seien die Drogenabhängigen besonders sichtbar, was ein Stück weit mit den Standorten der Schwerpunkt-Arztpraxen zu tun hat.

Im Kulturzentrum befürchtet man, dass sich die Szene unter der Paulinenbrücke nach der Eröffnung des Einkaufszentrums Gerber in den Treffpunkt verlagern könnte. Binders Kollegin Sabrina Peignard entdeckt dafür aber bisher keine Anzeichen. Das Gerber sei aber auch gerade mal eine Woche offen. Unter der Paulinenbrücke versammeln sich nach Schätzung der Streetworkerin tagsüber manchmal 25 bis 30 Personen. In der Rotebühlpassage, direkt beim Kulturzentrum, sehe man abends um die 20 Personen. Aufenthaltsmöglichkeiten gibt es für Drogenklienten eigentlich genügend, meint Binder. Zuletzt sei im August bei der neuen Diamorphin-Praxis in der Kriegsbergstraße ein offener Café-Bereich hinzugekommen. Der werde schon gut besucht und im Winter wohl noch wichtiger. Aber manche Drogenklienten wollten nicht pausenlos von Sozialarbeitern umsorgt sein.

Sowohl in der Suchthilfe wie auch in der Wohnungsnotfallhilfe gebe es genügend Anlaufstellen, heißt es auch im Sozialamt.