Ungewohntes Bild vor dem Landwirtschaftsministerium:200 Traktoren parken an der Kernerstraße. Davor legten sie und 800 weitere den Cityring lahm. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Das bekommen Großstädter nicht alle Tage zu sehen: Um die 2000 Landwirte aus der Region legen mit rund 1000 Traktoren zeitweise den Verkehr in Stuttgarts Innenstadt lahm.

Stuttgart - Trommeln aus Milchfässer und Hupen von Traktoren, dazu eine jubelnde Menge – vornehmlich junge Leute –, die von der Brücke an der Wullestaffel über der B 14 die Traktorfahrer laut unterstützen. Wer am Dienstag zwischen 10 und 14.30 Uhr durch die Stuttgarter Innenstadt musste, dem bot sich ein Bild, das Großstädter nicht kennen: Rund 1000 Traktoren verursachten bei einer Rundfahrt von mehreren Startpunkten außerhalb der Innenstadt ein regelrechtes Chaos. Dazu aufgerufen hat die Initiative „Land schafft Verbindung“, die mit ein paar Hundert Teilnehmer rechneten. Gekommen sind laut Veranstalter etwa 2000. Sie protestieren gegen das Agrarpaket der Bundesregierung, eine Verschärfung der Düngeverordnung, Handelsabkommen mit südamerikanischen Staaten und wehren sich, der Buhmann der Politik, Nichtregierungsorganisationen (NGOs) und in der Bevölkerung zu sein.

Landwirte haben Zukunftsängste

Auffällig viele junge Landwirte waren darunter – die ihre Zukunftsängste und ihren Unmut nicht länger zurückhalten wollen. So beispielsweise Steffen Münz, der seit vier Jahren im Familienbetrieb seiner Eltern im Donau-Kreis arbeitet. Der 28-Jährige sagt, dass sein Frust mittlerweile groß sei: „Gefühlt werden wir Landwirte für alles verantwortlich gemacht.“ Sei es das Insektensterben oder die Grundwasserverschmutzung durch Nitrat. Dabei brauche es auch die Unterstützung der Politik, beispielsweise durch bessere Abwasserreinigungen. Münz’ Betrieb lebt neben dem Ackerbau auch von Rindermast. „Es kann nicht so weitergehen, dass argentinisches Rindfleisch zollfrei in die EU exportiert werden darf, die dann durch ihre Billigpreise unseren Markt kaputt machen“, so der junge Landwirt. Münz fordert, dass die Politik dort einschreite und die Arbeit deutscher Betriebe mehr Schutz und Anerkennung bekomme. Es gebe eine große Unsicherheit, langfristige Investitionen zu tätigen – das schade allen Beteiligten und müsse endlich aufhören. Als studierter Landwirt könne er auch woanders einen Job finden. Aber: „Darum geht es doch nicht – das ist eine Berufung, der ich nachkommen möchte“, sagte Münz. Und schließlich sorge die Landwirtschaft dafür, dass die Menschen ernährt werden.

So sehen das auch die Brüder Timo und Jonas Strobel aus St. Johann auf der Schwäbischen Alb, 21 und 19 Jahre alt. Auch sie haben am Dienstag ihre Arbeit niedergelegt. Während der jüngere der beiden noch in Ausbildung ist, arbeitet Timo Strobel seit einem Jahr als landwirtschaftlicher Dienstleister. „Wir sind hier, um zu zeigen, dass wir auch anders können – immerhin geht es um unsere Zukunft.“ Und was aus seiner Sicht viele dabei vergessen: auch um die langfristige Versorgung der Menschheit. Und wenn diese auch künftig zum Teil von bäuerlichen Familienbetrieben kommen solle, dann müsse es dringend mehr Wertschätzung von allen Seiten geben.

Nach mehr als fünf Stunden endete die Veranstaltung. Laut den Organisatoren sei es jetzt an der Politik, mit den Landwirten ins Gespräch zu kommen.