Trainer Peter Zeidler hat klare Vorstellungen vom Fußball.Trainer Peter Zeidler hat Sion auf Platz drei geführt. Foto: Baumann

Peter Zeidler hat den Schweizer Erstligisten FC Sion mit aufregendem Offensivfußball auf Platz drei geführt. Gefahr lauert für den Schwaben dennoch jederzeit – denn kein Vereinsboss feuert seine Trainer schneller als der sagenumwobene Christian Constantin.

Sion/Stuttgart - Das Hohelied auf das Wallis singt Peter Zeidler (54) im Stile eines Fremdenführers. Von den Bergen rund um Sion schwärmt er mit ansteckender Begeisterung, von dem Wein und dem Raclettekäse, von der Herzlichkeit der Menschen und den vielen Sonnenstunden im Südwesten der Schweiz. „Es ist etwas ganz Besonderes, hier arbeiten zu dürfen“, sagt Zeidler. „Ich genieße jeden Moment.“

Es ist die richtige Einstellung für einen Fußballtrainer – vor allem, wenn er auf dem Schleudersitz des FC Sion sitzt. Es gibt in Europa keinen Clubchef, der sein Personal schneller feuert als der sagenumwobene Christian Constantin (60), auch „Alpen-Asterix“ oder schlicht „CC“ genannt. „Ich bin ein Diktator – aber ein guter“, so lautet die Selbsteinschätzung des Exzentrikers mit den schwarz gefärbten Haaren: „Selbst Jesus ist nicht nur geliebt worden. Am Ende haben sie ihn ans Kreuz genagelt.“

Der Clubpatron wirft sich gerne ins Napoleon-Kostüm

Seit dem Beginn seiner zweiten Amtszeit 2003 hat der schwerreiche Immobilienunternehmer, der bei der Vereinsgala gerne im Napoleon-Kostüm hoch zu Ross in die Halle marschiert, 37 Trainerwechsel vollzogen. In einer Saison verschliss er einmal sieben Übungsleiter und begründete 2008 die Entlassung von Uli Stielike mit diesen Worten: „Ich habe ihn nach Hause geschickt, weil er verwahrlost aussah und sein Geruch nicht sehr angenehm war.“

Das Paradies im Wallis, das weiß daher auch Peter Zeidler, „ist ein Pulverfass“.

Statt nach Ungarn ging Zeidler lieber ins Wallis

Trotzdem zögerte der Schwabe nicht, als Constantin im vergangenen August auf der Suche nach dem nächsten Trainer anrief. Nach Stationen in Aalen, bei den Stuttgarter Kickers, der TSG Hoffenheim, dem FC Tours und Red Bull Salzburg stand Zeidler kurz davor, die U 21 von Ungarn zu übernehmen. Zu verlockend aber war die Chance, den Beweis anzutreten, dass es auch beim FC Sion nicht unmöglich ist, über einen längeren Zeitraum hinweg Erfolg zu haben.

Und siehe da: Als der frühere Französischlehrer seinen neuen Job antrat, war der Club Tabellenletzter – zwei Monate später lag das junge Team hinter dem Serienmeister aus Basel auf Platz zwei. Kein Platz mehr war für Altstars wie den Ex-VfB-Profi Arthur Boka, dessen Vertrag aufgelöst wurde. Dafür baute Zeidler Talente aus der eigenen Jugend ein, mit denen nun jener Spielstil kultiviert wird, den der frühere Co-Trainer von Ralf Rangnick in Hoffenheim gelernt hat: „Wild, aggressiv, nach vorne.“ Verblüfft wird der Überfallfußball in der ganzen Schweiz verfolgt, begeistert sind die Fans im Wallis, wo Zeidler „eine regelrechte Euphorie“ spürt.

Der Sohn des Präsidenten fungiert als Sportchef – mit 22 Jahren

Zuletzt allerdings hat der Aufschwung eine kleine Pause eingelegt. Zwei Spiele hintereinander gingen verloren, erst gegen St. Gallen (1:2), dann gegen Basel (0:1), beide Male im eigenen Stadion. „Zwei Heimniederlagen sind bei keinem Verein der Welt gut“, sagt Zeidler. In Sion aber sind sie besonders schlecht, weil sie Christian Constantin, der jährlich bis zu vier Millionen Schweizer Franken in seinen Club pumpt und von der Champions League träumt, auf die Stimmung schlagen könnten. Präsidentensohn Barthélémy Constantin, Sion-Sportchef im Alter von 22 Jahren, fand es nicht die beste Idee, dass Zeidler seine Mannschaft vor dem St.-Gallen-Spiel (wie meist auch sonst) zu Hause übernachten ließ: „Wenn man in den Krieg zieht, müssen die Soldaten perfekt ausgebildet und vorbereitet sein. Sonst verliert man.“

Peter Zeidler, der sich jeden Abend lange mit dem Clubpatron austauscht, sieht trotzdem keinen Grund, nervös zu werden: „Ich traue mir zu, ein paar Stürme zu überstehen.“ Seine Mannschaft ist vor dem Spiel bei dem von Markus Babbel trainierten FC Luzern an diesem Samstag Tabellendritter und steht zudem im Pokal-Halbfinale. In zwei Wettbewerben besteht also noch die Chance, die Europa League zu erreichen. Für Christian Constantin ist der Fall klar: „Saisonziele sind eine Dummheit“, hat er einmal erklärt, „wir wollen einfach alle Spiele gewinnen.“