Foto Hirrlinger in der Calwer Straße beugt sich dem Druck des Online-Handels Foto: Leif Piechowski

Mit Übersichtskarte - Das Sterben der Traditionsgeschäfte geht weiter. Foto Hirrlinger in der Calwer Straße schließt am Donnerstag. Das Schreibwarengeschäft Haufler am Markt macht Ende Januar 2015 dicht. Beide Läden haben den Kampf gegen die Online-Anbieter verloren.

Stuttgart - Foto Hirrlinger in der Calwer Straße schließt am Donnerstag zum letzten mal den Laden auf. Damit gibt ein weiteres inhabergeführtes Fachgeschäft in der Stuttgarter Innenstadt auf. „Einen Kampf, den man nicht gewinnen kann, muss man nicht führen“, sagt Volker Hirrlinger, „es ist ein Kampf gegen Windmühlen.“

Bereits im vergangenen Jahr klagte der Schwiegersohn von Oskar Hirrlinger über 30 Prozent Umsatzrückgang. „Wenn wir in diesem Jahr eine schwarze Null schreiben, haben wir Glück gehabt“, sagte er im November 2013 und bezifferte seinen Umsatzrückgang bei der Foto-Technik auf bis zu 30 Prozent. Wenn er eine Kamera verkaufe, liege die Gewinnmarge zwischen drei und zehn Prozent. Hätte das Traditionsgeschäft nicht den Vorteil gehabt, in der eigenen Immobilie zu sitzen, wäre das Aus vermutlich schon früher gekommen. Nun aber seien die Banken nervös geworden, sagt Hirrlinger, der vor sechs Jahren die Geschäfte vom Senior übernommen hatte. Oskar Hirrlinger trage das Aus seines Ladens mit Fassung, sagt sein Schwiegersohn Volker: „Es war eben abzusehen. Er ist sehr stolz, dass ich es versucht habe. Aber ich habe es auch nicht geschafft, diesen Kampf mit Elan und Ideen zu gewinnen.“

Diese Traditionsgeschäfte haben in den letzten Jahren in Stuttgart geschlossen:


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Der Kaufmann meint den Kampf gegen das Internet. Der wachsende Online-Handel habe schließlich auch dem traditionsreichen Fotofachhändler den Garaus gemacht. „Prinzipiell kann ich die Menschen verstehen“, sagt Volker Hirrlinger über jene Kunden, die sich erst im Fachhandel beraten lassen, dann aber im Internet günstiger kaufen. Aber jeder mit diesem Verbraucherverhalten sollte sich laut Hirrlinger über die Folgen im Klaren sein: „So wird der inhabergeführte Handel in der Stadt bald ganz von der Bildfläche verschwinden.“

Die Verkäuferinnen bei Haufler am Markt wollen da nicht widersprechen. Sie sind niedergeschlagen, weil Haufler „ihr Leben“ war. „Auch bei uns kommen die Leute rein, lassen sich über exklusive Schreibgeräte beraten und kaufen schließlich im Internet“, sagt eine Haufler-Mitarbeiterin, zuckt mit den Schultern und blickt hilfesuchend zu ihrer Kollegin. Die nickt zustimmend und ergänzt: „Es geht doch allen so. Auch Spielwaren Kurtz kämpft gegen die Preismacht des Internets.“ Bis Ende Januar 2015 machen nun beide das, was sie am besten können: so gut wie möglich beraten und verkaufen. Dann ist Schluss bei Haufler am Marktplatz. Eine Ära, die 1895 begann, endet.

Volker Hirrlinger glaubt, dass das Sterben der Traditionsgeschäfte in der Stuttgarter City weitergehen wird. „Der inhabergeführte Handel hat in der Stadt in Zukunft keine Chance mehr“, sagt er, „Groß wird Klein fressen. Das Sterben geht weiter.“ Auch weil nur noch die Großen die horrenden Mieten in der City zahlen könnten. Er muss es wissen: Schließlich wird auch er seinen Laden in der Calwer Straße nach einer zweimonatigen Umbauphase vermieten. Wie die Dinge derzeit liegen, wird ein amerikanischer Filialist den Zuschlag erhalten.

Den düsteren Prognosen für den innerstädtischen Einzelhandel wollen sich City-Managerin Bettina Fuchs und Hauptgeschäftsführerin des Handelsverbandes, Sabine Hagmann, nicht anschließen. Beide glauben an die Chance der Händler – sofern sie auf der Höhe der Zeit bleiben. „Es reicht nicht mehr aus, morgens die Tür aufzuschließen. Man muss seinen Kunden einen Mehrwert und zusätzliche Leistungsangebote bieten“, sagt Fuchs von der City-Initiative Stuttgart (Cis). Die Zauberworte im Handel lauten aus ihrer Sicht: „Trends aufgreifen und Kundenbindung.“ Anders ausgedrückt: „Für Händler ist es noch wichtiger geworden, ein gutes Gespür für die Kunden und ihre Wünsche zu entwickeln.“ Auch Sabine Hagmann vom Handelsverband glaubt nicht an den Untergang des Einzelhandels. Ob in der Fotobranche oder in anderen Segmenten. „Natürlich ist der Wettbewerb überall härter geworden, aber es ist nicht unmöglich geworden, erfolgreich zu sein.“

Selbst jetzt nicht, da in Stuttgart in drei Monaten die Einkaufscenter Milaneo und Gerber den Wettbewerb weiter verschärfen werden. „Natürlich wird das den Markt am Anfang aufwühlen“, sagt Bettina Fuchs, „aber die Stadt ist stark genug, das aufzufangen. Das gilt auch für den inhabergeführten Handel, der immer noch durch etwa 80 Läden in der Stadt repräsentiert wird.“