Topsprinter Marcel Kittel will bei der Tour de France erneut auf sich aufmerksam machen Foto: dpa

Die Tour de France ist das größte Sportereignis, das jedes Jahr stattfindet. Die öffentlich-rechtlichen TV-Anstalten übertragen es trotzdem nicht. Nun stellt sich die Frage: Ist der Radsport inzwischen wirklich so sauber, wie er tut?

Stuttgart - Die Tour de France ist das größte Sportereignis, das jedes Jahr stattfindet. Die öffentlich-rechtlichen TV-Anstalten übertragen es trotzdem nicht. Nun stellt sich die Frage: Ist der Radsport inzwischen wirklich so sauber, wie er tut?

Die Situation: Seit 2009 zeigen ARD und ZDF keine Live-Bilder mehr von der Tour – die Verantwortlichen hatten genug von den Doping-Skandalen. Bisher machen sie keine Anstalten, an dieser Entscheidung zu rütteln. „Wir werden beizeiten überlegen, ob wir unseren Berichterstattungsumfang über die Tour wieder erhöhen“, sagt ARD-Sportkoordinator Axel Balkausky. Konkreter wird er nicht. Das freut Eurosport: Der Spartenkanal jubelt über gute Tour-Quoten. Diesmal überträgt der Sender 90 Stunden live, darunter zehn Etappen in voller Länge.

Die Kritik: Mit den Erfolgen kommen die Erwartungen. 2013 gewannen deutsche Profis bei der Tour sechs Etappen, nun haben sie den Kanal voll vom TV-Bann. „Ich weiß wirklich nicht, was wir noch besser machen können“, sagt Sprintstar Marcel Kittel, „der Radsport wurde genug bestraft. Er hat eine zweite Chance verdient.“ Das findet auch Tony Martin. „Was sollen wir Profis denn noch tun?“, fragt der Zeitfahr-Weltmeister, „wir haben es verdient, gezeigt zu werden.“ Auch Rudolf Scharping, Präsident des Bund Deutscher Radfahrer, fordert ARD und ZDF zum Umdenken auf: „Die Zeit der Strafe und Buße sollte allmählich zu Ende gehen.“

Das Doping-Problem: Die TV-Macher erklären stets, wieder mehr Radsport zu zeigen, wenn die Profis weniger dopen. Nur: Wer kann wirklich glaubhaft beantworten, ob heutzutage weniger betrogen wird als früher? Die Fahrer behaupten es. „Ich bin fest davon überzeugt, dass vor allem wir deutschen Profis wissen, dass unser Sport nur zu retten ist, wenn er auch auf höchstem Niveau sauber möglich ist“, sagt Kittel. Und Martin erklärt: „Die neue Generation der deutschen Profis ist erfolgreich und glaubwürdig.“

Allerdings gibt es genügend Experten, die diesen Gesinnungswandel anzweifeln – und das liegt nicht nur am jüngsten Dopingfall von Daryl Impey (Träger des Gelben Trikots 2013) oder der Suspendierung von Roman Kreuziger (Tour-Fünfter 2013). „Ich kann mir nur schwer vorstellen, dass unter den ersten 15 der Gesamtwertung irgendetwas anders sein soll als früher“, sagt Anti-Doping-Experte Fritz Sörgel, „Geschichten über die neue Generation, die angeblich ohne Doping auskommt, lesen sich für mich wie aus einem Marketing-Lehrbuch für unanständige Produkte.“ Auch Ex-Profi und Doping-Kronzeuge Jörg Jaksche hat erhebliche Zweifel: „Es gab kein ehrliches Umdenken. Wie auch? Die Leute, die zu den Hoch-Zeiten des Dopings federführend waren, sind immer noch in Amt und Würden.“

Die Zukunft: „Es gibt kein grundsätzliches Embargo für Radsport-Großereignisse“, sagt ZDF-Intendant Thomas Bellut. Angeblich wollen sich die TV-Macher im September darüber unterhalten, wie sie künftig mit dem ungeliebten Sport umgehen, dem sie zu Zeiten eines Jan Ullrich selbst verfallen waren. Dabei wird es natürlich auch darauf ankommen, ob die Tour 2014 ohne Skandale über die Runden kommt und wie erfolgreich die Deutschen sind. Keine Rolle spielt in den Überlegungen, dass andere Sportarten womöglich ein ähnliches Doping-Problem haben wie der Radsport. ARD und ZDF übertragen Ausdauersportarten im Winter ebenso wie Leichtathletik-Großereignisse im Sommer. „Der Radsport ist selbst Schuld an seiner Situation“, sagt Ex-Gerolsteiner-Teamchef Hans-Michael Holczer, „aber wenn die Öffentlich-Rechtlichen mit allen Sportarten so konsequent umgehen würden wie mit dem Radsport, dann könnten sie oft nur noch das Testbild senden.“

Allerdings warnt Holczer davor zu glauben, alles im deutschen Radsport laufe wieder wie geschmiert, sobald ARD und ZDF mehr Rennbilder zeigen. „Die Dramaturgie des damaligen Ausstiegs hat dem deutschen Radsport einen Schaden zugefügt, der sich auf Jahrzehnte nicht beheben lassen wird“, meint der Ex-Teamchef, für den klar ist: Sollten die Öffentlich-Rechtlichen zur Tour zurückkehren, würden sie nicht mehr so viel Aufmerksamkeit erzielen wie vor zehn Jahren. „Aufwand, Intensität, Häufigkeit – das waren Übertragungen, wie es sie nicht mehr geben wird“, sagt Holczer, „zudem hat sich die Medienlandschaft verändert. ARD und ZDF haben nicht mehr diese Macher-Funktion wie früher. Deshalb muss man das Gejammere aus dem Radsport relativieren.“