Hat auf tausenden Von Alben mitgepsilet, darunter michael Jacksons „Thriller“: Steve Lukather Foto: Label

Die kalifornische Sonne scheint durch den komplexen Westcoast-Rock der Virtuosen von Toto. Die noch lebenden Mitglieder feiern mit „XIV“, ihrem ersten Studio-Album seit neun Jahren, weltweit Erfolge. Am 17. Juni um 20 Uhr spielt die Band in Stuttgart auf der Freilichtbühne Killesberg.

Stuttgart – Mr. Lukather, vor kurzem ist der langjährige Toto-Bassist Mike Porcaro gestorben – mit welchen Gefühlen geht man da auf Tournee?
Mit gemischten. Niemand sollte so leiden müssen wie Mike, das ist nicht fair. Aber er ist jetzt sicher an einem viel besseren Ort und hängt mit Jeff herum. Beide waren Seelen-brüder für mich, ich vermisse sie sehr. Ohne sie würde ich jetzt nicht über Toto sprechen. Ich habe Jeff 1973 an der Highschool getroffen, sie waren für mich Teil meiner Familie.
Sie preisen die aktuelle Besetzung dennoch als Wiedervereinigung – wie ist das zu verstehen?
2010 wollten wir auf Tour gehen, um Mike mit seinen Arztrechnungen zu helfen. Sein Bruder Steve kam als Keyboarder zurück wie auch unser zweiter Sänger Joseph Williams, und die Tour wurde ein Riesenerfolg. Es fühlte sich fast an wie damals. Wir schrieben zunächst keine neuen Songs, das Internet hat uns das Geschäft kaputtgemacht. Aber wir waren jemandem ein Studio-Album schuldig, und als wir beschlossen haben, eines zu machen, war dann auch unser anderer Keyboarder David Paich wieder dabei. Am Bass ist das Toto-Gründungsmitglied David Hungate zu hören. Im Studio war die Besetzung also so original, wie sie es noch sein kann.
In den nuller Jahren schien die Band irgendwann ihre Seele verloren zu haben . . .
Absolut. Mike hat uns 2007 aus gesundheitlichen Gründen verlassen. Danach war es eine tolle Band mit tollen Musikern, aber nicht mehr Toto. Die Musik war in Ordnung, aber wir hatten das verloren, was die Band ausmacht. Ich habe damals viel getrunken, meine Ehe war am Zerbrechen, meine Mutter starb. Und dann musste ich jeden Abend neben diesem Typen auf der Bühne stehen, der nicht mehr singen konnte.
Sie sprechen von Bobby Kimball?
Er redet schlecht über Toto und mich. Alle, die bei den Konzerten waren, haben gehört, was ich meine – nur er selbst sieht es anders.
War es schwer, David Hungate zu reaktivieren?
Überhaupt nicht. Wir hatten zuerst Nathan East im Auge, aber er spielt bei Eric Clapton, und der plante ebenfalls ein neues Album. Also haben wir David angerufen. Er ist ein putziger alter Mann, ein fantastischer Musiker. Mit ihm klangen wir plötzlich dann wieder so richtig wie wir selbst.
Eine zentrale Position bei Toto ist die des Schlagzeugers. Der 1992 verstorbene Jeff Porcaro gilt als Ikone, auch Nachfolger Simon Philipps hat der Band seinen Stempel aufgedrückt. Wie sind Sie auf Steely-Dan-Drummer Keith Carlock gekommen?
Er ist ein wilder Typ. Wir wollten niemanden, der klingt wie Simon, so wie wir damals niemanden wollten, der klingt wie Jeff. Leider ist Keith nun wieder bei Steely Dan eingespannt und kann nicht mit auf Tournee. Dafür konnten wir den Nashville-Session-Drummer Shannon Forrest gewinnen. Wie lange wir das überhaupt noch machen können, sehen wir nach der Tour. David Hungate wird dann 70 Jahre alt sein.
Wie hat sich das angefühlt, wieder Songs gemeinsam zu schreiben? Haben Sie einen Anlauf gebraucht?
Einige von uns hatten Ideen, dazu kamen ein paar alte. „Chinatown“ stammt aus unserer Zeit vor Toto, es klingt klassisch, und wir hatten das Gefühl, dass wir das Jeff und Mike schuldig sind. Alles andere haben wir neu geschrieben. Wir haben in unterschiedlichen Konstellationen komponiert, uns Ideen zugeworfen und damit herumgespielt – so hat das Gestalt angenommen. Letztlich haben wir zehn Monate am Album gearbeitet.
Die Produktion klingt, vorsichtig gesagt, bombastisch – wollten Sie das so fett?
Das sind bis zu 200 Instrumenten- und Gesangsspuren pro Song, da sind viele kleine Überraschungen versteckt. Wir wollten ein klassisches Toto-Album machen mit allem, was man von uns erwartet und was wir am besten können: virtuoses Handwerk, vielstimmiger Satzgesang.
Wie behält man bei 200 Spuren den Überblick?
Das war natürlich ein Albtraum, zum Glück hat uns CJ Vanston als Koproduzent immer wieder auf den Teppich geholt. Es gab den einen oder anderen heftigen Streit: Eine Gitarrenwand wie in den 1980er Jahren oder ein eher zurückhaltenderer Sound? Schließlich sind wir zu einem Ergebnis gekommen, zu dem wir alle stehen können.
Waren Sie überrascht, dass Sie plötzlich nach langer Zeit wieder ganz oben in den Album-Charts standen?
Allerdings. Wir sehen uns nicht als Popstars, wir genießen das eher als ältere Gentlemen. Zum Dank an die Fans werden wir uns live in Bestform präsentieren und nicht nur die offensichtlichen Hits spielen, sondern uns Freiheiten nehmen. Es wird rockigere Versionen einiger Songs geben, und jeder bekommt die Gelegenheit, sein Können zu zeigen. Wir haben ja alle einen Fusion-Hintergrund und jammen gerne.
Sie waren schon in den 1980er Jahren ein gefragter Studiomusiker.
Seit ich 18 oder 19 war. Ich habe R&B, Metal, Soul, Progressive Rock, Country und Weltmusik gespielt. Es konnte sein, dass ich tagsüber Tracks für Aretha Franklin aufgenommen habe und am selben Abend für Alice Cooper. Vielleicht hat dann noch Elton John angerufen, der spontan etwas brauchte. Ich habe viel mit Quincy Jones gearbeitet. Auf Michael Jacksons „Thriller“-Album stammen alle Gitarren- und Bass-Parts von mir – mit Ausnahme des Gitarrensolos in „Beat It“, das hat natürlich Eddie Van Halen gespielt. Ich habe auch an Alben von Miles Davis, Herbie Hancock und Wayne Shorter mitgewirkt, die hatten alle einen Sinn für Cross-over.
Wie ist das abgelaufen – waren Sie mit all denen im Studio?
Oft war nur der Produzent da, und oft wusste ich vorher auch gar nicht, für wen ich spielen sollte. Es gab keine Noten und keine Proben, ich musste mir im Moment etwas einfallen lassen, auf den Punkt voll da sein. 99 Prozent dessen, was ich gespielt habe, stammt tatsächlich von mir. Ich hatte jede Woche rund 25 Studio-Sessions und dazu noch die Band. Das schafft man nur, wenn man in Form ist, sonst ruft ganz schnell kein Produzent mehr an.
Auf wie vielen Alben ist Ihre Gitarre denn zu hören?
Ich habe das nie nachgezählt, ich schätze zwischen 1500 und 2000. Vor zwei Jahren habe ich aufgehört mit den Studio-Jobs, die Szene existiert nicht mehr. Die großen Budgets sind weg, es gibt nur noch eine Handvoll Leute, die überhaupt richtige Studios betreiben. Jetzt arbeiten alle mit Computern, mit denen man aus jedem lausigen Track etwas Hörbares machen kann. Das interessiert mich nicht. Ich empfinde es als großes Glück, dass ich die Blütezeit der Studioarbeit miterleben durfte, als man noch richtige Musiker brauchte, die das tatsächlich spielen können.
In den 1970er Jahren spiegelten die Songs von Toto kalifornisches Wohlgefühl, nun gehen Sie in den Texten mit harschen Themen der Gegenwart um, etwa in „Holy War“, „21st Century Blues“ oder „Unknown Soldier“ . . .
Ich habe vier Kinder im Alter zwischen 29 und 4 Jahren, allein um ihretwillen interessiert mich, was vor sich geht. Ich sehe die Ungerechtigkeiten in der Welt und schreibe auf, was ich darüber denke. Ich will nicht predigen, und es geht es mir nicht um politische Lager, sondern um die Menschheit und den Planeten Erde. Ich habe immer gehofft, dass wir Armut, Rassismus und Hass überwinden, stattdessen entwickeln sich die USA allmählich zu einem Drittweltland. Unser politisches System funktioniert nicht mehr, unsere Staatsschulden sind astronomisch. Letztlich träumen wir doch alle denselben Traum: dass unsere Kinder sicher aufwachsen, mit medizinischer Versorgung, und Freude am Leben haben können. In der Realität gilt das nur für eine Minderheit, obwohl genug für alle da wäre – die Gierigen verhindern, dass der Reichtum der Erde besser verteilt wird.
Viele Ihrer Landsleute sehen das ganz anders.
Im Internet-Zeitalter wird so viel Unsinn verbreitet, dass viele die Fakten kaum noch erkennen können. Ich habe zu einigen meiner Verwandten keinen Kontakt mehr, weil sie der konservativen Propaganda aufsitzen und meine Ansichten für seltsam halten. Manche von ihnen haben die USA nie verlassen, während ich viel gereist bin, viel über andere Kulturen gelernt habe. Vielleicht ist das naiv, aber ich bin ein Love-and-peace-Typ, und ich stehe dazu. Deutschland zum Beispiel ist für mich ein Vorbild in Sachen alternative Energien – ihr versucht es zumindest!