Werner Göring in seinem Element – er hat schon alle Top-Berge der Welt bestiegen. Foto:  

Werner Göring hat die höchsten Berge aller sieben Erdteile bezwungen. Damit gehört der Bergsteiger und Expeditionsarzt zum illustren Kreis der Alpinisten, die die Seven Summits in ihrem Gipfelbuch stehen haben.

Erkenbrechtsweiler - Am 11. August 2015, dem Tag seines 60. Geburtstags, hat Werner Göring für sich eine rote Linie gezogen. 8000 Meter, und keinen Meter mehr. Warum auch: Der Allgemeinarzt aus Erkenbrechtsweiler im Kreis Esslingen hat in den vergangenen 30 Jahren alpinistische Höhepunkte gesammelt wie andere Leute Briefmarken.

Seven Summits, sieben Gipfel, heißt die Königsdisziplin des Bergsteigens. Die jeweils höchsten Berge der sieben Kontinente. Der Expeditionsarzt von der Schwäbischen Alb kennt alle Gipfelkreuze: das des Mount Everest (8848 Meter) im Himalaya, das des Aconcagua (6962 Meter) in den südamerikanischen Anden und das des Denali (6190 Meter), auch bekannt als Mount McKinley, in Alaska. Er ist auf dem Gipfel der Carstensz-Pyramide (4884 Meter) in Papua-Neuguinea (Ozeanien) gestanden, auf dem des Elbrus (5642 Meter) im europäischen Teil des Kaukasus, auf dem Mount Vinson (5895 Meter) in der Antarktis und auf dem Kibo (5895 Meter), dem Hauptgipfel des Kilimandscharo.

Zu alt für den Mount Everest?

Den Mount Everest, die noch fehlende Krone der Seven Summits, hatte Göring in einer Vierer-Seilschaft über die tibetanische Nordroute in Angriff genommen. Das war vor drei Jahren. „Eigentlich war ich da schon zu alt für diesen Berg“, sagt er. Achteinhalb Stunden hat die letzte Etappe vom Gipfellager in 8300 Metern Höhe in Anspruch genommen. Eine volle Stunde lang haben Göring und seine Bergkameraden anschließend das Gipfelglück genossen.

„Eigentlich sind 15 Minuten die Regel, aber der Aufstieg war perfekt“, sagt er. Danach hieß es möglichst schnell wieder aus der Todeszone heraus- und auf eine verträgliche Höhe hinuntersteigen. Göring hat es geschafft und darf sich nun zu der erlesenen Schar von gerade mal zwei Dutzend deutscher Bergsteiger zählen, die auf dem Dach der Welt und auf den höchsten Gipfeln aller Kontinente dieser Erde gestanden haben. „Technisch gibt es schwierigere Herausforderungen als den Everest. Das Hauptproblem in der Höhe ist die Erschöpfung“, so Döring. Nicht nur körperlich, sondern auch psychisch muss ein Bergsteiger dort an die Grenzen gehen. Als Arzt habe er oft festgestellt, dass Expeditionsteilnehmer am Berg körperlich noch leistungsfähig gewesen wären, aber psychisch eingeknickt seien.

Wenn die Zweifel kommen, wird’s kritisch

„Wenn die Selbstzweifel aufkommen, wird es kritisch“, sagt Göring. Umso mehr, als dass der Kampf mit sich selbst weitab von der Zivilisation spielt. „Am Fuß des Mount Vision liegt die letzte menschliche Siedlung 3500 Kilometer zurück“, sagt Göring.

In solchen Grenzsituationen trägt ein Expeditionsarzt nicht nur die Verantwortung für sich, sondern für die ganze Gruppe. Drei Mal ist Göring in den vergangenen 30 Jahren mit dem Tod konfrontiert worden – zwei Abstürze von Bergkameraden, ein Zusammenbruch. „Man muss wissen, dass das passieren kann“, sagt Göring.

Seven Summits – und nun? „Klar, höher geht es nicht mehr. Aber dadurch habe ich auch neue Freiheiten gewonnen. Ich kann mich zurücklehnen und neue Ziele setzen“, sagt Göring. Im Mai geht’s zum Familienurlaub auf Teneriffa. Da will Göring, der auch in der Todeszone der 8000er von seiner ausgeprägten Ausdauerfähigkeit profitiert, die 3700 Meter vom Meeresspiegel hinauf auf den Pico de Teide und wieder zurück in einem Rutsch gehen. Nach dem Abendessen los, zum Sonnenaufgang oben und zum Kaffeetrinken mit der Frau wieder zurück auf Meereshöhe – so ist der Plan. „Das ist sportlich“, sagt der Arzt, der zur Vorbereitung auf seine Touren auch schon mal 100 Kilometer in 23 Stunden über die Schwäbische Alb wandert. Trotzdem: Spitzenathlet, gibt er zu, sei er nie gewesen. „Aber ich habe von Beginn an eine Riesenbegeisterung für das Bergsteigen gehabt“, sagt er. Sie hat ihn zu den höchsten Gipfeln der Welt getragen.