Wie gefährlich sind die S-Bahn-Türen? Am Donnerstag verunglückte ein 50-Jähriger tödlich Foto: Lichtgut/Achim Zweygarth

Die S-Bahn-Türen schließen sich, ein Mann wird eingeklemmt und von der anfahrenden Bahn mitgeschleift. Der Tod am Bahnhof Feuerbach ist technisch eigentlich unmöglich. Eigentlich.

Stuttgart - Das Drama spielt sich vor den Augen zahlreicher Zeugen ab. Ein 50-jähriger Stuttgarter sieht seine S-Bahn am Feuerbacher Bahnhof abfahrbereit Richtung Hauptbahnhof. Es ist Donnerstag kurz nach 14.15 Uhr, die Türen schließen. „Die Zeugen berichten, dass der Mann in die Tür greift und dabei eingeklemmt wird“, sagt Polizeisprecher Thomas Geiger. Dann fährt die S-Bahn an, schleift den Mann mit. Nach 50 Metern bleibt er im Gleisbett liegen. Die S-Bahn verschwindet im Tunnel.

In der Einsatzzentrale der Polizei klingelt um 14.20 Uhr die Notruftelefone. Doch die Rettungskräfte können nichts mehr ausrichten: Für den 50-Jährigen kommt jede Hilfe zu spät. Der S-Bahn-Verkehr gerät aus den Fugen. Der Verkehr muss bis 15.45 Uhr unterbrochen werden. Es gibt Verspätungen und Zugausfälle.

Der Unfallzug muss erst gesucht werden

Der Unfall wirft schnell die wesentliche Fragen auf: Warum haben sich die Türen nicht wieder geöffnet? Warum hat der Lokführer nichts bemerkt? Am Donnerstagnachmittag stellte sich für die Ermittler zunächst eine ganz andere Frage: Welcher Zug war das denn überhaupt? Die Bahn ermittelte und stellte fest, dass zwei Züge infrage kommen. Eine S 4 aus Backnang und eine S 6 aus Weil der Stadt.

Die Züge wurden leer ins Bahnbetriebswerk nach Plochingen beordert. Kriminaltechniker der Bundespolizei sollten herausfinden, an welchem Zug sich Spuren des Unfalls nachweisen lassen. Bis zum Abend war der Unfallzug noch nicht identifiziert. Das Problem ist dabei: Es handelt sich laut Bundespolizei um zwei unterschiedliche Zugtypen – und damit auch um zwei unterschiedliche Möglichkeiten der Unfallursache. Die S 4 ist ein Zug des modernen Typs ET 430 – der mit den umstrittenen Schiebetritt-Türen. Die S 6 ist ein älterer ET 423 – und dieser Typ hat in Sicherheitsfragen eine lange Vorgeschichte. Mit Problemen, die eigentlich längst geklärt zu sein schienen.

Zwei Züge, zwei Türprobleme

Im Jahr 2001 häuften sich die Zwischenfälle mit Fahrgästen, die von schließenden Automatiktüren eingeklemmt wurden. Damals war die Türen mit lediglich zwei Lichtschranken ausgestattet, die dünne Gegenstände wie Regenschirme oder Hundeleinen nicht erkennen konnten. Sechs Jahre lang gab es keine Nachbesserungen – dann ermittelte die Kölner Staatsanwaltschaft gegen die Aufsichtsbehörde der Bahn. Es ging um insgesamt 27 Unfälle im Bundesgebiet, unter anderem im Großraum Stuttgart. Das Eisenbahnbundesamt zog Ende die Notbremse, ließ die Türautomatik abschalten. Die Lokführer mussten vor der Abfahrt nach draußen schauen und die Situation am Bahnsteig kontrollieren. Nach und nach wurden die 60 Züge des Typs ET 423 mit Lichtgittern nachgerüstet.

Der neue Typ 430 hat ebenfalls Türprobleme – allerdings vor allem wegen der nicht zuverlässigen Schiebetritte. Die müssen vom Hersteller in den nächsten Zeit umgerüstet werden. Fahrgäste bemängeln derzeit vor allem, dass die Öffnungszeiten der Türen mehrere Sekunden in Anspruch nehmen. Wegen dieses Problems soll die Programmierung des Systems aber inzwischen überarbeitet worden sein.

Ein Bahnsprecher mochte sich zu möglichen Ursachen nicht äußern: „Wir müssen die Ermittlungen abwarten.“ Der Bahnverkehr war am Donnerstag erheblich beeinträchtigt. Die Linien S 4 und S 5 wurden über die Ferngleise umgeleitet, konnten deshalb in Feuerbach nicht halten. Später gab es einen Halt wenigstens im Halbstunden-Takt. Die Linie S 6 musste in Zuffenhausen wenden. Die S 60 verkehrte lediglich zwischen Böblingen und Renningen. Es kommt zu Ausfällen und Verspätungen.