Jozip Broz Tito begrüßt 1970 die niederländische Königin Juliana. Foto: AP

Vor 30 Jahren starb Josip Broz Tito, Präsident Ex-Jugoslawiens. Wer war er wirklich?

Brüssel - Vor 30 Jahren starb Josip Broz Tito, Präsident Ex-Jugoslawiens und erfolgreichster Schlosser aller Zeiten. Er war der Schöpfer eines sozialistischen Staates, Feldherr, lebenslanger Präsident und Chef der Kommunistischen Partei, der Gründer der Blockfreien-Bewegung und eine der prominentesten Führungsfiguren des 20. Jahrhunderts. Doch wer war Tito wirklich?

Nach offizieller Version war er der Sohn einer Kleinbauern-Familie aus dem kroatischen Dorf Kumrovac und erlernte das Schlosser-Handwerk. Doch daran gibt es beträchtliche Zweifel. "Die Geschichte als Wissenschaft muss seine frühe Biografie rekonstruieren", sagt der Historiker Dragan Vlahovic, der zahlreiche Bücher über Tito geschrieben hat. "Tito selbst hat zur Verwirrung um sein Geburtsdatum beigetragen. In den Biografien sind zwölf unterschiedliche Geburtsdaten angegeben." Vlahovic glaubt, dass der wahre Josip Broz tatsächlich im Jahr 1892 in Kumrovac geboren wurde, jedoch im April 1915 als Soldat im 25.Regiment der 42.Heimatgarde der Habsburger Armee in der Karpaten-Schlacht fiel. Er beruft sich dabei auf das Wiener Kriegsarchiv.

Raif Dizdarevic, langjähriger Gefährte Titos und später einer der letzten Staatschefs Ex-Jugoslawiens, stimmt zu: "In seinem Arbeitszimmer in der Weißen Villa bewahrte er wichtige Dokumente in einem kleinen Schließfach auf, auch eine Kopie der Todesurkunde von Broz, ausgestellt vom österreichisch-ungarischen Kriegsminister im Jahr 1915." Tito selbst hat bestätigt, an der Karpaten-Schlacht teilgenommen zu haben. Vlahovic: "Er hat uns erzählt, dass er in einem matschigen Graben lag, als ein feindlicher Soldat mit wilder Gesichtsbehaarung auftauchte und ihm einen Speer in die rechte Schulter rammte." Das hätte eine Narbe hinterlassen müssen - der Leichnam wies keine auf.

Er war ein Playboy, ein Charmeur, eine Spinne

Ein weiterer Publizist, Pero Simic, versichert, dass Tito ein Komintern-Agent war, der das Königsreich Jugoslawien infiltrierte, um die Kommunistische Partei neu zu organisieren. Sein offizieller Bibliograf nimmt an, Tito könnte in Wien geboren worden sein und eine Militärschule in Pécs besucht haben. Der Geheimdienst des Königreichs Jugoslawien sah in ihm den unehelichen Sohn eines polnischen Obersten namens Lebedev.

Er selbst hat sich stets in Schweigen gehüllt. Als er im Jahr 1950 zum Abgeordneten des Parlaments gewählt wurde, forderte ihn das nationale Statistikamt auf, ein Formular mit persönlichen Angaben auszufüllen. Die Antwort war kurz: "Gebe keine Informationen. T." "Der Mann mit dem Namen J.B. Tito wurde in eine aristokratische Familie geboren und pflegte einen entsprechenden Lebensstil: Er spielte gerne Klavier, Billard, Schach und Karten, liebte es zu reiten und zu fechten, er machte Gymnastik, spielte Tennis und sprach mehrere Fremdsprachen. Solch einen Schlosser gab es nie und wird es nie geben", sagte Titos Arzt Alexandar Matunovic in einem Interview nach dessen Tod.

Laut Matunovic sagte Tito bei einer der letzten Unterhaltungen zu seinem Arzt: "Wenn Sie denken, Sie wissen, wer ich bin, liegen Sie falsch, Doktor! Sie wissen nicht, wer Tito ist, noch werden Sie es jemals wissen. Niemand hat Tito getroffen oder wird ihn je treffen!" Sprach's und fügte hinzu: "Ich bin Faust - nicht nur Goethes Faust, sondern der Faust aller Fäuste."

Zu seiner Zeit war Tito eine große Persönlichkeit. Doch was er zurückließ, hatte keinen Bestand: Titos Bundesstaat zerfiel in einer Serie blutiger Kriege. Er war ein Playboy, ein Charmeur, eine Spinne, ein erbarmungsloser Mörder und ein bombastischer Diktator. Das Märchen eines geeinten Jugoslawien hat kein gutes Ende genommen, die sterblichen Überreste seines Schöpfers liegen unter zwei Tonnen Marmor im Mausoleum Haus der Blumen in Belgrad. Doch viele Menschen glauben nicht, dass der wahre Tito hier begraben ist - es muss jemand anders sein.