Foto: Leif Piechowski

Die Vereins- und Trainingsabende veranstaltet Kick It im Sutsche im Stuttgarter Westen. Ist Tischfußball also doch ein Kneipensport?

Stuttgart - Tagsüber sorgt Martin Bartke in einer großen Bausparkasse als Netzadministrator dafür, dass die Computersysteme funktionieren und nicht abstürzen. Abends schlüpft der 38-Jährige in eine andere Rolle. Er trägt T-Shirt, gelegentlich Handschuhe – und einen anderen Namen. Seine Freunde nennen ihn Magneto. Wahrscheinlich weil er am Tischkicker als Stürmer die Bälle fast magnetisch anzieht und im gegnerischen Tor versenkt. „Der Ball bleibt halt gern bei mir liegen – und keiner weiß, warum“, sagt Bartke und zuckt die Schultern.

Als Kind hat er mit seinem Bruder Wolfram zu Hause einen kleinen Kickertisch traktiert. Später entdeckte er als Zivildienstleistender beim Arbeiter-Samariter-Bund im Pausenraum seine Begeisterung für Tischfußball, die er während neun Semestern Studium des Bauingenieurwesens weiterentwickelte. „Irgendwann packt es dich dann wirklich“, sagt Bartke. 2005 gründet er mit drei Freunden den Verein Kick It Stuttgart, der inzwischen 33 Mitglieder zählt. „30 Prozent davon haben einen Doktortitel, die Mehrzahl einen Hochschulabschluss“, sagt Bartke nicht ohne Stolz. Das provoziert die Frage, ob Tischfußball inzwischen elitärer ist als Golf oder Polo? „Nein“, sagt Bartke, „das hat sich zufällig durch Kontakte während des Studiums und im Beruf so ergeben.“

Was fasziniert ausgerechnet Akademiker am Tischfußball? Bartkes Antwort kommt so schnell wie ein Pin Shot, bei dem ein eingeklemmter Ball auf dem Tisch von der abrollenden Handfläche auf eine Geschwindigkeit von bis zu 60 Kilometern pro Stunde beschleunigt wird. „Beim Tischfußball kann man sehr gut abschalten“, sagt der Vereinsvorsitzende. Wer tagsüber beruflich unter Strom steht, „bekommt am Tisch den Kopf frei und kommt runter“.

Tischfußball im Zwielicht und in der Schmuddelecke ist Bartkes Sache nicht. „Wir haben als Verein gerade die Unterlagen eingereicht und die Gemeinnützigkeit beantragt“, erzählt er. Der Vereinsvorsitzende ist optimistisch, dass die noch in diesem Jahr anerkannt wird. Grundlage ist dabei ein Urteil aus Hessen, das ein Tischfußballverein vor etwa zwei Jahren für sich erstritten hat. „Bisher standen die Tischfußballer auf einer schwarzen Liste“, sagt Bartke, „doch endlich bewegt sich was.“ Wohin die Reise gehen soll, weiß er ganz genau: „Jetzt wollen wir raus aus der Grauzone.“

Rein sportlich ist das längst gelungen. Der Verein hat inzwischen vier Mannschaften im Spiel- und Turnierbetrieb, die erste Mannschaft ist in der Zweiten Bundesliga aktiv. „Wir haben zurzeit vier Topspieler“, sagt Bartke. „Hätten wir noch zwei mehr, würden wir in die Erste Bundesliga aufsteigen“, ist er sich sicher.

Die Vereins- und Trainingsabende veranstaltet Kick It im Sutsche im Stuttgarter Westen. Ist Tischfußball also doch ein Kneipensport? „Wir haben bisher keine eigenen Clubräume“, sagt Bartke, „außerdem sind die Spieltische teuer.“ Knapp 2000 Euro kostet ein neuer Tischkicker.

An den Trainingstagen Montag und Dienstag, jeweils von 20 bis 22.45 Uhr, werden unter anderem Schusstechniken wie Pin Shot oder Snake Shot geübt. Am Montag gibt es regelmäßig ein Turnier, bei dem auch Vereinsfremde ihr Talent beweisen können. Auf diese Weise soll nicht nur Nachwuchs gewonnen werden. Der Verein sieht sich auch in der Verantwortung, schwierigen Jugendlichen zu helfen.

Regelmäßig besuchen die Spieler des Vereins deshalb Jugendzentren etwa in Heslach, Degerloch oder im Stuttgarter Westen. „Junge Menschen, die im Alltag aggressiv auftreten, lernen beim Tischfußball sich zu konzentrieren und sind danach deutlich entspannter.“

Bartke erzählt die Geschichte eines heute 16-Jährigen, der vor drei Jahren in Begleitung seiner Mutter erstmals zum Trainingsabend des Vereins kam. „Der Junge litt an ADS.“ Am Tisch war das ganz anders. Trotz seiner Hyperaktivitätsstörung wurde er ruhig, sobald er die Spielstangen in Händen hielt. „Er war nicht wiederzuerkennen“, erinnert sich Bartke. Seither kommt der Junge regelmäßig. Anfangs saß die Mutter stundenlang dabei. Inzwischen holt sie den Jungen immer um 22 Uhr wieder ab.

Am Sonntag, 18. November, präsentiert sich der Verein Kick It Stuttgart einem größeren Publikum. Von 9 bis 15 Uhr zeigen die Spitzenspieler in der EWS Arena in Göppingen an fünf Tischen die hohe Kunst des Tischfußballs und laden zum Mitspielen ein. Mit dem Auftritt im Rahmenprogramm der First Lego League, bei der Schüler aus Realschulen und Gymnasien Roboter konstruieren und programmieren, will der Verein den erwarteten 2000 jungen Besuchern „den Spaß des Tischfußballs zeigen, aber auch seine Ernsthaftigkeit“, sagt Bartke.

www.tischfussball-stuttgart.de