Das Weingut bekommt jetzt einen neuen Leiter – Timo Saier –, der Erfahrung mit Steillagen wie hier am Hasenberg hat. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Als Rarität geschätzt, für seine Weine manchmal geschmäht und wegen roter Zahlen kritisiert: Das Weingut der Stadt Stuttgart ist ein Traditionsbetrieb, der schon viel mitgemacht hat. Jetzt bekommt es einen neuen Leiter.

Stuttgart - Der langjährige Leiter Bernhard Nanz ist weg, der Nachfolger im Anmarsch: Am 15. August beginnt für das Weingut der Stadt Stuttgart ein neuer Zeitabschnitt. Dann wird Timo Saier (37) seinen Dienst antreten, ein in Ulm geborener und zuletzt in der Südsteiermark tätiger Diplom-Önologe – woraus die Stadtverwaltung bisher ein großes Geheimnis machte. Erst mit dem Tag von Saiers Dienstantritt wollten OB Fritz Kuhn (Grüne) und Wirtschafts- und Finanzbürgermeister Michael Föll (CDU) mit der Personalie auf den Markt, sie dann aber gebührend würdigen.

Damit verbindet sich die Hoffnung auf eine Art Neustart des städtischen Traditionsbetriebs mit gut 16 Hektar Rebfläche, der in den vergangenen drei Jahrzehnten immer wieder in Turbulenzen und in die Schlagzeilen geraten war. Föll und manche Stadträte hatten mehr oder weniger lautstark rote Zahlen beklagt. Zeitweise kreiste das Gespenst der Privatisierung über den kommunalen Weinbergen. Der Grund: Die Qualität der Weine wurde rundweg bestritten. Außerdem stimmte die Chemie zwischen Föll und Nanz nicht. Dieser war im städtischen Liegenschaftsamt vom Obstbauberater zum Abteilungsleiter für das Weingut aufgestiegen.

Zuletzt beim Weingut Holger Hagen in der Steiermark

Nachfolger Timo Saier ging aus einem Feld von ursprünglich fast 30 Bewerberinnen und Bewerbern hervor. In der Schlussphase der Auswahl hat Föll ihn – zusammen mit einem weiteren Kandidaten – dem OB vorgestellt. Die Entscheidung war dann ganz einfach – weil der Mitbewerber sich eines anderen besann.

Die Beteiligten sind sich einig, dass man mit Saier das Weingut gut aufstellen könne. Saier scheine alles mitzubringen, was dem Weingut helfen könnte, seine Reputation und seine Weine auszubauen, heißt es. Auch Föll sagte unserer Zeitung auf Nachfrage: „Ich finde seinen Werdegang überzeugend, und ich glaube, Herr Saier kann uns weiterbringen.“ Er komme von einem Weingut vergleichbarer Größe, habe dort mit Steillagen Erfahrungen gemacht und Maßnahmen in Richtung ökologischer Weinbau ergriffen. Er kenne Betriebsaufbau, Betriebsorganisation, Qualitätssteigerung, Markenentwicklung und Verkauf.

Kurzum: Saier eilt der Ruf voraus, er könne Weine machen und sie auch verkaufen. Vielleicht sogar Bioweine? Da er beim Weingut Holger Hagen in Richtung Ökoweine agierte, dürfte Saiers Amtsantritt die Hoffnungen beflügeln, die im Jahr 2010 die Grünen schon einmal formuliert haben: dass das städtische Weingut zum Bioweingut wird.

Der Neue hat großen Gestaltungsspielraum

An dem Punkt aber gibt Föll den Bedenkenträger und Bremser. Vielleicht könne es in einigen Jahren einmal bei Bioweinen enden, vielleicht aber auch nicht. Die Umstellung sei langwierig, und man wisse nicht, ob komplette Bioweine den Verbrauchern munden würden. Was sich Föll aber schon erwartet, sind weitere Schritte in Richtung ökologischer Weinbau.

Eindeutige Vorgaben gibt es für Saier augenscheinlich aber nicht. Er soll sich, sobald er in Stuttgart ist, um die Strukturen beim Weingut und um die Einstufung der acht Mitarbeiter kümmern. Wie er sich die Aufgaben einteilt, ob er selbst als Kellermeister fungieren will oder sich auf die Leitung des Weinguts und den Vertrieb konzentriert, sei noch offen, heißt es.

Klar ist: Er hat Gestaltungsmöglichkeiten. Der angestammte Kellermeister des Weinguts ist Ende Mai ausgeschieden. Die Stelle kann so wieder ausgeschrieben werden, aber auch die Einstellung eines Teilzeitkellermeisters neben dem Chef oder eines Weinbaumeisters scheint denkbar. Oder ein anderes Stellenprofil etwa im Bereich Vertrieb. Fürs Erste scheint vorgesorgt. Mit dem jungen Wengerter Frank J. Haller, der das Weinmachen bei Hans Haidle im Remstal lernte, sein eigenes kleines Weingut bewirtschaftet und als eine Art Nothelfer zum Weingut der Stadt Stuttgart geholt worden ist, steht bis auf Weiteres noch ein Kellermeister auf 50-Prozent-Basis zur Verfügung. Der Vertrag mit Haller, der Ende Dezember 2015 auszulaufen drohte, ist befristet verlängert worden – bis Ende 2016.

Kellermeister ist ausgeschieden

Ein paar Monate später wird man von Saier ein Betriebskonzept erwarten. Und zwar eines, wie Föll es formuliert, das qualitativ gute Weine hervorbringe, die einen Markt finden. Die wirtschaftlichen Ergebnisse müssten besser werden. Es müsse aber nicht unbedingt eine schwarze Null herauskommen. Weinbau sei immer ein Geschäft mit mittlerer bis langfristiger Perspektive, und nach dem Neustart eines Weinguts brauche es mehrere Jahre, bis sich der Kurs tragen könne. Da es auch einen glasklaren Beschluss des Gemeinderats gegen Privatisierungsbestrebungen gebe, ist nach Fölls Meinung in den nächsten vier bis fünf Jahren jede Diskussion über die Zukunft des städtischen Weinguts überflüssig, wie er auf Nachfrage sagte.

Hoffnungsfrohe Stadträte

Das dürfte Zustimmung beim Gemeinderat finden. Das Weingut habe jetzt alle Chancen, sich gut für die Zukunft aufzustellen, meint Hans H. Pfeifer, der Fraktionsvize der SPD. Unter Beobachtung stehe es immer, weil es in der Vergangenheit ein sechsstelliges Minus produziert habe, wenngleich das mit Umständen wie Hagelverlusten oder auch Bewirtschaftung von Steillagen zu tun gehabt habe. Ganz ähnlich wird die Entwicklung von den Grünen und der CDU eingeschätzt.