Die Kissen dieser Pföaster sind mit Maden gefüllt. Die Maden verzehren die abgestorbenen Hautzellen und sondern dabei ein Sekret ab, das die Heilung der offenen Wunde beschleunigen soll. Foto: dpa

Die Vorstellung, dass sich in Wunden Fliegenlarven tummeln, scheint eher aus einem Horrorfilm zu stammen, denn aus der Medizin. Und doch werden in einigen Kliniken die weißen Maden zur Wundheilung eingesetzt.

Regensburg - Werner Eibl liegt entspannt im Bett, während ein Team der Universitätsklinik Regensburg die große, längliche Wunde begutachtet, die an der Innenseite seines Beins verläuft. „Der Patient leidet an einer Wundheilungsstörung“, erklärt die Gefäßchirurgin Beatrix Cucuruz. und deutet auf einen Bereich am Unterschenkel, auf dem sich eine rotgelbliche Schicht gebildet hat.

Um die Wunde zu reinigenund die Heilung zu fördern, setzt die Ärztin auf so genannte Biochirurgen, nämlich Fliegenlarven: Ein kleines weißes Säckchen, das an einen Teebeutel erinnert, liegt in dem Wundspalt. Darin winden sich rund 50 Larven. Man muss schon sehr genau hinschauen, um die winzigen dunklen Pünktchen zu erkennen, die ihre Köpfe sind. Die Tierchen wurden eigens für den Patienten bestellt: Sie werden von einer Firma in Norddeutschland unter sterilen Bedingungen gezüchtet und an Kliniken verschickt. Verwendet werden nur Larven der gelbgrünlich schillernden Goldfliege (Lucilia sericata).

Schon die Ureinwohner Australiens heilten mit Larven

Die sogenannte Fliegenlarventherapie ist ein uraltes Verfahren. Sowohl von den Aborigines als auch den Maya ist überliefert, dass sie die Larven zur Wundreinigung nutzten. Im 19. Jahrhundert wurden Larven auch hierzulande gezielt eingesetzt. Doch mit Einführung der Antibiotika geriet die Therapie in Vergessenheit. Erst ab den 1980er Jahren erlebte sie, zunächst in den USA und in Großbritannien, eine Renaissance.

„Mit ihrem Speichel verflüssigen die Larven abgestorbenes Gewebe und saugen es dann in sich hinein. Dabei werden die Bakterien abgetötet“, erklärt der pflegerische Leiter Thomas Bonkowski der Uniklinik Regensburg. Das Madensekret enthält Substanzen, die antimikrobiell wirken und selbst Antibiotika-resistenten Keimen den Garaus machen können. Nicht nur das. „Inzwischen weiß man auch, dass die Wundheilung durch die Larventherapie gefördert wird“, sagt Bonkowski. Die Verdauungssäfte der Maden enthalten nämlich auch Stoffe, die offenbar die Wundheilung anregen.

Nach vier Tagen ist die Therapie meist beendet

Die Maden tragen nur totes Gewebe ab. Und das tun sie mit einem bemerkenswerten Appetit: Nach vier Tagen, wenn die Therapie beendet ist, haben sich die Larven hundertfach vergrößert. „Sie sind dann etwa so groß wie die Würmer, die man zum Angeln nimmt“, so Bonkowski. Dann werden sie abgesammelt und entsorgt.

Von den Maden selbst spüre er nichts, versichert der Patient Peter Eib. Auch graust es ihm nicht vor ihnen. Damit sei er keine Ausnahme, sagt Bonkowski. „Früher hatten Patienten manchmal Angst, wenn wir ihnen die Larventherapie vorschlugen.“ Maden hätten Assoziationen mit Verwesung geweckt. „Heute sind die meisten aber sehr aufgeschlossen. Manche verlangen sogar explizit nach der Therapie, weil sie schon Positives davon gelesen haben.“

Experten sind die Meinung, dass die Maen-Therapie Antibiotika einspart

In der Tat beurteilen auch einige Wissenschaftler die Behandlungsmethode positiv. „Ich bin überzeugt davon, dass es sich hier um eine wichtige ergänzende Therapie zur Wundbehandlung handelt“, sagt zum Beispiel der Hautarzt Pietro Nenoff vom Laboratorium für medizinische Mikrobiologie in Mölbis. Gerade Diabetiker mit schwer heilenden Fußgeschwüren profitierten davon. „Ein Vorteil ist, dass man Antibiotika sparen kann. Außerdem ist die Methode leicht zu handhaben und verkürzt die Behandlung“, sagt der Mikrobiologe. Auch andere Studien belegen den Nutzen der Larventherapie gut ab: Geschwüre, die so behandelt wurden, heilten verglichen mit konventionellen Therapien schneller und besser.

Da die Zahl der Studien sowie deren Teilnehmergrößen klein waren, ist die Aussagekraft der Analyse allerdings begrenzt. Auch in der Leitlinie zur Lokaltherapie chronischer Wunden wird die Fliegenlarventherapie zurückhaltend beurteilt. So sei die Wundreinigung durch Larven verglichen mit Hydrogel – einem alternativen Verfahren – schneller. Dass die Wunden aber auch besser heilten, sei nicht belegt.

Nicht alle Wunden kommen für diese tierische Therapieform in Frage

Daher spielt es eine Rolle, welche Erfahrungen Ärzte mit der Behandlung machen. Nenoff zum Beispiel begleitete eine 62-jährige Patientin, die nach einem Treppensturz chronische, entzündete Wunden an beiden Unterschenkeln hatte. Herkömmliche Methoden halfen ihr nicht, doch eine umfangreiche elftägige Larventherapie – gefolgt von einer Wundbehandlung mit Auflagen, die Alginate (aus Braunalgen gewonnene Stoffe) enthielten – hatte Erfolg. „Die Patientin war darüber froh und dankbar“, sagt Nenoff. „Wenn man mit anderen Mitteln nicht weiter kommt, ist die Larventherapie eine gute Behandlungsmöglichkeit.

Aber sie kommt nicht für alle Patienten in Frage: Wenn an den Wunden zum Beispiel Bakterien der Spezies Pseudomonas aeruginosa siedeln, kann man keine Maden einsetzen: Die Mikroben töten die Larven ab. Vor Beginn einer solchen Therapie wird daher immer ein Abstrich der Wunde genommen.

Auch im Uniklinikum Regensburg wird so verfahren. Dort hat man insgesamt sehr gute Erfahrungen mit der Larventherapie gemacht: „Es ist einfach interessant zu sehen, wie sauber die Wunde dadurch wird“, sagt die Gefäßchirurgin Beatrix Cucuruz. Für den Patienten Werner Eibl sind die Maden eine große Hoffnung. Dass manche angeekelt reagieren könnten, ist ihm einerlei. Hauptsache seine Wunde verheilt gut.

Ob Brand-, Platz- oder Schürfwunde: So versorgt man kleine Verletzungen selbst

Wie man kleine Wunden versorgt

Schnittwunden: Die Wundränder mit einem Pflaster gut zueinander bringen. Bei Schnitten länger als ein Zentimeter helfen Kompressen und Schnellverbände.

Schürfwunden: Die richtige Wahl sind desinfizierende Sprühpflaster aus der Dose. Zuvor muss die Wunde aber gereinigt werden – etwa mithilfe von fließendem Wasser oder Einmalpinzetten.

Platzwunden: Platzwunden müssen vom Arzt versorgt werden. Für die Erstversorgung empfiehlt es sich, die Wunde zu desinfizieren und mit einer sterilen Kompresse abzudecken. Bei heftigen Blutungen müssen diese erst mit einem Druckverband gestoppt werden.

Brandwunden: Ob Verbrühung oder Brandwunden – der Schaden ist derselbe: Die oberste Hautschicht hat sich geöffnet und ist somit extrem anfällig für Infektionen. Als Sofortmaßnahme sollte man die Wunde kurz unter kühlem Wasser kühlen. Dann ein Brandwundentuch auflegen. Ist die betroffene Hautpartie größer als eine Handfläche oder an einer sehr sensiblen Körperstelle wie Hand, Füße oder Gesicht, sollte man sofort zum Arzt gehen.

Bisswunden: Bei solchen Wunden besteht eine hohe Infektionsgefahr, denn mit den Zähnen dringen auch Bakterien und Viren ein. Auch wenn Betroffene auf den ersten Blick nicht erkennen können, ob eine medizinische Behandlung erforderlich ist, sollte man den Arzt aufsuchen.

Medizinische Hilfe: Braucht man außerhalb der normalen Sprechzeiten des Hausarztes Hilfe, kann man den ärztlichen Bereitschaftsdienst der Kassenärztlichen Vereinigung um Rat bitten. Die bundesweite Rufnummer lautet: 11 61 17. Bei Kopfverletzungen, heftig blutenden Wunden und gefährlichen Unfällen sollte man den Rettungsdienst alarmieren: 112. http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.verbrennungen-50-grad-reichen-zur-verbrennung.a4010d3e-3c79-4cf6-8f97-a19b8510d447.html