Nicht nur Guido Kratschmer gelangen Höhenflüge im Fleinsbachstadion in Bernhausen Foto: Baumann

Drei Weltrekorde, ein Europarekord und etliche Ergebnisse für die ewigen Bestenlisten – Mehrkampf-Höhepunkte gab es im Fleinsbachstadion viele. „Es ist ein faszinierender Ort“, sagt der ehemalige Zehnkämpfer Paul Meier.

Filderstadt - Um Worte war und ist Paul Meier eigentlich nie verlegen: Beim deutschen Zehnkampf-Team gibt er als Präsident den Ton an, als aktiver Leichtathlet zog er bei der Weltmeisterschaft in Stuttgart ein ganzes Stadion in seinen Bann, doch wenn der WM-Dritte von 1993 das besondere Flair des Fleinsbachstadion in Filderstadt-Bernhausen begründen soll, tut er sich mit einer Beschreibung schwer. „Es ist ein faszinierender Ort. Es gibt einfach Stadien, die sind besonders motivierend“, sagt er. Bernhausen ist einer von ihnen.

Die Mehrkämpfer sind die Könige der Leichtathletik, das Fleinsbachstadion ist ihr Königreich. Drei Weltrekorde und ein Europarekord wurden in Bernhausen aufgestellt. „Hier wurden Meilensteine der Sportgeschichte geschrieben“, sagt Klaus Rehe, Vorsitzender der LG Filder. Eva Willms (heute Eva Rapp) machte 1977 im Fünfkampf den Anfang. Weltrekord mit 4823 Punkten. Zehnkämpfer Guido Kratschmer stellte nach seinem Europarekord 1978 zwei Jahre später mit 8649 Punkten eine weitere Welt-Bestleistung auf. 1983 toppte Jürgen Hingsen diese noch mit 8825 Punkten.

"Ich habe nur gute Erinnerungen an Bernhausen"

In Bernhausen werden aber auch heute noch Leistungen für Bestenlisten erbracht: Erst Anfang Juni. Beim Internationalen Juniorenmeeting stellte Niklaus Kaul vom USC Mainz einen nationalen Rekord in der Altersklasse U 18 auf. Die alten Rekorde sind jedoch nicht vergessen. „Es ist 35 Jahre her, aber es fühlt sich an, als sei das alles gestern gewesen“, sagt Guido Kratschmer, der heute als Privatier in Zornheim in der Nähe von Mainz lebt. „Ich habe nur gute Erinnerungen an Bernhausen, auch wenn ich dort den schwersten Zehnkampf meiner Karriere hatte“, sagt er.

Es war 1980: Deutschland boykottierte die Olympischen Spiele in Moskau. „Ich war nur noch niedergeschmettert“, erzählt der heute 62-Jährige, bis die Enttäuschung dem Ärger wich. Mit viel Wut im Bauch und einem besonderen Plan fuhr er nach Bernhausen: Er wollte mit Ansage einen Weltrekord aufstellen. „Ich war überhaupt nicht locker“, sagt Kratschmer, „es war wirklich happig.“ Aber es hat funktioniert.

Solche Geschichten sind es, die Zehnkämpfer und Siebenkämpferinnen bei Wettbewerben in Filderstadt seither antreiben. „Man kommt in das Stadion und weiß um die Resultate, die hier erzielt worden sind“, sagt Paul Meier. Ihn habe aber immer noch etwas anderes beflügelt: „Hier wird alles für den Athleten getan: Die Zuschauer sind fachkundig. Der Zeitplan ist optimal, die Anlagen sind top in Schuss und das Wetter ist eigentlich auch immer gut“, erklärt der Zehnkampf-Präsident. „Und irgendwie wirkt die 400-Meter-Bahn auch nicht so lang wie in anderen Stadien“, sagt Meier schmunzelnd. „Die Liebe steckt in Bernhausen eben im Detail“, ergänzt Kratschmer.

Deshalb wird an diesem Samstag und Sonntag zum fünften Mal der Thorpe-Cup auf den Fildern ausgetragen, ein Team-Ländervergleich zwischen Deutschland und den USA. Die zweite Reihe der Mehrkämpfer soll internationale Wettkampferfahrung sammeln. „Rein nominell sind die Amerikaner in diesem Jahr besser besetzt, aber wir wollen den Thorpe-Cup gewinnen“, sagt Paul Meier. Auch die Frauen wollen die USA in Bernhausen besiegen.

Die Weltklasse-Leute sind übrigens ebenfalls dabei. Zumindest in einigen Disziplinen. Kai Kazmirek, Michael Schrader, Rico Freimuth, Claudia Rath, Carolin Schäfer und Jennifer Oeser wollen sich auf dem Weg zur Weltmeisterschaft in Peking Ende August den letzten Feinschliff holen und dabei den Flair von Bernhausen mitnehmen für den Medaillenkampf in Peking.

Nachgefragt: Zehnkämpfer René Stauß

Zehnkämpfer René Stauß von der LAV Stadtwerke Tübingen setzt beim Thorpe-Cup auf den Teamgeist:
Herr Stauß, auf dem Papier sind die USA etwas besser besetzt. Wie gleichen Sie das aus?
Wir haben eine tolle Mannschaft, mit einem guten Teamgeist. Das zeichnet uns aus und macht uns stark. Wir müssen uns auch nicht vor den Amerikanern verstecken. Mathias Brugger und Jan Knobel können mehr als 8000 Punkte erzielen, wenn sie fit sind. Wir haben den Thorpe-Cup die letzten fünf Mal gewonnen, jetzt wollen wir den Pott zum sechsten Mal, wir wollen ihn verteidigen und wir werden ihn holen.
Was bedeutet die Teilnahme für Sie?
Es ist eine große Ehre im Nationaltrikot zu starten und ein Ansporn. Bei den letzten beiden Thorpe-Cups ist mir jeweils eine persönliche Bestleistung gelungen. Auch in Bernhausen will ich zum Saisonabschluss einen guten Wettkampf abliefern. Ich hatte ein tolles Jahr, habe unter anderem bei der Universiade Bronze gewonnen.
Wie sehen Ihre Pläne für die Zukunft aus?
Ich schaue von Saison zu Saison. Ich bin 28 Jahre alt, arbeite Vollzeit beim Württembergischen Leichtathletik-Verband als Bildungsreferent. Olympia ist nächstes Jahr kein Thema für mich, aber mit der Europameisterschaft liebäugle ich. Und mit einem weiteren Einsatz beim Thorpe-Cup.