Muttermale oder Leberflecke hat jeder Mensch. Doch aus diesen Pigmentmalen kann sich ein bösartiger Hauttumor entwickeln. Mit 195 000 Neuerkrankungen in Deutschland gehört Hautkrebs zu den häufigsten Krebsarten Foto: Fotolia/©

Krebs aufzuspüren, solange er heilbar ist – das ist ein Traum der Medizin. Heutzutage gibt es sieben kassenfinanzierte Untersuchungen für die Krebsvorsorge. Welche Chancen und Risiken sie bergen, erklären Experten des Stuttgart Cancer Center (SCC) – Tumorzentrum Eva Mayr-Stihl.

Brust

Was, wenn in der Brust ein Vorbote von Krebs lauert? Statistisch gesehen erkrankt jede zehnte Frau in Deutschland im Laufe ihres Lebens an Brustkrebs. In Zahlen sind das 60 000 Neuerkrankungen pro Jahr. „Meist trifft die Diagnose Frauen ab dem 50. Lebensjahr“, sagt Ulrich Karck, Ärztlicher Direktor der Frauenklinik am Klinikum Stuttgart. Doch schon 30-Jährige werden zur Vorsorgeuntersuchung aufgefordert: Je früher eine bösartige Wucherung entdeckt wird, umso besser sind auch die Heilungschancen. Das gilt besonders für Frauen, die aufgrund einer erblichen Belastung ein höheres Risiko haben, Brustkrebs zu entwickeln. Diese liegt bei einer von 500 bis 1000 Frauen vor.

Vorsorge

Tastuntersuchung der Brust: Frauen können ab dem 30. Lebensjahr ihre Brust von einem Frauenarzt abtasten lassen. Vorteil: Die Untersuchung ist schmerzfrei und befördert, dass Frauen die Brust selbst abtasten.Nachteil: Die Tastuntersuchung ist zu ungenau, Tumore bleiben unentdeckt. Fazit: Als alleinige Maßnahme ungeeignet, sagt Ulrich Karck.

Mammografie-Screening: Bei dieser Untersuchung – zu der Frauen zwischen 50 und 69 Jahren alle zwei Jahre eingeladen werden – wird die Brust geröntgt. Bei unklarem Befund wird eine Gewebeprobe entnommen.Vorteil: Einige international Studien konnten belegen, dass die Sterblichkeit gesenkt werden kann: Die Karzinome werden früher entdeckt, die Heilungschancen sind dadurch besser. Die Strahlenbelastung ist dabei sehr gering.Nachteil: Vor allem bei Frauen mit hoher Brustdichte werden Tumore übersehen. Andererseits erweist sich die Gewebeprobe, die bei unklarem Befund entnommen wird, bei 50 bis 60 Prozent der Frauen als harmlos. Bei den Frauen, die aufgrund des Screenings eine Brustkrebs-Diagnose erhalten haben, wäre bei jeder achten der Krebs gar nicht bedeutsam geworden. Hinzu kommen die sogenannten In-situ-Karzinome, bestimmte Krebsvorstufen, aus denen sich zu zwei Dritteln Brustkrebs entwickelt. Da man dies nicht vorhersagen kann, müssen alle In-situ-Karzinome behandelt werden. Fazit: Empfehlenswert. „Frauen sollten aber genau das Für und Wider für sich abwägen“, sagt Ulrich Karck.

Ultraschall: Bislang ist die Brustuntersuchung per Ultraschall eine individuelle Gesundheitsleistung. Vorteil: Bei Frauen mit dichtem Brustgewebe werden teilweise Tumore gefunden, die man beim Tasten und bei der Mammografie nicht entdeckt hatte.Nachteil: Fehldiagnosen aufgrund falschen Umgangs mit dem Ultraschallgerät Fazit: Als zusätzliche Maßnahme zur Mammografie geeignet – „wenn der Frauenarzt über ein gutes Gerät und viel Erfahrung verfügt“, sagt Karck.

Vorsorge

HPV-Impfung: Zur Krebsvorbeugung, empfiehlt das Robert-Koch-Institut die Impfung aller Mädchen zwischen 12 und 18 Jahren.Vorteil: Laut Studien kann die HPV-Impfung die Häufigkeit von Krebsvorstufen um bis zu 70 Prozent und Gebärmutterhalskrebs um 70 Prozent verringern. Nachteil: Bislang wirkt die Impfung nur gegen zwei Subtypen der Papillomviren – krebserregend sind aber mindestens zwölf. „In den USA wurde aber ein neuer Impfstoff zugelassen, der gegen sieben Subtypen wirkt – und auch gegen Genitalwarzen“, so der Ärztliche Direktor der Frauenklinik, Klinikum Stuttgart, Ulrich Karck. Fazit: Zu empfehlen. „Wenn die Impfung flächendeckend vorgenommen wird, braucht es künftig keine weiteren Tests mehr“, sagt Karck.

Zellabstrich (Pap-Test): Der Arzt entnimmt Zellmaterial von Muttermund und Gebärmutterhalskanal. Dieser Abstrich wird in einem Labor untersucht. Bei der Dünnschicht-Testung wird der Abstrich aufbereitet, um fehlerhafte Proben zu vermeiden. Das Vorgehen kostet aber extra. Vorteil: Bisher kam es zu wenigen Überdiagnosen. Nachteil: Beim herkömmlichen Pap-Test wird nur jeder zweite Krebs wird entdeckt. „Oft wird der Test nicht optimal durchgeführt“, sagt Karck. Mit einer Dünnschicht-Testung sollten diese Fehler vermieden werden, „aber das ist von der Erfahrung des Untersuchers abhängig.“ Fazit: „Ist der Frauenarzt erfahren, reicht ein normaler Pap-Test als Vorsorgemaßnahme aus“, sagt Karck.

HPV-Test: Der Test weist HP-Viren in Zellen des Gebärmutterhalses nach. Kam es zur Infektion, ist das Krebsrisiko erhöht. Der Test kostet extra.Vorteil: Bei einem negativen HPV-Test ist eine bösartige Vorstufe oder Krebs unwahrscheinlich. Nachteil: Überdiagnosen sind möglich. Mehr als 90 Prozent aller HPV-Infektionen führen nicht zum Gebärmutterhalskrebs. Fazit: Als Standardverfahren eher ungeeignet, warnt Ulrich Karck. „Der HPV-Test ist sinnvoll, wenn es um einen gezielten Einsatz geht.“

Gebärmutterhalskrebs

Haut

Haut

Muttermale oder Leberflecke hat jeder Mensch. Doch aus diesen Pigmentmalen kann sich ein bösartiger Hauttumor entwickeln. Mit 195 000 Neuerkrankungen in Deutschland gehört Hautkrebs zu den häufigsten Krebsarten: „Das maligne Melanom der Haut, schwarzer Hautkrebs, ist eine der bösartigsten Formen“, so Malte-Christian Thode, leitender Oberarzt der Klinik für Dermatologie und Allergologie im Krankenhaus Bad Cannstatt, Klinikum Stuttgart. Ursache ist meist zu hohe UV-Strahlung. Pro Jahr erkranken daran mehr als 18 000 Bundesbürger. Zum weißen Hautkrebs zählen das Basalzellkarzinom und das Plattenepithelkarzinom.

Vorsorge

Hautuntersuchung: Um Hautkrebs frühzeitig zu erkennen, haben Menschen ab dem 35. Lebensjahr alle zwei Jahre den Anspruch auf eine Hautarzt-Untersuchung. Das Ziel eines solchen Screenings ist es, die Heilungschancen zu steigern und Operationen sowie Behandlungen zu verringern. Das entlastet auch die Kosten für das Gesundheitssystem. Viele Kassen bieten diese Untersuchung daher auch ohne Altersbeschränkung an. Vorteil: Die Untersuchung ist absolut schmerzfrei. Nachteil: Laut der Deutschen Krebshilfe erweist sich beim Hautkrebs-Screening nur jeder fünfte herausgeschnittene Leberfleck als bösartig. Nicht jedes Melanom wird erkannt: Statistisch ergibt sich eine Fehlerquote von zehn Prozent. Fazit: „Das kassenfinanzierte Screening umfasst meist nur die Hautinspektion“, sagt Malte-Christian Thode. Die meisten Pigmentale können aber nur mit Hilfe der Auflichtmikroskopie und darin geschulter Dermatologen sicher beurteilt werden.

Hautkrebs

Darm

Darm

Wer zu dick ist und auch noch raucht, erhöht die Wahrscheinlichkeit, an Darmkrebs zu erkranken. Pro Jahr wird in Deutschland bei 70 000 Menschen ein Tumor entdeckt. „Die meisten entstehen spontan“, sagt Tilo Andus, Ärztlicher Direktor der Klinik für Allgemeine Innere Medizin, Gastroenterologie, Hepatologie und internistische Onkologie im Krankenhaus Bad Cannstatt, Klinikum Stuttgart. Bei zehn Prozent der Betroffenen liegt eine familiäre Belastung vor, für die auch genetische Faktoren eine Rolle spielen können. Fast jeder Darmkrebs entsteht aus erst gutartigen Zellwucherungen der Darmwand. „Werden diese entfernt, lässt sich eine Krebsentstehung verhindern“, sagt Tilo Andus.

Vorsorge

Löschblatttest: Ab dem 50. Lebensjahr kann jeder seinen Stuhl auf verstecktes Blut untersuchen lassen – ein Symptom, das auf Krebs hinweisen könnte. Schon ein einziger positiver Test muss durch eine Darmspiegelung abgeklärt werden. Vorteil: Die Darmkrebs-Sterblichkeit wird um bis zu 30 Prozent gesenkt.Nachteil: Er kann keine gutartigen Vorstufen entdecken. Auch nicht jeder Tumor blutet – diese werden dann übersehen. Zudem muss bei einem positiven Löschblatt- oder Hämoccult-Test noch kein fortgeschrittener Tumor vorliegen. Fazit: Als alleinige Maßnahme ungeeignet, so Daniel Halevy, Oberarzt in der Klinik für Allgemeine Innere Medizin, Krankenhaus Bad Cannstatt, Klinikum Stuttgart.

Darmspiegelung: Bei der Koloskopie wird der Dickdarm mit einem dünnen Schlauch, an dem sich eine Kamera befindet, nach Zellwucherungen untersucht. Diese lassen sich sofort entfernen. Vor dieser Untersuchung muss der Patient Abführmittel einnehmen.Vorteil: Werden die Vorstufen bei der Darmspiegelung entfernt, kann eine spätere Krebsentstehung in den meisten Fällen verhindert werden. Nachteil: In seltenen Fällen kann es bei der Koloskopie zu Komplikationen wie Blutungen kommen – etwa durch Verletzungen der Darmwand. Sie treten etwa bei 0,2 von 1000 Untersuchungen auf. Fazit: Die Darmspiegelung kann als Vorsorge empfohlen werden, sagt der Oberarzt Daniel Halevy. Für die Bewertung anderer Maßnahmen, die für die Darmkrebsvorsorge als individuelle Gesundheitsleistung (IGeL) angeboten werden – etwa genetische Stuhltests, M2-PK-Enzym-Stuhltest, computertomographische Kolonographie oder Kapselendoskopie – ist die Datenlage noch nicht ausreichend.

Darmkrebs

Prostata

Prostata

Mit 64 000 Neuerkrankungen pro Jahr ist Prostatakrebs die häufigste Krebserkrankung bei Männern – und die Zahlen steigen. Das hat zweierlei Gründe: Das Risiko einer Krebserkrankung erhöht sich im Alter. Es werden aber neben der von den Krankenkassen gezahlten Tastuntersuchung auch verstärkt PSA-Tests zur Früherkennung angeboten, die der Patient selbst zahlen muss. So werden schon viele Tumore frühzeitig erkannt, was ebenfalls zu einer höheren Statistik beiträgt.

Vorsorge

Tastuntersuchung: Der Arzt untersucht die Genitalien und tastet die Prostata über den Enddarm ab. Vorteil: schmerzfrei und risikolos. Zudem gibt es seltene Tumore, die über den PSA-Wert nicht zu ermitteln und nur mittels Abtasten zu finden sind.Nachteil: Tumore, die aufgrund des Tastens gefunden werden, sind in aller Regel weiter fortgeschritten. Das verschlechtert die Heilungschancen. Fazit: „Die Tastuntersuchung ist Bestandteil einer sinnvollen Prostatavorsorge“, sagt Ulrich Humke, Ärztlicher Direktor der urologischen Klinik des Katharinenhospitals, Klinikum Stuttgart. „Als alleinige Maßnahme ist sie jedoch nicht empfindlich genug, da frühe bösartige Veränderungen und solche, die auf der dem Finger abgewandten Seite der Prostata liegen, nicht oder zu spät erkannt werden.“

PSA-Test: Anhand einer Blutprobe wird gemessen, wie hoch der Wert des Prostata-spezifischen-Antigens (PSA) ist. Dabei handelt es sich um einen Eiweißstoff, der von der Prostata gebildet wird. Hat sich die Prostata gutartig vergrößert, sich entzündet oder hat sich ein Tumor gebildet, erhöht sich auch der PSA-Wert. Vorteil: Der PSA-Test ist in der Lage, die Sterblichkeit zu senken. Nachteil: „Ein erhöhter PSA-Wert besagt nichts, der Verlauf über die Zeit ist wichtig“, sagt Humke. Bleibt der Wert erhöht, schafft eine Gewebeprobe Sicherheit. Der PSA-Test kann auch zur Übertherapie führen: „Gefährliche Tumore können nicht immer von langsam wachsenden unterschieden werden, die nicht zum Tod des Patienten geführt hätten“, so Humke. Mögliche Nebenwirkungen der Therapie können so auch Männer treffen, denen man diese hätte ersparen können. Fazit: „PSA ist bis heute das effektivste Mittel bei der Suche nach Prostatakrebs“, sagt Humke. Für Männer, die Beschwerden beim Wasserlassen haben, ist es empfehlenswert. Hilfreich ist die Bestimmung eines PSA-Wertes im Alter von 45 Jahren und dann ab 50 Jahren in flexiblen Abständen.

Prostatakrebs