Gesunde Ernährung ist für Krebspatienten wichtig. Es dürfen aber auch fetthaltige Gerichte sein, damit der Körper nicht zusätzlich abmagert. Foto: dpa

Mit komplementären, also ergänzenden, Therapien zur Schulmedizin können Betroffene selbst etwas im Kampf gegen den Krebs tun – etwa mit Sport und der Ernährung. Doch auch die Psyche bedarf der Pflege, sagen Experten.

Ernährung

Sich gesundessen, geht das? Bei den Chinesen gilt Essen seit jeher als Garant für Gesundheit und ist als Heilmittel anerkannt. Und gerade an Krebspatienten richten sich hierzulande umfangreiche Ratgeber und Kochbücher, die unter dem Namen „Krebsdiät“ zeigen wollen, wie man sich ernähren sollte, um den Heilungsprozess voranzutreiben. Aber stimmt das auch?

Die Antwort der Experten seitens der Deutschen Gesellschaft für Ernährung und der Deutschen Krebsgesellschaft lauten einhellig: Nein. „Keine Diät, wie immer sie auch geartet ist, kann eine Krebserkrankung heilen“, sagt Anja Dehl, Ernährungswissenschaftlerin vom Ernährungsteam am Klinikum Stuttgart. Sie können sogar Schaden anrichten, „da sie zum Teil sehr einseitig sind, Lebensmittelgruppen auslassen und dem Anwender viele wichtige Nährstoffe vorenthalten.“

Doch was sollte Krebspatienten dann aufgetischt werden? Für den Großteil gilt: das, was ihnen schmeckt, sagt Anja Dehl. Doch gerade während einer Chemotherapie ist der Appetit bei vielen Patienten nicht wie sonst und auch der Geschmack verändert sich. „Alles schmeckt nach Pappe, Fleisch ruft plötzlich Ekel hervor“, sagt Anja Dehl.

Manche reagieren empfindlich auf Essen, das stark riecht oder sehr gewürzt ist. Zudem ist bei vielen Patienten aufgrund der Medikamente die Mundschleimhaut angegriffen, was das Kauen und Schlucken erschwert.

Bevor die Lust am Essen dann schwindet und eine Mangelernährung droht, empfiehlt Anja Dehl, säurearme Obst- oder Gemüse-Smoothies zu servieren. Insbesondere Patienten mit Bauchspeicheldrüsen-, Magen- oder Lungenkrebs. Denn sie haben häufig keinen Appetit – und selbst wenn sie etwas essen, nehmen sie aufgrund tumorbedingter Stoffwechselstörungen nicht zu.

Damit sie nicht völlig abmagern und ihr Körper zu schwach wird, um sich gegen den Krebs zu wehren, sollten die nötigen Kalorien in vielen kleinen Portionen serviert werden, sagt die Ernährungsexpertin Anja Dehl.

Sie empfiehlt fettreiche Snacks wie Rührei, Sahnetorte, Schokoriegel, Sahnejoghurt oder Käsewürfel. Zudem lässt sich so manches Gericht mit Sahne, Rapsöl oder Butter zusätzlich anreichern. „Sich beim Essen abzulenken kann zusätzlich helfen“, sagt Dehl.

Kalorienarm sollten dagegen die Mahlzeiten bei Frauen sein, die an hormonbedingtem Brustkrebs leiden. Denn die Antihormontherapie führt in vielen Fällen zu einer Gewichtszunahme.

Grundsätzlich gilt aber für alle Krebspatienten: „Wer während der Therapie ansonsten gesund und ausgewogen isst, mit viel Fisch und wenig Fleisch sowie viel Obst und Gemüse, und obendrein sein Gewicht hält, muss sich über seine Ernährung keine Gedanken machen“, sagt Dehl.

Infos zum Thema Ernährung und Krebs hat die Deutsche Krebshilfe in Broschüren zusammengestellt: www.krebshilfe.de. Der Krebsinformationsdienst beantwortet ebenfalls die wichtigsten Fragen zum Thema Ernährung und Krebsdiät: www.krebsinformationsdienst.de.

Sport

Jan Schleicher macht seinen Schützlingen Beine: Wer als Krebspatient zu dem Leitenden Oberarzt der Klinik für Hämatologie, Onkologie und Palliativmedizin kommt, für den gibt es keine Bettruhe. Hier, im Katharinenhospital Stuttgart, wird geradelt, gerannt und gerudert. Trainiert wird mehrmals pro Woche. „Man darf hier ruhig ins Schwitzen kommen“, sagt Schleicher. Ärzte und Pfleger stehen bereit, damit sich die trimmenden Patienten nicht überlasten. Jedes Training ist mit dem Arzt abgesprochen, die gesundheitlichen Daten werden dokumentiert. Die Werte sollen zeigen: Sport ist für Krebspatienten so wichtig wie ein Medikament.

„Noch vor wenigen Jahren riet man Krebspatienten, sich während und nach einer Therapie körperlich zu schonen“, sagt Schleicher. Dabei wirkt Nichtstun alles andere als heilsam auf den krebsgeschwächten Körper. Erste Studien zeigten bereits vor 20 Jahren: Patienten, die während einer Chemotherapie unter ärztliche Kontrolle trainierten, waren leistungsfähiger und litten langfristig weniger unter Nebenwirkungen als Krebspatienten, die sich schonten. Besonders gut erforscht ist dies bisher für Brust-, Darm- und Prostatakrebs, sagt Jan Schleicher. „Beispielsweise wurde gezeigt, dass körperliche Aktivität nach einer solchen Tumorerkrankung die Gefahr eines Rückfalls reduziert und die Wahrscheinlichkeit für eine dauerhafte Heilung erhöht.“

Die biologischen Mechanismen, die erklären, warum genau Sport einen direkten Einfluss auf Krebs hat, sind noch weitgehend unbekannt. Laut Schleicher führt körperliche Aktivität jedoch zur Ausschüttung verschiedener Botenstoffe, die unter anderem Entzündungsreaktionen hemmen. Entscheidend ist dabei auch ihre Wirkung gegen den oxidativen Stress, dem der Körper ausgesetzt ist: Moleküle, die als Abfallprodukt des Stoffwechsels entstehen, wirken aggressiv auf Zellen und deren Erbsubstanz. Irgendwann kommt der Körper mit der Reparatur nicht hinterher, Zellen werden zerstört oder entarten.

So gibt es bei Darmkrebs Hinweise, dass Sport die Polypenbildung im Darm hemmt. Polypen können zu bösartigen Tumoren entarten. Bei Frauen mit hormonabhängig wachsendem Brustkrebs senkt Sport den Östrogenspiegel in Blut und Gewebe – und unterstützt damit eine medikamentöse antihormonelle Therapie. Sport kann aber auch Depressionen und Ängsten vorbeugen, die Krebspatienten häufig während der kräftezehrenden Therapie befallen. Auch wird die Beweglichkeit nach einer Operation schneller wieder hergestellt und damit die Rückkehr in den Alltag erleichtert. Zu Risiken und Nebenwirkungen kann es aber auch beim Sport kommen – aber nur bei falscher Anwendung: Leukämiepatienten etwa sollten während ihrer Chemotherapie möglichst keine intensiven Sporteinheiten planen. Denn ihre Blutwerte können sich während der Behandlung verschlechtern, was die Leistungsfähigkeit einschränkt. Wichtig ist daher, immer erst Rücksprache mit dem Arzt zu halten, so Schleicher. Man muss wahrlich nicht zum Spitzensportler werden: „Ideal sind Ausdauersportarten wie Joggen oder Schwimmen“, sagt Schleicher. Aber wer gerne tanzt oder Rad fährt, trägt ebenfalls zum Heilungsprozess bei. „Jede Form der Bewegung ist besser, als nur dazusitzen.“

Sportangebote für Krebspatienten gibt es beim Landessportverband Baden-Württemberg, www.lsvbw.de, oder über Selbsthilfeorganisationen. 

Psyche

„Ich habe Krebs und keinen psychischen Knacks!“ – Antworten wie diese hört Johannes Becker-Pfaff häufig, wenn er im Klinikum Stuttgart Krebspatienten besucht. Der Psychotherapeut zeigt dann meist sein leises Lächeln. „Das weiß ich“, sagt er. „Ich wollte auch nur fragen, wie es Ihnen geht.“

Während Onkologen Chemotherapien und Bestrahlungen verordnen, kümmert sich Johannes Becker-Pfaff, Leitender Oberarzt in der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie im Bürgerhospital des Klinikums Stuttgart, um die Psyche. Jedes Jahr erkranken etwa 490 000 Menschen neu an Krebs, 221 000 sterben daran. Und die Erkrankung kann auch die Seele befallen – „bei weitem nicht bei allen“, sagt Becker-Pfaff. „Aber es gibt Patienten, die mit der Diagnose Krebs nicht gut umgehen können.“

Die Arbeitsgemeinschaft Psychosoziale Onkologie in der Deutschen Krebsgesellschaft schätzt den Anteil der Kranken, die Unterstützung brauchen, auf etwa 50 Prozent. Etwa weil mit der Diagnose auch die Furcht auftaucht, den Kampf gegen den Krebs nicht zu schaffen. Manche sorgen sich aufgrund der langwierigen Therapien um ihren Arbeitsplatz. Andere, die sich hauptsächlich um die Familie gekümmert haben, kämpfen nun mit dem Gefühl, ihre Angehörigen zu Hause im Stich zu lassen.

„Man kann mit uns über alles reden – über Ängste, Hoffnungen, Dinge, die einem peinlich sind“, sagt Becker-Pfaff. Männer beispielsweise, die nach einer Prostataoperation inkontinent oder impotent sind, leiden sehr darunter. Frauen wiederum leiden unter dem Verlust ihrer Haare aufgrund der Chemotherapie. Sie fühlen sich dann ihrer Weiblichkeit beraubt.

Internationale Studien zeigen, dass psychoonkologische Betreuung die Lebensqualität der Patienten verbessert. Inzwischen gehört an den zertifizierten Krebszentren in Deutschland eine psychoonkologische Beratung zum Behandlungsplan – auch am Stuttgart Cancer Center – Tumorzentrum Eva Mayr-Stihl, wo Johannes Becker-Pfaff als Psychoonkologe arbeitet. „Die Beratung ist für uns eine Möglichkeit, auch eine Kurzdiagnostik durchzuführen, ob da vielleicht eine depressive Verstimmung oder etwas anderes vorliegt“, sagt der Psychotherapeut. Ist das der Fall, wird dem Patienten geraten, diese behandeln zu lassen. Teils beginnen Becker-Pfaff und die Kollegen auch gleich mit der Therapie.

Denn eine unausgeglichene Psyche kann zu ungesundem Verhalten führen, was den Körper schwächt und die Heilung behindert. Umgekehrt gilt aber auch: Es gibt keine wissenschaftlichen Beweise, dass positives Denken den Krankheitsverlauf günstig beeinflusst. „Angst und Traurigkeit gehören zu dem Verlauf einer Krebserkrankung“, sagt Becker-Pfaff. Er rät Krebspatienten, trotz ihrer Krankheit auf ihre eigenen Kräfte und Erfahrungen zu vertrauen, sich nicht zurückzuziehen, sondern Kontakte aufrechtzuerhalten. Wichtig ist auch, die Ärzte direkt anzusprechen, wenn es einem nicht gut geht. „Wer das schafft, hat schon viel erreicht.“