Schüler des evangelischen Mörike-Gymnasiums setzen sich in ihrem neuen Theaterstück mit der Frage auseinander, wie sie sich verhalten würden, wenn Krieg wäre. Foto: Liviana Jansen

Schüler des Mörike-Gymnasiums beschäftigen sich in ihrem Stück „Was wäre wenn...“ mit ganz aktuellen Fragen.

S-Süd - Eine Mutter sucht verzweifelt nach ihrer Tochter, jemand krümmt sich hustend auf dem Boden, andere starren apathisch vor sich hin. Waren sie eben noch in der City und haben sich für Gesichtsmasken, Diäten und Shopping interessiert, sitzen sie nun in einem stickigen Bunker und warten auf das Ende der Luftangriffe auf Stuttgart. Noch ahnen sie nicht, was ihnen bevorsteht: die Flucht in ein arabisches Land und die Ankunft in einem Flüchtlingslager.

Mit Krisen wird wie mit „altbacken Brot“ umgegangen

Rund 30 Schüler zwischen 13 und 18 Jahren wirken an dem Stück mit, das der Leiters der Theater-AG des Mörike-Gymnasiums, der Deutsch- und Physik-Lehrer Michael Wolf, geschrieben hat. „Die Idee zu dem Stück hatte ich beim Lesen des Essays ‚Krieg, stell Dir vor, er wäre hier’ von Janne Teller“, erzählt Wolf. „In den Medien hört man täglich von Krisen, aber wann macht man sich schon mal bewusst, dass es eigentlich jeden treffen kann? Wir gehen heute doch mit Krisen um wie mit altbackenem Brot!“

Um das Szenario möglichst realistisch darzustellen, hat die Theater-AG den StZ-Journalisten Knut Krohn eingeladen, der in einem Vortrag von seinen Erfahrungen in der Ukraine und anderen Krisenregionen berichtete. Diese Eindrücke verarbeiten die Schüler in Improvisationsszenen, aus denen Wolf den Text entwickelte.

Journalisten kommen auch im Stück vor: Zwei Schülerinnen in der Rolle von Berichterstattern kommentieren, diskutieren und führen das Publikum durch das Stück. Die Idee dahinter: eher von Not zu berichten als sie auszustellen. „Wir versuchen, den Krieg zu verbildlichen, aber ohne Effekte wie Explosionen oder Schüsse“, erklärt die 17-jährige Anika, die eine der Journalisten-Rollen übernommen hat. „Es sollte nicht übertrieben oder gar lächerlich wirken, sondern die Perspektive der Menschen zeigen, die zwar vom Krieg betroffen, aber nicht direkt in ihn verwickelt sind“, ergänzt Milena, 18 Jahre, die andere Berichterstatterin. Die beiden engagieren sich seit vier Jahren in der Theater-AG, aber dieses Stück hat sie besonders berührt: „Für uns als Jugendliche ist Krieg ja erst mal sehr weit weg, höchstens unsere Großeltern haben ihn noch miterlebt“, beschreibt Anika ihre Erfahrungen während der Proben.

Die Schüler beschäftigen sich jetzt auch privat damit

Auch privat beschäftigen sich die Schüler nun intensiver mit den Themen Krieg und Flüchtlinge. Milena wird im Sommer ein Freiwilliges Soziales Jahr in Kenia beginnen: „Man muss die Situation vor Ort mal erlebt haben, um sich vorstellen zu können, wie es den Menschen wirklich geht“, erklärt sie.

Das ist auch die Intention von Theater-AG-Leiter Wolf: „Wünschenswert wäre ein Mindestmaß an Verständnis“, erklärt er. „Wir sollten uns fragen: Was würden wir erwarten, wären wir in dieser Situation?“ Um den Zuschauern das vor Augen zu führen, setzt Wolf auf Details. Was bedeutet es zum Beispiel, kein Bett und keine Decke zu haben? Solche Eindrücke werden nicht über die Medien transportiert, genauso wenig wie etwa Gerüche.

Geprobt wurde das Stück nur etwa sechs Wochen lang. Vieles auf der Bühne ist Improvisation. „Der Text gibt nur den Hauptdialog und eine Stimmung vor, der Rest bleibt den Schauspielern überlassen“, sagt Michael Wolf. So sei jede Aufführung ein wenig anders, und die Schüler hätten die Möglichkeit, ihre eigenen Empfindungen auszudrücken. „Natürlich kann so ein Theaterstück nur ein erster Schritt sein in diesem unglaublich weitreichenden Themenkomplex“, betont Wolf. Er möchte auf keinen Fall belehren und auch keine fertigen Antworten liefern. Aber das Stück wirft Fragen auf, über unsere Grundeinstellung und über unseren Umgang mit Menschen, die in Deutschland Schutz suchen.