Beim Workshop Foto: Coburn/Hatcher, privat

Die Künstler Tyler Coburn und Ian Hatcher haben zu einem ungewöhnlichen Workshop ins Theater Rampe eingeladen. Es ging dabei um nichts Geringeres als eine Einführung ins Übersinnliche.

S-Süd - Fast gespenstisch ist die Ruhe in dem abgedunkelten Raum hinter dem Theater Rampe. Wäre da nicht das Kritzeln von Bleistiften auf raschelndem Papier. Rund ein Dutzend Frauen und Männer hat sich eingefunden zum Workshop Remote Viewer: Die Künstler Tyler Coburn und Ian Hatcher üben mit ihnen die Technik der Fernwahrnehmung. Remote Viewing gilt als eine Form des Hellsehens. Damit soll es möglich sein, Orte und Situation jenseits von Zeit und Raum zu erreichen und Dinge wahrzunehmen, die mit den gebräuchlichen fünf Sinnen nicht zu erfassen sind.

Die Technik der Fernwahrnehmung

Berichte darüber, dass Menschen scheinbar Objekte und Ereignisse in der Ferne sahen, gibt es schon länger. Vom Ende des 19. Jahrhunderts an wurde dazu experimentiert. Der Schriftsteller Upton Sinclair versuchte etwa 1930, aufzuzeichnen, was seine Frau im Nebenraum betrachtete. Den Begriff Remote Viewing indes prägte der Physiker Russell Targ für seine Psi-Versuche 1974. Damals begann die US-Regierung, parapsychologische Fernwahrnehmungsexperimente zu fördern. In geheimen Experimenten versuchten Probanden mental in feindliche Gebiete einzudringen und diese mit Hilfe von Zeichnungen, Skulpturen und Sprache zu beschreiben: Atombomben, neue Pläne von U-Booten, Panzer. Derlei betrieben CIA und KGB bis in die 1990er Jahre.

Hier setzten auch Coburn, Performance-Künstler und Autor, sowie Hatcher, Dichter, Soundkünstler und Programmier, in ihrem Workshop an, der innerhalb des Techne-Festival von Künstlerhaus und Theater Rampe stattfand. Nach einer kurzen Einführung Coburns zu der CIA und ihren fernwahrnehmenden Agenten wärmte Hatcher die Teilnehmer für die mentale Technik auf. Schließlich sollten die ihr „Target“, ihr Ziel, visualisieren lernen. „Augen schließen, gemütlich sitzen, stellt euch einen Koffer vor, in den packt ihr all eure Sorgen, dann schiebt ihr ihn mit dem Fuß weg“, erklärte er. Und Coburn ergänzte: „Absolute Stille, euer Körper kollabiert, ihr schneidet euren Kopf ab – nun seid ihr frei überall hin zu reisen.“ Danach hieß es, zunächst auf Papier aufzuzeichnen oder zu schreiben, in einer weiteren „Session“ dann mit Ton zu formen, was einem in den Sinn kam. „Etwas Nasses, Fließendes, es riecht nach Eisen, es summte, piepte, erinnerte mich an meine Mutter“, wurde da imaginiert. Oder: „Irgendwas Kubisches, eine Box, Fluss, nein ein See, ein Hund, etwas dringt in mich ein, ich werde gescannt, beobachtet.“

Schauspieler unter den Teilnehmern

Wer sich da mitunter wie im falschen Film fühlte und Assoziationen an die Komödie mit George Clooney „Männer, die auf Ziegen starren“ hatte, über eine „Jedi-Krieger-Einheit mit übersinnlichen Fähigkeiten in der US-Armee, lag nicht so falsch. Ein Teil des Workshops folgte einem Drehbuch: Unter den Teilnehmern befanden sich auch die Schauspieler Stefan Wancura, Benjamin Hille, und Sarah Kempin, die mit ihren Bemerkungen anstachelten. Wollten doch die Künstler mit ihrem „scripted workshop“ Parallelen zu den „black boxes“ heutiger Überwachungsstrategien und Datenerfassung aufzeigen. „Man muss wachsam sein, kritisch mit Informationen umgehen“, so Coburn. „Verschleierung und Mystifizierung tragen dazu bei, dass der durchschnittliche Nutzer die derzeitigen Machtmechanismen nicht durchschaut.“