Matthias Breitenbach und Leopold von Verschuer in „Eugen und Eugen“. Foto: Hohenwarter

In „Eugen und Eugen“ spielen Matthias Breitenbach und Leopold von Verschuer ein Zwillingspaar, das sich nach 73 Jahren Trennung wiederfindet.

Stuttgart - Zwei irren umher: in einem verlassenen Fernsehstudio, zwischen verspiegelten Podesten und ledernen Sesseln. Sie verschwinden, tauchen wieder auf, begegnen sich schließlich, erkennen sich, umkreisen sich ungläubig, pressen ihre dicken Bäuche grinsend aneinander. Zwillingsbrüder haben sich gefunden. Matthias von Breitenbach und Leopold von Verschuer spielen „Eugen und Eugen“ am Theater Rampe.

Im Jahr 2016 sind Eugen und Eugen 84 Jahre alt, haben deutsche Geschichte erlebt im Inland, im Ausland, in Südwestafrika und auf Reisen durch Europa oder in den fernen Osten. Sie wurden vor 73 Jahren getrennt, sie sind sich dennoch vertraut und könnten unähnlicher nicht sein: Der eine Eugen trägt kariertes Sakko, der andere Jeansjacke; der eine hat ein Bärtchen, der andere nicht. Breitenbach ist Eugen im Sakko, er hält sich aufrecht, die Arme auf den Lehnen des Studiosessels. Leopold von Verschuer sitzt ihm gegenüber, immer leicht gebeugt, wiegt sich hin und her.

Matthias Breitenbach und Leopold von Verschuer haben „Eugen und Eugen“ selbst verfasst: eine komische und rätselhafte Farce, ein Spiel mit der Identität und eine Reise durch die Zeitgeschichte; sie lassen ihre Zuschauer erstaunt und verwirrt zurück. Zuletzt betritt eine Frau in Schwarz die Bühne, sie spielt auf der Triangel eine Musik, die minutenlang die Ohren klingeln lässt (Alvin Luciers „Silver streetcar“ von 1988). Und die beiden Brüder demontieren das Studio, kippen ein Spiegelpodest, schleppen viele Kochplatten herbei und eine Pfanne von enormer Größe; sie schlagen Eier, rühren Milch und Mehl, tragen dabei die Gewänder von Priestern und Sombreros wie aus einem Film von Jodorowsky - magischer Realismus in der Küche? Dampf steigt auf . . .

Zuvor verändert sich das Licht im Studio ständig, Bilder aus der Kindheit des Duos blitzen auf, ein Arzt plaudert, manchmal unverständlich, über Zwillingsphänomene. Eugen und Eugen reden, erinnern sich, erzählen, wie sie die Jahrzehnte durchlebten, ihre Kindheit verbrachten: „Nachts zählten wir die Züge“; „Ich habe dir das Lispeln abgewöhnt“. Unvorhergesehenes unterbricht Getrampel über der Bühne ihre Zweisamkeit. „Ich glaube, das ist normal“, sagt Eugen.

Sonja Füsti richtete die Bühne ein, die im Halbrund angeordnete Kulisse des verwaisten Fernsehstudios, in dem die Farbe der Wände sich sehr langsam ändert; Anja Füsti besorgte die Musik, Philipp Hohenwarter die Videoinstallationen, Anna-Elisabeth Frick die Dramaturgie. Vor allem aber ist „Eugen und Eugen“ ein starkes Stück schauspielerischer Performance: Matthias Breitenbach und Leopold von Verschuer verleihen den seltsamen Zwillingen auf unvergessliche Weise Gesicht, Körper, Stimme, agieren grandios einen fast zweistündigen Dialog aus, in dem das eine oder andere bedachtsam dunkel bleibt.

Nochmals am 22. und 23.12., 20 Uhr.