Astrid Meyerfeldt in „Alkestis-Theorem“ Foto: Niko Eleftheriadis

Die Schauspielerin Astrid Meyerfeldt erklärt, was die Menschen heute an der antiken Figur Alkestis interessiert, die sich bereit erklärt, an Stelle ihres Ehemannes zu sterben. „Alkestis-Theorem“ feiert am 28. April Premiere im Stuttgarter Theater Rampe.

Stuttgart -

Frau Meyerfeldt, Sie inszenieren und spielen mit „Alkestis-Theorem“ einen Monolog von Izy Kusche - warum nicht als Theaterstück, sondern als Video-Performance?

Intuition. Ich hatte den Text gelesen und Bilder vor meinem inneren Auge gesehen. Ich wusste aber, ich will keinen Film machen im klassischen Sinn, sondern eine Video-Sound-Installation. Und dann hat mich sofort interessiert, dass Izy Kusche die Alkestis als eine Figur anlegt, die in ihrer eigenen Geschichte feststeckt. Es geht an dem Abend auch um eine Schauspielerin, die im Erzählen feststeckt und aus dieser ihr zugeschriebenen Rolle heraus will – genau so wie Alkestis. Das kann man durch Video-Wiederholungen, Loops, oder leichte Variationen zum Beispiel zeigen und anschaulicher machen als in einem Film oder Theaterstück. Die Installation verbindet Performance, Theater, Video und Sound zu einem eigenen sich endlos wiederholenden Kosmos, in den der Zuschauer selbst eintreten und ihn so nachvollziehen kann.

Alkestis ist ja eine Frau, die als große Opferfigur der Weltliteratur gilt, weil sie sich bereit erklärt, an Stelle ihres Ehemanns den Tod auf sich zu nehmen.

Genau. Und sie will sich von dieser Rolle befreien, sie versucht sich an alternativen Lebensmodellen. Izy Kusche verlegt den Mythos der Alkestis in die heutige Zeit, lässt Adel und Finanzwelt verschmelzen. Der Mythos von heute erweist sich als ebenso stark, dass Alkestis auch ihm nicht entkommen kann. Auch als Schauspielerin bewegt man sich in einem Kosmos des Erzählens und der Rollenzuschreibung, diese Parallele fand ich spannend. Und deshalb ist das bewegte Bild dafür auch ein besseres künstlerisches Mittel: Man ist medial gebannt und kommt nicht mehr raus aus dem Bild, während man auf der Bühne auf- und abgehen kann. Auch kann ich in der Installation die Figuren verdoppeln und zwei Alkestisse oder zwei Astrid Meyerfeldts einander gegenüber stellen oder zum Verschwinden bringen. Und das betrifft auch die Produktionsbedingungen des Abends: denn ich war meine eigene Regisseurin, also Subjekt und Objekt der Erzählung zugleich.

Wie hat sich die Arbeitsweise im Vergleich zum Theater unterschieden?

Bei einer Performance spielt Intuition eine noch größere Rolle als bei der Probenarbeit im Theater, erst einmal viele Szenen einfach zu drehen, seiner Intuition zu folgen, das bietet natürlich eine riesige Freiheit. Die Szenen haben wir vom Text weit gelöst und wie fast alle Szenen im Theater Rampe gedreht. Es ging es darum, wie man sich alleine durch einen so limitierten Raum bewegt und ständig da ist, egal was dort sonst passiert. Nur die Kamera verfolgt einen ständig. Das ist schon sehr viel selbstbestimmter als in einer Theaterarbeit. Ich kann eine eigene Erzählung erstellen und jetzt veröffentlichen – im Gegensatz zu Alkestis. Die Leute, mit denen ich arbeiten wollte, konnte ich frei aussuchen: Niko Eleftheriadis als Kameramann und Anouschka Trocker für den Sound. Beide kenne ich schon lange, und es ist eine vertraute Zusammenarbeit. Wir haben also fast drei Wochen lang Szenen gedreht, später im Tonstudio außerdem den Text aufgenommen. Nach dem Dreh begann der zweite Teil der Arbeit: wir haben das Material gekürzt, geschnitten und montiert. Jetzt sind wir dabei, den Raum einzurichten, die Monitore anzuordnen und die Installation zu erstellen.

Was ist Ihr Ergebnis der künstlerischen Arbeit – kann sich Alkestis von der Opferrolle befreien?

Sie kann dem Kosmos nicht entfliehen. Ich habe eine Passage aus Euripides’ Alkestis hinzugenommen. Man kann die Selbstopferung Alkestis’ auch als Egoismus auffassen, wenn sie sagt: ich sterbe auch, weil ich nicht allein mit den Kindern übrig bleiben will. Doch letztlich gelingt ihr nicht einmal der freiwillige Tod als Befreiungsschlag, da sie ja für ihre Selbstlosigkeit dergestalt belobt wird, dass sie doch weiterleben darf, sich nicht opfern muss. Auch sie steckt fest - im stetigen Weiterleben, Erzählen. Da treffen wir uns.