Wenn oben geprobt wird, kann unten heute schon nicht gespielt werden – des Trittschalls wegen. Das Foto entstand bei einer Premieren des Jungen Ensembles. Foto: Junges Ensemble

Die Theater unter dem Tagblattturm geraten wegen zweier Baustellen in existenzielle Schwierigkeiten.

S-Mitte - Christian Bollow stampft wieder den Fuß auf den Boden. „Das hört jetzt die Tri-Bühne“, sagt er. Vorhin, ein paar Zimmer weiter, hat er nach dem Stampfen gesagt: „Das hört jetzt das Fitz.“ Was heißen soll: Den Theaterbetrieb im Altbau unter dem Tagblattturm zu organisieren, ist ohnehin schwierig. Wenn oben geprobt wird, verbietet es sich, unten vor Publikum zu spielen – des Schalls wegen.

Schall ist der Anlass dieses Rundgangs, der in einem Raum endet, „der unsere Hoffnung ist“, wie Bollow sagt – der Hoffnung auf Ruhe. Das Fußstampfen ist im Vergleich zu dem, was die Kulturbetriebe erwartet, ein Blätterrascheln im Frühlingswind. Nebenan beginnt in naher Zukunft die Arbeit auf einer Großbaustelle. Bollow spricht für das Figurentheater Fitz, Brigitte Dethier für das Junge Ensemble, Stefan Kirchknopf für das Theater Tri-Bühne.

Säle sind nicht schallisoliert

Mit ihnen haben sich Amtleute und Stadträte in jenem Raum versammelt, von dem die Theaterleute hoffen, dass wenigstens er durchgängig bespielbar sein wird. Allerdings hat er einen Makel: Er erfüllt die Brandschutzbestimmungen nicht. Die Stadt verspricht Abhilfe. Hilfsbereit sind alle hier. Jürgen Sauer, der kulturpolitische Sprecher der CDU im Gemeinderat und Organisator der Runde, stellt sogar „eine Kompensation“ aus der Stadtkasse in Aussicht, um Verluste von Einnahmen auszugleichen. Die könnten sich summieren. Neben dem Theaterbau sollen die Häuser Eberhardstraße 63 und 65 gegen Neubauten ersetzt werden. Ersteres gehört der Stadt, zweiteres dem Planungsbüro W2. Es ist der Bau, in dem ehemals die scheinbar ewige Teppichgalerie untergebracht war. Nahezu alle Säle der Kulturschaffenden grenzen direkt an die Baugrube und sind faktisch nicht schallisoliert. Die Fenster „sind 90 Jahre alt“, sagt Bollow. Jedenfalls sind sie so alt, dass sie gemäß Energieeinsparverordnung schon des Wärmeverlusts wegen ersetzt werden müssten.

Jene Einnahmeverluste werden höher sein, als selbst Kulturbeflissene sie schätzen würden. Etwa die Hälfte der jährlich 280 Vorstellungen des Fitz sind Kindervorstellungen mit Terminen während der üblichen Arbeitszeiten – damit auch Bauarbeitszeiten. Das junge Ensemble spielt ebenfalls mehrmals wöchentlich tagsüber für Schüler, meist vor ausverkauftem Saal. Zudem wird im Haus gelehrt. Die Adresse ist auch die des Theaterpädagogischen Dienstes und der Jugendkunstschule. Im großen Studio im ersten Stock lernen in diesen Minuten Erzieherinnen der katholischen Fachhochschule Theaterpädagogik.

Ob die Hilfsbereitschaft hilft, ist noch fraglich, denn Vorhersagen zum Bauablauf sind aktuell ähnlich unsicher wie die Wettervorhersage für den September. Dass Stefan Willwersch nach einer „Dramaturgie der Baustelle“ gefragt wird, dürfte die Ausnahme sein. Heute hört er die Formulierung mehrfach. Willwersch ist Architekt des Neubaus an der Eberhardstraße 65. Er beantwortet die Frage bereitwillig, aber im Grunde kann er sie nicht beantworten.

Zwei Jahre Bauzeit

Auf zwei Jahre ist die Bauzeit insgesamt kalkuliert. Die Theaterleute wünschen, dass die vermutlich vier Monate des besonders lauten Abbruchs in ihre zweimonatige Sommerpause fallen. Das ist zwar möglich, aber nicht garantiert. Zunächst muss das Baurechtsamt die Pläne endgültig genehmigen. Falls sie nachgebessert werden müssen, wird der Wunsch unerfüllbar.

Davon abgesehen, kann „beim Bauen im Altbestand immer was passieren“, sagt Stefan Willwersch. Gelegentlich treibt Unvorhersehbares die Dramaturgie auf Spitzen. Die Häuser sind verschachtelt und stehen Wand an Wand – gemäß den alten Bauplänen. Womöglich teilen sie sich aber Wände. In einem vergleichbaren Fall an der Theodor-Heuss-Straße „saßen wir beim Abbruch plötzlich bei einem Notar im Büro“.

Mit noch mehr Unsicherheiten ist der Neubau des Hauses Nummer 63 behaftet. Wie er aussehen soll, will die Stadt nach einem Architektenwettbewerb entscheiden. Nach aktuellem Stand tagt das Preisgericht am 12. Juni. Fast zeitgleich möchte Stefan Willwersch dann mit seinem Abbruch beginnen. Die Arbeiter könnten dann gleich das städtische Haus abtragen – theoretisch. Praktisch darf die Stadt den Auftrag nicht freihändig vergeben, sondern sie muss ihn ausschreiben – selbstverständlich fristgerecht.