Eine Psychologin? Nein, Software! Christoph Waltz in „The Zero Theorem“ Foto: Concorde

Ex-Monty-Python Terry Gilliam macht Christoph Waltz in „The Zero Theorem“ zum glatzköpfigen Computer-Eremiten – doch sein Film ist keiner über die Zukunft von heute, sondern einer über die Zukunft, wie man sie sich vor 30 Jahren vorgestellt hat.

Vor „Her“ (2013), Spike Jonzes Meisterwerk über einer Mann in einer nahen, entfremdeten Zukunft, der sich in sein Betriebssystem verliebt, hätte man vielleicht anders auf Terry Gilliams neuen Film „The Zero Theorem“ geschaut. Im Vergleich aber wirkt Gilliams Blick nach vorne seltsam überholt – als bespiegle ein Filmemacher sich selbst, wie er früher war, als er die Zeitreise-Farce „Time Bandits“ (1981) drehte, die furiose Dystopie „Brazil“ (1985), das End- und Zeitschleifendrama „12 Monkeys“ (1995).

Als glatzköpfiger Eremit Qohen Leth spricht Christoph Waltz von sich in der dritten Person, er haust in einer ehemaligen Kirche und sitzt als Angestellter Tag und Nacht fiebrig vor dem Monitor, um ein virtuelles Quader-Chaos aufzuräumen. Mal bedrängt ihn seine digitale Psychologin, mal klingelt das Telefon sehr analog, und wenn er den kommandierenden Kussmund des „Managements“ auf dem Display nicht mehr wegklicken kann, ist er endgültig gefangen in der Trojaner-Gegenwart. Qohen reagiert konsequent mechanisch: Er zerschlägt alles mit dem Hammer.

Die Zukunft von gestern

Bei Monty Python war Gilliam, Amerikaner unter Briten, für Bilder zuständig. Wie lebendige Blütenmuster entfalten sich seine blumigen Legetricks, verschlingen Leute und Dinge und wandeln sich rasanter, als dem Gewohnheitstier Mensch lieb ist. In „The Zero Theorem“ existieren diese Muster nur noch virtuell, als Herz umrahmen sie die Netzpräsenz der käuflichen Bainsley (die bezaubernde Französin Mélanie Thierry), die fürs Managements den Eremiten bei Arbeitslaune halten soll.

Ein roter Kobold-Overall versetzt Qohen ins Netz, wo er Bainsley trifft an einem von ihr imaginierten Südseestrand mit Dauer-Sonnenuntergang und giftfarbenen Himmelsrändern. Er selbst stellt sich einen Spiralnebel vor, ein Schwarzes Loch, das beide einsaugt.

In Qohens Welt sind nur die Lichtverhältnisse düster wie in „Brazil“, ansonsten aber quietschbunt wie die 1980er Jahre: die Pizza-Botin trägt Pink, Gangster-Klone Gelb, Qohens Sofa ist knallrot, und die gläsernen Speicherphiolen der Firma haben die Farben des Regenbogens. Werbebänder verfolgen Passanten, und ein gesprungener Monitor lässt sich mit einer simplen Folie reparieren.

Gilliam sprüht vor Ideen, permanent aber kollidiert die Behauptung einer Welt von morgen mit der Gestaltung alter Schule – „The Zero Theorem“ ist kein Film über die Zukunft von heute, sondern einer über die Zukunft, wie man sie sich vor 30 Jahren vorgestellt hat.

Die These vom Nichts

Weil seine Figur keine Eigenschaften hat, versucht Christoph Waltz es physisch: Er geht und sitzt gebückt, er reißt, zerrt und schleppt Dinge, er schaukelt mit weit aufgerissenen Augen vor dem Screen. Seine größte Stärke aber, seine Eloquenz und seine Konversationsführung, darf er nicht einsetzen. Stattdessen quasseln David Thewlis als Kollege und der junge Lucas Hedges als Management-Spross ununterbrochen über – ja, worüber eigentlich?

Gilliam fragt noch einmal nach dem Sinn des Lebens, er greift die legendäre Schlussthese in „Das Leben des Brian“ über das Nichts wieder auf, allerdings ohne den Humor und viel weniger zwingend und paranoid als in „Brazil“.

Wenn Qohens Welt in 1000 Bilder zerspringt, hallt ein Satz vom Beginn dieses Filmrätsels nach, den gescheiterte Dechiffrierer nun auf sich selbst beziehen können: „Fühlst du dich manchmal so, als kichere die Welt hinter deinem Rücken, als lache das ganze Universum über einen dicken, fetten kosmischen Witz, alle außer dir – weil du die Pointe bist?“