Die Band The Residents liebt die Verkleidung. Foto: The Residents

The Residents erteilen seit eh und je den Konventionen der Unterhaltungsmusik eine Absage. Jetzt ist die kalifornische Avantgarde-Band im Reutlinger Franz K aufgetreten. Ihre Maskerade diesmal: Pestmasken, Harlekin-Anzüge, Kuhfell und Schweinekopf.

Reutlingen - Nur allzu gerne würde man einmal auf und vor allem in ihre Köpfe gucken. Auf ihre Köpfe, allein um zu sehen, wer sie überhaupt sind und wie alt sie wohl sein mögen. Und in ihre Köpfe, um an den Motiven und Gedanken teilhaben zu können, die diese Band bei ihren Schöpfungsprozessen wohl umtreiben mögen. Doch das geht nun mal leider nicht. Denn die Mitglieder der Residents halten ihre Identitäten geheim, seit sich die Avantgardetruppe in San Francisco gründete. Interviews gibt es nur alle Jubeljahre, in der Öffentlichkeit treten sie nur maskiert auf. Lange Jahre diente dazu eine augapfelförmige Kopfmaske, die längst zum emblematischen Logo der Kalifornier geworden ist.

Derzeit setzen sie indes auf eine neue Kostümierung: Der Schlagzeuger, der Gitarrist und der Keyboarder kommen anlässlich ihrer aktuellen Tournee am vergangenen Freitagabend im Reutlinger Franz K in Businessanzügen aus Harlekinstoff nebst mittelalterlichen Pestmasken auf die Bühne, der Sänger in einem kuhfellgemusterten hautengen Einteiler mit einer Schweinskopfmaske.

Derart aufgebrezelt spielen die Residents ein anderthalbstündiges Konzert, das mit den Songs „Jelly Jack The Boneless Boy“ und „Mickey The Mumbling Midget“ beginnt, drei Coverversionen von James Brown, Elvis sowie Carl Perkins bietet und von vier Videozwischenspielen unterbrochen wird, in denen unter anderem Mutter Teresa und John Wayne ihre Träume schildern. Das klingt zugegebenermaßen alles etwas befremdlich, aber so tönt ja auch die Musik dieser vier Doktor Seltsams. Befremdlich freilich im positiv konnotierten Sinne, denn fremd gegenüber allen Konventionen der Unterhaltungsmusik gebärdet sich die Musik der Residents, dokumentiert auf rund vierzig Studioalben und zahlreichen weiteren Formaten, seit der Gründung vor bald fünfzig Jahren.

Erstes Konzert in der Region seit 15 Jahren

Und so gibt es beim ersten Konzert dieser Band in der Region Stuttgart seit 15 Jahren eine Musik zu hören, die zwischen Soundcollagen, den Grenzen der Atonalität, experimentellen Einwürfen und doch auch organischen Pop- und Rockmelodien oszilliert; die bei aller geforderten Hörkonzentration und streng künstlerischen Ernsthaftigkeit in der Aufführungspraxis auch Raum für ein wenig Bühnenjokus lässt; die ihren ganz besonderen Reiz aus den ständigen unerwarteten Wendungen in der Klangstruktur und der Dekonstruktion bestehender Songschemata bezieht, etwa in der Residents-bekannten Weise, mit der Elvis‘ „(Let me be your) Teddy Bear“, James Browns „It’s a Man’s Man’s World“ und – in der kleinen Zugabe – Hank Williams’ „Six more Miles (To the Graveyard)“ in eine Superslomo-Doomklangorgie herunter gebrochen werden.

Das klingt alles kompliziert, und das ist es stellenweise auch. Folgerichtig lassen die Erfinder des Videoclips auch konsequent ihren einzigen Hit aus, den einstigen Indiediscokracher „Kaw Liga“, und folgerichtig handelt es sich hier auch nicht um Melodien für Millionen, mit denen man schön die Arenen füllen kann. Auch das Franz K ist nicht gerade zum Bersten gefüllt – aber dennoch stimmt es sehr tröstlich, dass man auch Anno 2017 mit richtig ambitionierter Qualitätsmusik noch ein paar Hundertschaften mobilisieren kann. Bereut dürfte den Besuch dieses höchst interessanten Konzerts jedenfalls keiner unter ihnen haben.