Die Crew der „Mekong Explorer“ ist immer gut drauf. Foto: Schmidt

Am einen Ufer Laos, am anderen Thailand - bei einer Flusskreuzfahrt mit der „Mekong Explorer“ pendeln die Passagiere zwischen zwei erlebnisreichen Ländern.

Phon Phisai - Mit einem Lächeln stellt Frau Supunta ein Tablett neben das eisgekühlte Singha-Bier. Darauf liegen geröstete Käfer, Seidenraupenkokons und Heuschrecken, hübsch drapiert um ein Wachtelei. Erwartungsvoll blickt sie ihre Gäste an. Die lehnen sich ganz entspannt zurück und blicken grinsend über den Fluss Mekong ans andere Ufer nach Laos. Dort hatte man ihnen gestern noch viel merkwürdigeres Getier angeboten. Dagegen sieht dieser Snack harmlos aus. Sie greifen zu. Über ihren Köpfen schaukeln Lampions in der Abendbrise.

Eine nicht mehr ganz taufrische Band spielt Thai-Oldies für ein Rentner-Publikum. Daneben massieren kräftige Frauen müde Thai-Füße, stöbern Teenies bei fliegenden Händlern nach gefakten Gucci-Taschen. Der Mekong glänzt im letzten Licht wie flüssiges Silber. In diesem Moment erzählt Frau Supunta ihren Gästen aus Europa von farbigen Feuerbällen, die jedes Jahr am ersten Vollmond nach der Fastenzeit hier in Phon Phisai in der Provinz Nong Khai im Nordosten Thailands aus dem Wasser auftauchen. „Die Feuerbälle werden von den Nagas geschickt“, ist Frau Supunta überzeugt. Nagas, das sind Schlangenwesen, die nach Überzeugung vieler Einheimischer am Grunde des Mekong leben.

Wie? Was? Jetzt heften die Gäste ihre Blicke gebannt auf den so harmlos aussehenden Strom. Ein paar Meter weiter am Pier von Nong Khai wartet schon ihr schwimmendes Hotel, die „Mekong Explorer“. Es ist das einzige Passagierboot, das hier im Nordosten Thailands unterwegs ist auf dem gewaltigen Grenzfluss. Neu gebaut und doch charmant altmodisch dem französischen Kolonialstil nachempfunden, nimmt es seine Passagiere mit auf eine Reise jenseits von Bangkok, Pattaya und Phuket in diese touristisch kaum entdeckte Gegend namens Isaan. Und hält dabei an Orten, die bisher wenige aus dem Westen betreten haben. Einen Abend hüben in Thailand, einen drüben in Laos.

Nur 32 Passagiere haben Platz

Vor fünf Tagen sind sie gestartet am Ufer des verschlafenen Thai-Dorfes Ban Nakhae. Der Busfahrer, der die Gäste vom Provinzflughafen Udon Thani hinbrachte, hatte seine Mühe, das Kaff überhaupt zu finden. Nur 32 Passagiere haben Platz auf diesem Boot aus Teak- und Mahagoniholz. Gemütliche Kajüten mit Klimaanlage und eigenem Bad, ein luftiger Speiseraum, sogar eine kleine Bibliothek. Keinerlei Protz. Und eine überaus freundliche laotische Mannschaft. Wie angenehm. Die Gäste machen es sich gemütlich in den Bambusliegen auf dem Oberdeck und lassen die Landschaft an sich vorbeiziehen. Sie ist sanft, verschwimmt in allen Grüntönen und beruhigt den Blutdruck.

Man gewöhnt sich schnell an das Tuckern des Motors, an das ruhige Dahingleiten, an den Gong, der zu den Mahlzeiten ruft. Ab und zu grüßen am Ufer goldene Buddhas und spielende Kinder, sieht man Dörfer mit Häusern auf Pfählen, die sich zwischen Bananenstauden und Ölpalmen an den Hang schmiegen. Außer ein paar Langbooten mit Fischern und halb verrosteten Kähnen in Ufernähe, die Ausbaggerarbeiten erledigen, ist kein Schiff unterwegs. „ Laster bringen heute die Frachten über die Straßen, das ist billiger und schneller“, sagt Kapitän Kham Pheng, der wie alle an Bord barfuß geht. Lockerer Job, denken die Neulinge. Sie irren. Keine Minute lässt er den Fluss aus den Augen. „Der Mekong ist schwierig. Wo gestern Wasser war, ist heute eine Sandbank gewachsen. Es gibt scharfkantige Klippen, unerwartete Stromschnellen und Wasserpflanzen, die sich in den Schiffsschrauben verfangen.“ Kham Pheng hat große Achtung vor dieser über 4500 Kilometer langen Lebensader, die er „Mutter aller Flüsse“ nennt - das merkt man.

Noch ist der Mekong an den meisten Stellen wild und unbegradigt, gerade hier auf laotischem Hoheitsgebiet, und die „Mekong-Explorer“ wird auf ihrer Reise bis Sri Chiang Mai nur eine einzige Brücke passieren - die erste „Freundschaftsbrücke“ zwischen Thailand und Laos. Die Brücke nahe der laotischen Hauptstadt Vientiane war vor 20 Jahren ein Symbol für das lange verschlossene sozialistische Land. Inzwischen sind an anderen Stellen weitere Brücken hinzugekommen. Und seit einem Jahr baut Laos südlich der alten Königsstadt Luang Prabang an einem riesigen Staudamm, um Geld mit Elektrizität zu verdienen. Was aber passiert dann mit den Nagas, den schlangenartigen Wassergeistern, denen auch der Kapitän wie selbstverständlich opfert. Noch scheinen die Nagas besänftigt und bei guter Laune. Das sind auch die Bewohner des kleinen laotischen Dorfes an einem Seitenarm, das die Fremden am nächsten Tag mit Langbooten besuchen. Sie fühlen sich sofort willkommen.

Spektakuläre Sehenswürdigkeiten sind nicht dabei

Endlich mal was los. Kinder strömen in blütenweißen Hemden aus der Schule und lachen sie an. Langbeinige Hühner stolzieren seelenruhig um sie herum auf der staubigen Straße. Frauen sitzen vor ihren Häusern am Webstuhl, andere hacken Kräuter, putzen Gemüse. Eine Mädchengruppe bittet die Europäer kichernd in ihre Mitte für ein Foto. So ansteckend heiter und friedvoll ist die Atmosphäre. Und doch sieht jeder: Diese Menschen sind sehr arm. Aber es bewegt sich was. Satellitenschüsseln hängen an Bambuswänden über dem Kochgeschirr. Neben traditionellen Holzhäusern entstehen neue aus Beton. Viele im Dorf handeln mit Tropenholz, erzählt eine Frau. Neidisch seien sie nicht auf die thailändischen Nachbarn am anderen Ufer, nur ein bisschen auf deren Gesundheitsversorgung. „Aber uns geht es viel besser als früher,“ sagt sie und erhebt sich, um im Geisterhäuschen im Garten Räucherstäbchen für die Ahnen anzuzünden. Egal, wo die „Mekong Explorer“ auch anlegt: Spektakuläre Sehenswürdigkeiten sind nicht dabei.

Aber Erlebnisse, die unvergesslich sind - wie dieses: Eines Abends paddelt plötzlich aus der Dämmerung das halbe Dorf vom laotischen Ufer heran, um die Fremden zu begrüßen, die auf einer Sandbank haltgemacht haben, um zu grillen. Die Laoten binden den Gästen weiße Bändchen mit guten Wünschen für die Weiterreise ums Handgelenk. Unvergesslich ist auch der Besuch in einem Felsenkloster auf thailändischer Seite. Auf Knien rutschend nähern sich die Fremden dem Abt und bringen ihm als Gaben Maiskolben und Scheuermittel mit. Er nimmt sie schweigend und lächelnd an, saugt genüsslich an einem sehr dünnen Zigarillo und schickt die Europäer auf den Weg der Erleuchtung hinauf zum Tafelberg.

Faulgase sammeln sich im Flussbett

Oben angekommen sehen sie einen Naga zum ersten Mal leibhaftig, zumindest in Form einer Statue. Diesmal in Form eines Schlangengottes, der mit seinen sieben Köpfen sorgsam Buddha beschirmt. Denn ein Naga kann grundsätzlich vielerlei Gestalt annehmen. Fünf Tage später hören sie an der Uferpromenade in Nong Khai von den Naga-Feuerbällen. Frau Supunta sah sie schon oft, denn sie ist vor 30 Jahren hier geboren. „Manche sind so groß wie eine Almosenschale für Mönche, andere wie eine Orange, die kleinsten wie ein Hühnerei.“ Immer wieder werde behauptet, Menschen seien dabei im Spiel, berichtet Frau Supunta fast empört. Mönche, die den Zauber der Legende mit Pyrotechnik nähren, oder die laotische Armee, die Leuchtraketen abschössen, um Schaulustige anzulocken. „Alles Quatsch. Das kann kein Mensch. Die Lichtkugeln fliegen ohne Geräusch aus dem Wasser, steigen zehn, manchmal sogar 30 Meter in die Höhe und verschwinden wieder“, sagt Frau Supunta.

Wissenschaftler gehen übrigens davon aus, dass sich während der Regenzeit Faulgase im Flussbett des Mekong sammeln, die dann im Oktober gegen Ende der Regenzeit - ausgelöst durch den Vollmond - aufsteigen und sich ähnlich den Irrlichtern bei Sauerstoffkontakt entzünden. Doch in den Augen von Frau Supunta ist auch das Unsinn: „Woher wissen die Gase, dass sie genau an diesen zwei Tagen im Oktober aufsteigen sollen?“ Eins aber macht Frau Supunta wirklich Sorgen: Es sind immer weniger Feuerbälle gesehen worden in den letzten Jahren in Nong Khai. Für sie liegt die Erklärung auf der Hand: Die Nagas hätten sich an stillere, unberührtere Orte zurückgezogen, wo es weniger Zuschauer und weniger Zivilisation gibt. „Man darf dem Mekong und der Natur drum herum nicht zu viel zumuten. Sonst sterben die Nagas.“

So wird das Wetter für die Weltreise

Infos zum Mekong

Anreise
Von Bangkok mit Thai Airways zur Provinzhauptstadt Udon Thani oder nach Vientiane, der Hauptstadt von Laos. Von beiden Städten ist es mit dem Bus nicht mehr weit nach Nong Khai, wo das Schiff wartet.

Flusskreuzfahrten
Die neu gebaute „Mekong Explorer“ ist eines der kleinen Holzboote, das der deutsche Reiseveranstalter Lernidee auf dem Mekong einsetzt - mit 16 klimatisierten Kabinen für 32 Gäste. Es geht leger zu, die Kochcrew tischt laotisch-thailändische Speisen auf und zwischendurch auch mal Schnitzel oder Spaghetti, die beschriebene 8-tägige „Mekong à la carte-Kreuzfahrt“ durch den Nordosten Thailands mit Abstechern nach Laos wird regelmäßig ab 19. November angeboten. Kosten: pro Person ab 1690 Euro (ohne Flug), Lernidee Erlebnisreisen, Telefon 030 / 7 86 00 00, www.lernidee.de

Mekong-Flussfahrten werden aber nicht nur im unentdeckten Isaan angeboten. Die spektakulärsten, wilden Berglandschaften liegen zwischen Nordlaos und dem Goldenen Dreieck, wo die Grenzen von Thailand, Myanmar und Laos verlaufen - oder aber an seinem gewaltigen Delta in Vietnam, wo er ins Südchinesische Meer mündet. Eine Auswahl findet sich unter: www.kreuzfahrtferien.de

In Laos ist die Welterbestadt Luang Prabang (von Bangkok aus mehrmals per Flugzeug erreichbar), ein oft gewählter Ausgangspunkt: Eine Kurztour führt z. B. zu den heiligen Höhlen von Pak-Ou - dafür warten am Ufer nahe dem Königstempel private Langboot-Führer. Auch örtliche Reisebüros haben Mekong-Ausflüge im Angebot.

Essen und Trinken
Laoten und Thais zu beiden Seiten des Flusses lieben Open-Air-Grillstände und winzige Garküchen, die sie zur Abendzeit haufenweise am Ufer des Mekong aufstellen. Versuchen sollte man beim Landgang wenigstens mal ein Hühnerspießchen oder geröstete Heuschrecken, dazu ein eisgekühltes „Singha“-Bier hüben oder drüben ein „Beerlao“- Bier mit vielen Eiswürfeln (aber nur, wenn die aus Flaschenwasser und abgepackt sind).

Was Sie tun und lassen sollten
Auf keinen Fall Laoten mit Handschlag begrüßen und Tempel und Privathäuser mit Schuhen betreten.

Auf jeden Fall in Nong Khai auf der thailändischen Seite über den riesigen Markt schlendern.