Die islamistischen Terroristen von Paris haben Waffen verwendet, die von einem Händler aus Deutschland stammen sollen. Welche Verbindung hatte der Mann nach Frankreich?

Magstadt/Stuttgart - Kaum jemand geht am frühen Freitagnachmittag in Magstadt bummeln. Die 9000-Seelen-Gemeinde im Kreis Böblingen wirkt wie ein beschaulicher Ort. Dass aus ihrer Mitte ein Waffenhändler die Terroristen in Paris mit Waffenunterstützt haben soll, beschäftigt die Menschen.

Zwei Wochen nach den Terroranschlägen in der französischen Hauptstadt verfolgen die Sicherheitsbehörden bei den Ermittlungen eine Spur nach Baden-Württemberg. „Ein 24 Jahre alter Mann steht im Verdacht, vier Sturmgewehre an eine Pariser Lieferadresse geschickt zu haben“, sagt ein Sprecher der Stuttgarter Staatsanwaltschaft am Freitag. Der Mann sitzt in Untersuchungshaft. Mögliche Bezüge zu den Anschlägen vor zwei Wochen würden geprüft.

Die Staatsanwaltschaft hatte am Donnerstag Ermittlungen im Fall eines 24 Jahre alten Deutschen aus Magstadt wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz eingeleitet. Das Landeskriminalamt wurde mit weiteren Untersuchungen beauftragt. Die Akten seien dem Generalbundesanwalt in Karlsruhe vorgelegt worden, der aber Ermittlungen noch nicht an sich ziehen wollte, heißt es. Bislang sehe man keine Relevanz in Sachen Paris.

Kalaschnikows an einen Abnehmer in Paris verkauft?

Dem Beschuldigten wird vorgeworfen, in mehreren Fällen Schreckschusswaffen ungenehmigt zu illegalen Schusswaffen umgebaut und diese über eine illegale Plattform im Darknet verkauft zu haben. Im Darknet (englisch für „Dunkles Netz“) können sich Nutzer anonym bewegen. Bei der Durchsuchung der Wohnung des Mannes am vergangenen Montag seien 16 Schusswaffen gefunden worden. Doch erst seit der Auswertung von Emails gibt es Anhaltspunkte dafür, dass der Verdächtige Anfang November 2015 vier Kalaschnikows an einen Abnehmer in Paris verkauft haben könnte.

Islamistische Terroristen hatten am 13. November an mehreren Orten in der französischen Hauptstadt 130 Menschen getötet, unter anderem mit Sturmgewehren des Typs Kalaschnikow. „Die Identität des Käufers steht noch nicht fest“, sagt der Stuttgarter Behördensprecher.

In der Sportbar „Halbzeit“ in Magstadt sitzen fünf Männer, jeder vor einem Glas Weizenbier, rauchen und kokettieren bisweilen mit der hübschen Bedienung. „Eigentlich bin ich nicht schockiert. Waffen werden auf der ganzen Welt verkauft. Die Waffe an sich kann ja nichts dafür, sondern nur derjenige, der sie benutzt“, sagt ein 48-jähriger Pragmatiker. Ein neben ihm sitzender 36-Jähriger ergänzt: „Magstadt ist ein kleines Dorf, aber es kommt hier schon mal was vor. Hier ist vor elf Monaten ein Autohändler, der zuviel Geld hatte, verschwunden. Den hat man nicht gefunden und man wird ihn auch nicht wieder finden.“ Ganz ohne ist Magstadt also offenbar nicht.

„Magstadt ist ein ruhiger Ort“

„Wer Waffenhandel betreibt, muss sich Gedanken über die Konsequenzen machen“, gibt ein 20-Jähriger zu bedenken. Der Händler sei jetzt selbst schuld, dass er im Gefängnis sitze. Er habe sich einfach zu wenig Gedanken gemacht: „Vielleicht hat er ja Kinder. Wenn die Anschläge mit seinen Waffen hier passiert wären und seine Kinder unter den Opfern wären, was dann?“

Völlig überrascht ist der 24-jährige Philip Walter, Tätowierer in der „Inbreeding Tattoo Gallery“ nebenan: „Das ist sehr traurig. Ich hätte nicht erwartet, dass es so jemanden hier in der Nachbarschaft gibt. Hoffentlich haben wir nicht noch so einen im Ort. Bei mir wurde zwar schon mal eingebrochen, aber ansonsten ist Magstadt ein ruhiger Ort.“

In „Yasins Café“ um die Ecke sitzen vier Türken im gesetzten Alter bei Tee und Zigaretten. „Waffenverkauf an Terroristen hätten wir hier im Ort nicht vermutet. Es gibt in Magstadt immer mal wieder Diebstähle, Einbrüche und ab und zu mal eine Schlägerei, aber so etwas haben wir hier noch nicht erlebt“, sagt Yasin Özyürek, der Wirt. Seine Gäste, zu 95 Prozent Türken, zu fünf Prozent Bosniaken und Deutsche sind auch schockiert, dass hier so etwas passiert sei. Er habe davon reden hören, dass der verhaftete Waffendealer Sascha heiße: „So heißen auch zwei meiner Freunde, aber die haben garantiert mit so etwas nichts zu tun.“

Ein ungutes Gefühl für ein paar Tage

Ein Stück weiter in der Bäckerei bei der Kirche steht die 31-jährige Annette Gentile hinter dem Verkaufstresen: „Ich habe von meinen Kolleginnen von der Sache gehört. Es sind hier aber auch schon andere Sachen vorgekommen. Nebenan haben sie die Bank überfallen, jemand ist verschwunden und eine Schießerei gab es auch schon.“

Der 63-jährige Rentner Werner Schmidt will gerade mit seiner Gattin Elisabeth einkaufen fahren. „von der Nachricht waren wir schon überrascht, aber mit so etwas muss man heutzutage überall rechnen“, sagt Werner Schmidt. Dann ergänzt er grimmig: „Ich hoffe, dass der Waffenverkäufer nicht auch noch in einem Schützenverein war. Da war ich nämlich 25 Jahre lang im Vorstand. Leute wie der rücken seit langem die Schützenvereine insgesamt in ein schlechtes Licht.“ Ein wenig mulmig sei es ihr durch die möglichen Verstrickungen eines Magstadters in den Terrorismus schon, sagt seine Frau Elisabeth. Aber das ungute Gefühl lege sich sicher wieder nach ein paar Tagen: „Früher wurde hier am Hölzersee jemand erschossen, man hat sich erst unsicher gefühlt, aber nach einiger Zeit war alles wieder normal. Durch so etwas lassen wir uns nicht vertreiben.“

Ein Mann mittleren Jahren, der geschäftig durch die Straßen eilt, entpuppt sich als Mitarbeiter der Gemeinde. „Ich verstehe den ganzen Rummel nicht, den es gerade um Magstadt gibt. Man weiß doch über die Verstrickungen des Waffenhändlers noch nichts genaues“, sagt er. Im Ort gebe es ein reges Vereinsleben, das die Menschen in die Dorfgemeinschaft einbinde. Er arbeite jetzt schon seit einigen Jahren in Magstadt, aber die Einwohner seien eben immer schnell dabei, sich schlechter zu reden, als sie seien.