Der Terrorhelfer-Prozess in Stuttgart nähert sich seinem Ende Foto: dpa

Die Staatsanwaltschaft Stuttgart rüstet sich für eine Vielzahl von neuen Islamismusfällen. Durch die neue Gesetzeslage wird es leichter, gegen mögliche Dschihadisten zu ermitteln.

Stuttgart - Im Juni vergangenen Jahres meldet sich ein Elternpaar bei der Polizei. Das Paar ist in größter Sorge um seinen 17 Jahre alten Sohn. Der Junge sei in letzter Zeit verschlossen und immer merkwürdiger geworden. Die Eltern treibt die Angst um, der Sohn wolle nach Syrien reisen, um sich dem Islamischen Staat (IS) anzuschließen.

Und tatsächlich: Der junge Mann und sein gleichaltriger Freund hatten ihr Taschengeld zusammengelegt und einen Flug in die Türkei gebucht. Dann jedoch bekommt der Sohn Fracksausen. Er ruft seine Eltern im Kreis Böblingen an. „Ich bin in Istanbul, ich habe Mist gebaut“, so der Jugendliche. Er wolle zurück. In Deutschland angekommen, wird er vorläufig festgenommen.

Sein Kumpel scheint entschlossener gewesen zu sein. Er wird im türkischen Gaziantep festgenommen und den deutschen Behörden überstellt. Dieser 17-Jährige hatte bereits Kontakt zum IS aufgenommen. Er benennt seine Kontaktpersonen, offenbart Codewörter, Reisewege und dergleichen. Die Staatsanwaltschaft erhebt im Januar dieses Jahres Anklage gegen den 17-Jährigen beim Jugendgericht in Leonberg.

"Ermitteln derzeit in elf aktuellen Fällen in Württemberg"

Grundlage ist der Paragraf 89 des Strafgesetzbuchs. Dieser Paragraf wurde 2008 nach dem vereitelten Bombenanschlag der Sauerlandgruppe im Jahr 2007 installiert. Paragraf 89 stellt die Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat und auch die Aufnahme von Beziehungen zur Begehung einer solchen Straftat unter Strafe.

Damit können die deutschen Behörden gegen Leute vorgehen, die sich zum Beispiel in Syrien dem IS anschließen wollen oder sich bereits angeschlossen haben und dann nach Deutschland zurückkehren. „Wir ermitteln derzeit in elf aktuellen Fällen in Württemberg“, sagt Stefan Biehl, bis vor kurzem Staatsanwalt in Stuttgart, derzeit zur Bundesanwaltschaft in Karlsruhe abgeordnet.

Es werden mehr Fälle werden, da sind sich Biehl und Leitender Oberstaatsanwalt Siegfried Mahler, Chef der Staatsanwaltschaft Stuttgart, einig. Denn das Bundesjustizministerium hat vor wenigen Wochen einen neuen Gesetzesentwurf vorgelegt. In Zukunft soll bereits die Reise oder der bloße Versuch einer Reise etwa nach Syrien oder in den Irak unter Strafe gestellt werden, wenn sie dem Ziel dient, terroristische Taten zu begehen oder vorzubereiten. Kritiker sagen, damit werde den Betroffenen die Möglichkeit genommen, ihr Tun zu überdenken und es vielleicht schlicht bleiben zu lassen – wie es der eine 17-Jährige aus dem Kreis Böblingen tat.

Zwei zusätzliche Stellen für den Kampf gegen den Islamismus

Befürworter halten dagegen, die potenziellen Dschihadisten, die sich einer Terrormiliz wie dem IS anschließen wollen, seien den Behörden oft schon bekannt. Man müsse reagieren, nachdem sich bereits Hunderte Personen aus Deutschland dem IS angeschlossen hätten. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart bekommt jedenfalls zwei zusätzliche Stellen für den Kampf gegen den Islamismus.

Der erste Syrien-Rückkehrer, der den Ermittlern in Baden-Württemberg ins Netz gegangen ist, steht derzeit vor dem Oberlandesgericht Stuttgart. Der 24-Jährige aus Stuttgart war nach eigener Aussage im August 2013 nach Syrien gereist – um humanitäre Hilfe im Kampf gegen den syrischen Staatschef Baschar al-Assad zu leisten, wie er sagt. Die Bundesanwaltschaft wirft ihm dagegen vor, er habe sich in einem Terrorcamp ausbilden lassen. Zurück in Stuttgart, habe er Ausrüstungsgegenstände für den IS gekauft. Der Mann war im November 2013 an der Raststätte Gruibingen zusammen mit einem Mitstreiter festgenommen worden. Die Männer waren auf dem Weg nach Syrien. Der Prozess gegen den 24-Jährigen und seinen mutmaßlichen Gesinnungsgenossen nähert sich seinem Ende.

Bereits im Dezember 2014 war der IS-Kämpfer und Rückkehrer Kreshnik B. in Frankfurt wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung zu einer Jugendstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt worden. Auch in Stuttgart werden wohl weitere solche Fälle auflaufen.