Sonnenanbeter freuen sich über Temperaturrekorde, doch Klimaforscher warnen vor den globalen Folgen. Foto: dpa

Während Klimawandel-Skeptiker in den USA frischen Wind in den Segeln spüren, liefern Wissenschaftler Zahlen. Und die geben kaum Anlass zu Entspannung.

Washington/Offenbach - Es wird immer wärmer: Das Jahr 2016 bricht aller Wahrscheinlichkeit nach erneut weltweite Temperaturrekorde. Und übertrifft dabei noch seine beiden Vorgänger als wärmstes Jahr seit dem Beginn exakter Aufzeichnungen im Jahr 1880. Im Durchschnitt habe die Temperatur über den Land- und Ozeanflächen unseres Planeten von Januar bis Oktober bei 15,08 Grad Celsius gelegen, berichtete die US-Klimabehörde NOAA Mitte November. Das ist noch einmal 0,1 Grad Celsius mehr als im Vorjahreszeitraum.

Internationale Organisationen warnen

Die US-Behörde weist darauf hin, dass in den vergangenen Monaten immer mehr rekordverdächtige Abweichungen von den mittleren Monatswerten registriert worden seien. 14 von 15 dieser Spitzenabweichungen in jüngster Zeit seien seit Februar 2015 registriert worden, was auf eine rasante Beschleunigung der Erderwärmung schließen lasse. Auch nach dem Abklingen des Klima erwärmenden globalen Wetterphänomens El Nino purzeln in diesem Jahr weiter die globalen Temperaturrekorde.

Auch die Weltwetterorganisation WMO hält es für wahrscheinlich, dass 2016 das heißeste bisher erfasste Jahr wird. Nach vorläufigen Daten werde es 1,2 Grad wärmer als die vorindustriellen Jahre.

Auf El Niño folgt La Niña

September und Oktober waren nach einer langen Folge von 16 Rekordmonaten die ersten, die „nur“ zweit- und dritthöchste Werte erreichten. Das ist nach Angaben der NOAA-Forscher vor allem auf den Einfluss des gerade beginnenden Klimaphänomens La Niña zurückzuführen. La Niña löst den vorausgegangenen El Niño ab und kühlt das Oberflächenwasser im Ostpazifik.

Während es in weiten Teilen Asiens zuletzt deutlich kühler war als im Mittel, überwiegen die roten, erwärmten Teile der Temperaturweltkarte bei weitem. Das gilt etwa auch für Alaska, den schnee- und eisreichen nördlichsten der US-Bundesstaaten. „Die Durchschnittstemperaturen in Alaska sind seit den 1980er Jahren um zehn Grad Fahrenheit (5,56 Grad Celsius) gestiegen“, berichtet NOAA-Experte Rick Thoman.

Der Klimachef der US-Weltraumbehörde Nasa, Gavin Schmidt, sagt, das erste Halbjahr 2016 sei nicht nur das wärmste seit Beginn der Aufzeichnungen, sondern auch 1,3 Grad Celsius wärmer als die letzten beiden Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts gewesen. Noch wichtiger sei, dass 2106 bislang 1,5 Grad Celsius wärmer als das vorindustrielle Zeitalter gewesen sei. Das ist exakt die Marke, die laut Weltklimaabkommen vom Dezember 2015 vermieden werden sollte. Sollte das nicht gelingen, müsse die Erwärmung aber auf zwei Grad Celsius über den Temperaturen vor der Industrialisierung eingedämmt werden.

Eis an den Polen schmilzt immer schneller

Was den Forschern auch Sorgen macht: Das arktische Eiswächst erneut deutlich langsamer als für die Jahreszeit normal. Im Oktober waren auf der nördlichen Halbkugel nur rund drei Viertel der Meeresoberfläche mit Eis bedeckt wie verglichen mit dem 30-Jahres-Mittel üblich. Deutlich weniger noch als 2015. Das sei die kleinste arktische Eisfläche in einem Oktober seit Beginn dieser Aufzeichnungen 1979, schreibt die NOAA. „Es fehlt eine Eisfläche von der Größe Alaskas und Texas’ zusammen.“ In der Antarktis war die Eisfläche im Oktober vier Prozent kleiner als üblich.

Ohne Eisschicht, die die Sonnenstrahlen reflektiert, steigen jedoch die Meerestemperaturen verstärkt. „Die Ozeane spielen verrückt“, resümiert die NOAA mit Blick auf arktische Regionen und starke Stürme in der Beringsee. Auch Hurrikans wie Matthew, der im Oktober weite Teile Haitis und den Südosten der USA verwüstete, werden durch steigende Meerestemperaturen angeheizt.

Auch in Deutschland purzeln die Rekorde

In Deutschland setzt sich der Trend zu einem generellen Temperaturanstieg ebenfalls fort. Mit Ausnahme des Oktobers waren alle Monate wärmer als in den Vorjahren – und auch der November hat Chancen, sich diesem Rekordkurs anzuschließen. „Der November könnte unter die Top Drei der wärmsten November-Temperaturen seit Beginn der Wetteraufzeichnungen kommen“, sagt Gerhard Lux, Sprecher des Deutschen Wetterdienstes in Offenbach. Bereits der September 2016 galt als extrem warm. Mit einer Durchschnittstemperatur von 16,8 Grad lag er um 3,5 Grad über dem Durchschnitt des 30-Jahre-Vergleichs.

Doch nicht nur die Temperaturen stiegen – der Sommer 2016 war geprägt durch eine ungewöhnlich lange Serie von Gewittern, die in einigen Regionen große Schäden anrichteten. Mehrere Menschen kamen durch Blitzschläge ums Leben. Heftige Gewitterregen trugen ebenso wie Hitzeperioden dazu bei, dass etwa die Getreideernte vielerorts schlecht ausfiel.

Mit Taifunen oder Hurrikans, die in Südostasien und der Karibik Schneisen der Verwüstung schlagen, sind diese Gewitterstürme zwar nicht zu vergleichen. Dennoch: „Unsere Gesellschaft ist einigermaßen auf Hochwasser und ähnliches vorbereitet, aber nicht auf kurzfristige Ereignisse wie etwa Sturzfluten“, warnt Gerhard Adrian, der Präsident des Deutschen Wetterdienstes.