Hitzeschäden auf der Autobahn: nicht nur der Mensch, sogar die Betondecke leidet. Foto: dpa

Landesumweltminister Untersteller (Grüne) zeichnet ein drastisches Bild von den Folgen des Klimawandels fürs Land: die Temperaturen werden weiter steigen, die Wetterextreme und Hitzewellen werden zunehmen.

Stuttgart - Der Klimawandel findet nicht auf einem fernen Pazifikatoll statt, sondern vor der eigenen Haustür – in Baden-Württemberg. Vor vier Jahren hatte das Land ein Klimaschutzgesetz verabschiedet, das eine laufende Berichterstattung über das Thema vorschreibt. Am Dienstag stellte Umweltminister Franz Untersteller (Grüne) einen ersten Monitoring-Bericht „Klimafolgen und Anpassung“ vor. Das Werk beschreibt vor allem den drastischen Temperaturanstieg der vergangenen Jahrzehnte n und wie er sich in neun „Handlungsfeldern“ – von der Landwirtschaft bis zu den Städten – auswirkt.

Die Fichte ist bedroht – der Schwarzwald wird sich verändern

Und der Anstieg ist dramatisch. „Ich hätte mir das so nicht vorgestellt“, sagte Minister Untersteller und warf einen Blick auf die Zukunft einer Landschaft, die prägend ist für das Bundesland: „Der Schwarzwald wird sein Waldbild verändern, Fichte, Kiefer und Buche werden wegen der zunehmenden Erwärmung zugunsten von Mischwald weichen.“ Untersteller zog vor der Landespressekonferenz eine Wärmebilanz, die viele Zuhörer erstaunte. Der März 2014 sei im Lande der wärmste März seit Beginn der Wetteraufzeichnungen vor 130 Jahren gewesen.

Die Jahresdurchschnittstemperatur sei in allen Regionen des Landes binnen 30 Jahren um ein Grad auf 10,1 Grad angestiegen – Tendenz steigend. Es wird noch wärmer werden. „Je nach Szenario wird die Durchschnittstemperatur in Baden-Württemberg bis Ende des Jahrhunderts um 2,5 bis 3,6 Grad ansteigen.“ Aber nochmals der Blick zurück: Die Zahl der warmen Tage (über 25 Grad) im Jahr hat von 31 auf 42 zugenommen, die der heißen Tage (über 30 Grad) hat von fünf auf neun zugenommen. Die Eistage sind weniger geworden.

Am erstaunlichsten ist die Temperaturentwicklung auf dem eigentlich kühlen Feldberg , wo – gemessen an der niedrigen Basistemperatur – der vergleichsweise höchste Temperaturanstieg festgestellt worden ist: Die Jahresmitteltemperatur hat seit den 50er Jahren um 1,6 Grad zugenommen und lag 2015 im Mittel bei 5,4 Grad. Auch Städte wie Stuttgart, Karlsruhe, Mannheim und Freiburg „schwitzen“ zunehmend unter der Hitzelast der Sommer. Die Wetterstationen Stuttgart-Echterdingen und Freiburg hatten seit 1950 die stärksten Temperaturanstiege – ein Plus von 1,8 Grad. Im Sommer sorgen die Hitzeglocken der Städte für immense Unterschiede zum Umland – in Karlsruhe ist einmal eine Differenz von sieben Grad gemessen worden.

Die Tigermücke aus Asien ist in der Rheinebene aufgetaucht

Die Pflanzenwelt verändert sich bereits drastisch. „Wir werden trockenere Sommer, und feuchtere Winter bekommen. Viele Bestände sind konkret bedroht“, sagte Minister Untersteller. Fremde, wärmeliebende Arten wie Kiwi, Soja oder die Merlot-Traube könnten hierzulande angebaut werden. Gravierend für die Obstbauern ist die früher einsetzende Baumblüte, wenn danach noch einmal Spätfröste einsetzen wie es in diesem Jahr geschah. Im Murgtal haben die Wetterkundler die Obstblüte genauer beobachtet – sie setzte in den vergangen 25 Jahren im Durchschnitt 13 Tage früher ein als im Vergleichszeitraum zuvor. Auch die Tierwelt verändert sich. Sorgen bereitet den Behörden das Auftauchen der Tigermücke im Oberrheingraben, die das Dengue und das Chikungunya-Fieber übertragen kann.

Gefahr für den Menschen kommt nicht nur von Stechmücken, sondern auch von der Hitze selbst. „Häufigere und stärkere Hitzewellen werden in Zukunft auf eine ältere Gesellschaft treffen“, heißt es in dem Bericht, der auch an den extrem heißen Sommer von 2003 erinnert, als es Hitzetote zu beklagen gab. Bis 2060 wird der Anteil der über 65-Jährigen im Südwesten von heute 20 Prozent an der Bevölkerung auf 30 Prozent anwachsen. Untersteller weist auf die Klimaprojekte der Städte hin, die mit Frischluftschneisen, Dachbegrünung und Wasserflächen für Kühlung sorgen müssten.

Starkregen ist eines der Wetterextreme

Ein anderes Problem ist die Zunahme der Wetterextreme. Insbesondere mehr Starkregen und Hochwasser werden in Zukunft erwartet. Das Unwetter von Braunsbach oder aber auch der Starkregen vergangenen Samstag in Friedrichshafen seien da unheilvolle Vorboten, sagte Minister Untersteller: „In Friedrichshafen kamen in zwei Stunden 107 Millileter Niederschlag herunter, der Jahresdurchschnitt in Baden-Württemberg liegt bei 800 Millimetern!“ Dies seien Ausnahmesituationen, auf die man sich einstellen müssen. Untersteller verwies auf die 90-Millionen-Förderung des Landes zum Hochwasserschutz. Vor zwei Jahren sind übrigens Anpassungsstrategien entwickelt worden – insgesamt 76 Handlungsempfehlungen – um mit dem Klimawandel fertig zu werden. Sie zu bewerten sei es aber noch zu früh, sagte Untersteller.